Freitag, 30. März 2012

Mutter der Kirche

Quis non possit contristari?
Heute ist Schmerzensfreitag, heute gedenken wir der sieben Schmerzen Mariens, wir gedenken der Stabat Mater.
Das ist auch ein bedeutender Tag für die ganze Kirche insofern, weil Maria gerade am Apex ihres (Mit-)Leidens der Kirche zur Mutter gegeben wurde (Joh 19,27). Was für eine Mutter ist das? Und was für Kinder hat sie da?

Ich muss heute auch besonders an die gegenwärtige Lage der Kirche denken: an die schändlichen Taten ihrer Glieder in der jüngeren Vergangenheit, aber auch an das anstehende Jahr des Glaubens und die Notwendigkeit einer Neuevangelisierung. Die Kirche leidet, sie ist krank. Sei es in Form von Fundamentalismus (links wie rechts!), in der Farb- und Profillosigkeit (man könnte es auch Feigheit nennen) vieler in Amt und Würden oder ohne dergleichen, in ihrer Verwelt(bild)lichung oder in der schlimmsten Sünde, den Mühlstein verdient hätte.

Ich bin nicht unbedingt das, was man "marianisch" nennen würde. Aber Maria ist definitiv keine bloße Zierde der christlichen Geisteswelt und ihre Schmerzen tragen mehr Frucht, als bloß eine schöne Vertonung der heutigen Sequenz etwa durch Giovanni Pergolesi.
Leo Scheffczyk drückte was ich denke einmal so aus: "Es kann nicht anders sein, als dass in der Gewissheit der mütterlichen Fürbitte Marias der Auftrag zur Evangelisierung an innerer Kraft, an Hoffnung, an Hingabe, an gnadenhaftem Optimismus, aber auch an Realismus und Leidensfähigkeit gewinnt."

Johannes Damascenus pries die selige Jungfrau in einer Predigt als "Segen für die Welt, eine Heiligung des Alls" und er empfahl sie als "Erquickung für die Matten, Tröstung für die Trauernden, Heilung für die Kranken, ein Hafen für die Gefährdeten, Verzeihung für die Sünder, linderndes Labsal für die Bedrückten, schnelle Hilfe für die Bittenden." Das war vor dreizehn Jahrhunderten. Entteuscht wurde diese "Verheißung" bis heute nicht.

Donnerstag, 29. März 2012

Angst vor der Schönheit

supplices te rogamus
Vorab: Ich habe nichts gegen die "neue" Messe (wenn sie so gefeiert wird, wie es vorgeschrieben ist!). Sie hat einige merkliche Vorteile (for starters: mehr Schrifttexte in den Lesungen).

Hautnah erlebe ich gegenwärtig in meiner Heimatpfarrei die unbeschreibliche Angst und Feindschaft, die in den oberen Rängen der Diözese gegenüber der Messe in ihrer außerordentlichen Form besteht. Nicht nur darf(!) die regelmäßig stattfindende Messe in der außerordentlichen Form nicht im Pfarrblatt erscheinen, es ist sogar ausdrücklich von Oben (oben = höher als Dekanatsebene) untersagt worden, auch bloß in irgendeiner Weise diese Messe bekannt zu machen (etwa durch Mundpropaganda). Sie darf nur "unter Ausschluss der Öffentlichkeit" stattfinden. Der Vikar sieht sich regelrecht in die Mangel genommen. (*hust* CIC can. 837 §2 *hust*)

Es ist überaus aufschlussreich zu sehen, dass die Messe in der "alten" Form bei manchen (gottlob nicht allen) Kirchenoberen überhaupt nicht als irgendwie wertvoll oder auch bloß als ein geduldetes Kuriosum im katholischen Kosmos gilt, sondern es regelrechte Angst ist, die bei diesem Thema aufkocht.
Offenbar fühlen sich einige Alt-68'er nicht nur auf den Slips getreten, sondern regelrecht bedroht von der Idee, einige ihrer Schäfchen könnten etwas tun, was sie offenbar ausschließlich als einen "Schritt hinter das Konzil zurück" zu verstehen in der Lage sind.
Diese Angst bezieht sich zu einem nicht kleinen Teil auf die lateinische Sprache, zu einem anderen auf die Zelebrationsrichtung, aber sicherlich auf das ganze Messbuch an und für sich.
Sehr bemerkenswert, geht doch das Messbuch in seinen Rubriken nach wie vor von einer Zelebration versus dominum (z.B. bei der Einladung zum Gabengebet: "Der Priester steht, der Gemeinde zugewandt,...") und der CIC von Latein als der eigentlichen Liturgiesprache ("Eucharistica celebratio peragatur lingua latina..."; c 928) aus.
Es mag ja sein, dass manchem das Latein ein Hindernis zum Mitvollzug ist und der Rücken des Priesters nicht immer ganz so schön rüberkommt (bei vielen modernen Gewändern wenig überraschend). Aber wieso um alles in der Welt kann man diese (viele Jahrhunderte alten!) Schätze nicht für sich bestehen lassen? Katholisch = Allumfassend? Aber es herrscht Angst. Ein marx'sches Wort abwandelnd: Ein Gespenst geht um - das Gespenst der "alten Messe"? Jedenfalls: Echte Emotion, tief empfundene Bedrohung.
(Hoffentlich bemerken diese Leute nie, dass es in der katholischen Kirche zahlreiche verschiedenen Riten  gibt und unter diesen nur die "Römer" je auf die Idee kamen, allgemeines Vernakular und die generelle Zelebration vis-à-vis einzuführen... sie bekämen wohl den Schock ihres Lebens!)

