»Mit dem Aufkommen der Organverpflanzungen, die mit Bluttransfusionen begannen, war dem Menschen die Möglichkeit geschenkt, etwas von sich selbst, von seinem Blut und seinem Körper zu spenden, um anderen das Leben zu erhalten. [...] Wir sind aufgerufen, unseren Nächsten auf neue Arten zu lieben, in der Sprache des Evangeliums „bis zur Vollendung“ (Joh 13,1) zu lieben, jedoch innerhalb gewisser grenzen, die, von der menschlichen Natur selbst festgelegt, nicht überschritten werden können.
In erster Linie ist diese Form der Behandlung untrennbar an das Spenden von Seiten eines Menschen gebunden. Tatsächlich setzt ja die Organverpflanzung eine Vorhergehende, ausdrückliche, freie und bewusste Entscheidung des Spenders oder seiner berechtigten Vertreter – für gewöhnlich der nächsten Verwandten – voraus, die Entscheidung, unentgeltlich einen Teil des eigenen Körpers für die Genesung und das Wohlbefinden eines anderen zur Verfügung zu stellen. In diesem Sinn macht der medizinische Eingriff der Organverpflanzung den Akt der Selbsthingabe des Spenders möglich, dieses aufrichtige Geschenk seiner selbst, Ausdruck der uns innewohnenden Berufung zu Liebe und Selbstmitteilung.
Liebe, Selbstmitteilung, Solidarität und absoluter Respekt für die Würde des Menschen sind der einzige gerechtfertigte Rahmen für die Organverpflanzung. Es ist Wesentlich, die ethischen und spirituellen Werte nicht zu ignorieren, die mit im Spiel sind, wenn jemand unter Beobachtung der ethischen Normen, welche die Würde des Menschen gewährleisten und vervollkommnen, frei und bewusst entscheidet, einen Teil seiner selbst, seines eigenen Körpers zu spenden, um das Leben eines anderen Menschen zu retten.
Der menschliche Körper ist ja immer ein persönlicher Körper‚ der Körper einer Person. Er darf nicht als rein physisches oder biologisches Gebilde behandelt werden, und auch seine Organe und Gewebe dürfen nie als Handels- und Austauschware benutzt werden. Eine solche abwertende, materialistische Auffassung würde eine rein instrumentale Verwendung des Körpers und somit der Person zur Folge haben. In diesem F all wäre die Verpflanzung von Organen und Geweben nicht mehr ein Akt des Spendens, sondern der Enteignung oder Ausplünderung des Körpers. Darüber hinaus kann ein Mensch nur das zur Verfügung stellen was er selbst ohne ernste Gefahr oder Schädigung seines Lebens oder seiner persönlichen Identität entbehren kann, und auch nur dann, wenn berechtigte und ernste Gründe vorliegen. Lebenswichtige Organe können selbstverständlich erst nach dem Tod gespendet werden. Schon zu Lebzeiten einen Teil seines Körpers für den Todesfall zur Verfügung zu stellen, ist jedoch in vielen Fällen ein Akt großer Liebe, der Liebe, die anderen Leben schenkt. So machte es der Fortschritt der biomedizinischen Wissenschaft den Menschen möglich, ihre Berufung zur Liebe auch über den Tod hinaus wirksam werden zu lassen. Analog zum Ostergeheimnis Christi wird gewissermaßen der Tod durch dne Tod überwunden und das Leben wiederhergestellt.
[…] Für die Christen ist das opfer, mit dme Jesus sich selbst hingibt, der eigentliche Bezugspunkt. Er inspiriert zu der Liebe, die den Entschluss zur Spendung eines Organs – der Kundgabe hochherzioger Solidarität – zugrundeliegt.
[…] Eine Organverpflanzung und selbst eine einfache Bluttransfusion ist nicht wie andere Operationen. Sie darf nicht vom Akt der Selbsthingabe des Spenders, von der Liebe, die Leben schenkt, getrennt werden. Der Arzt sollte des besonderen Edelmuts dieses Werkes stets eingedenk sein; er wird zum Mittler für etwas ganz besonders Bedeutsames: das Geschenk seiner selbst, das jemand – sei es auch nach dem Tod – einem anderen gemacht hat, damit er leben könne. Selbst die Schwierigkeit der Operation, die notwendige Eile und die nötige Konzentration auf seine Aufgabe sollten den Arzt nie das Geheimnis der Liebe vergessen lassen, das seinem Tun zugrunde liegt.
Auch sollten die Empfänger von Organen nie vergessen, dass sie von jemand anderem eine einzigartige Gabe empfangen: das Geschenk seiner selbst, das ihnen der Spender macht, ein Geschenk, das sicher als echte Form menschlicher und christlicher Solidarität betrachtet werden muss. Beim Herannahen des dritten Jahrtausends, in einer historisch vielversprechenden Zeit, in der jedoch Bedrohungen gegen das Leben, wie bei Abtreibung und Euthanasie, immer mächtiger und tödlicher werden, bedarf die Gesellschaft dieser konkreten Gesten der Solidarität und der Liebe, die sich selbst verschenkt.
Lasst uns zum Abschluss der Worte Christi gedenken, von denen der Evangelist und Arzt Lukas berichtet: „Gebt, dann wird auch euch gegeben werden. In reichem, vollem, gehäuftem, überfließendem Maß wird man euch beschenken“ (Lk 6,38). Wir werden unseren höchsten Lohn von Gott empfangen, der echten und wirksamen Liebe entsprechend, die wir dem Nächsten erwiesen haben.«
(Johannes Paul II., Ansprache an den 1. Internationalen Kongress der Gesellschaft für Organverpflanzung am 20. Juni 1991)
Für die Gesetzgebung zur Frage der Organtransplantation muss man zwei Modelle unterscheiden: Das Widerspruchsmodell und das Zustimmungsmodell. Gegenwärtig gilt in Deutschland ein Zustimmungsmodell, heißt: Damit mir nach meinem Tod Organe entnommen werden können, muss ich zu Lebzeiten mein Einverständnis gegeben haben. Das geht etwa über einen Organspendeausweis oder durch Angehörige, die ich über meinen Wunsch informiert habe.
Was nun vom Gesundheitsminister vorgeschlagen wurde ist ein Widerspruchsmodell, heißt: Wenn ich zu Lebzeiten nicht ausdrücklich der Entnahme von Organen widersprochen habe, können mir im Todesfall Organe entnommen werden. Dieses Modell gilt bereits in anderen europäischen Ländern und es galt z.B. auch in der ehemaligen Sowjetunion. Faktisch handelt es sich dabei nicht mehr um OrganSPENDE, sondern dadurch wird ein menschlicher Körper nach dem Sterben zum Allgemeingut, das zum größeren Nutzen anderer ausgeschlachtet werden kann.
Dieses letzte Modell, das von einem christ-demokratischen Gesundheitsminister vorgeschlagen wurde und das wohl auch die Zustimmung der christ-demokratischen Kanzlerin hat, steht im Widerspruch zur christlichen Moral: Organtransplantation „ist sittlich unannehmbar, wenn der Spender oder die für ihn Verantwortlichen nicht ihre ausdrückliche Zustimmung gegeben haben.“ (KKK 2296) Es sei darauf hingewiesen, dass der u.a. ausgerechnet von den Grünen eingebrachte Alternativvorschlag – das Zustimmungsmodell zu erhalten und zugleich verstärkt über die Möglichkeiten der Organspende zu informieren – mit der christlichen Moral übereinstimmt.
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