Zugleich gibt es dann dieses Phänomen, das ich mal "Schwärmen für das Exotische" nennen will:  Die gleichen Leute, die alles tun, um die Feier der Messe in der außerordentlichen Form in ihrem eigenen Dunstkreis gedeckelt zu halten, betonen im ökumenischen Gespräch freudig die "reichen Schätze" anderer christlicher Traditionen. Da wird selbst eine (den Altarbereich völlig verdeckende) Ikonostase zum "hohen Kulturgut", während ein römisch-katholischer Priester, der auch nur für einen Moment mit dem Rücken zum Volk steht, als unerträgliches Ärgernis empfunden wird.

Aber ich bin trotz allem hoffnungsvoll, denn ich merke immer mehr, dass die junge Generation sich wieder besinnt, ja, eine Sehnsucht hat, nach dem, was schön und wertvoll ist.


Hatte man unmittelbar nach dem Ende des II. Vaticanums annehmen können, das Verlangen nach dem Usus von 1962 beschränke sich auf die ältere Generation, die damit aufgewachsen war, so hat sich inzwischen gezeigt, daß junge Menschen diese liturgische Form entdecken, sich von ihr angezogen fühlen und hier eine ihnen besonders gemäße Form der Begegnung mit dem Mysterium der heiligen Eucharistie finden.
 [...]
Was früheren Generationen heilig war, bleibt auch uns heilig und groß; es kann nicht plötzlich rundum verboten oder gar schädlich sein. Es tut uns allen gut, die Reichtümer zu wahren, die im Glauben und Beten der Kirche gewachsen sind und ihnen ihren rechten Ort zu geben.
(Benedikt XVI., Brief an die Bischöfe anlässlich der Publikation des Motu proprio über die Liturgie in ihrer Gestalt vor der 1970 durchgeführten Reform [7. Juli 2007])

Montag, 26. März 2012

Die erste Christin

ecce porta, ex qua mundo lux est orta
Heute, an diesem Herrenfest, feiert die Kirche auch die (geistliche) Geburt der ersten Christin. Maria wird gemeinhin dem Alten Bund zugeordnet.
Sie lebte in einem jüdischen Kosmos, in einer von der Tora bestimmten Lebens- und Geisteswelt. In ihrem Glauben aber, mit ihrer Zuversicht, mit der sie sich der Ankündigung des Engels öffnete, vollzog sie den Übergang zum neuen Bund. Mehr als es je vor ihr oder nach ihr einem Menschen zugemutet werden konnte, legte sie sich ganz, mit Leib und Seele, in die Hände Gottes, damit der Schöpfer aus ihr geboren werden konnte. Hier irren die meisten modernen Erben Luthers: Maria ist eben nicht bloß ein "Inkubator" für den Gottmenschen, sondern in jeder Hinsicht seine Mutter.

"Mit diesem Glauben geht Maria aus dem Alten Bund in das Neue Testament hinüber: Indem sie Mutter wird, wird sie Christin." (Guardini)

Sonntag, 25. März 2012

Gottes Zärtlichkeit

Heute ist Verkündigung des HErrn. Ok, zugegeben, weil Sonntag ist, wird das Fest erst morgen gefeiert. Macht nichts.
Für mich war dieses Fest schon immer das vielleicht faszinierendste.
Besonders hat es mir immer der Respekt angetan, mit dem Gott sich vermittels des Engels, zu Maria begibt und wie "im Verborgenen" die Menschwerdung passiert.

Aber das grandiose ist freilich das fiat Mariens.
Maria gibt sich dem hin, sie glaubt: "Sie glaubt nicht nur mit ihrer religiösen Innerlichkeit, neben welcher ihr übriges Leben den allgemeinen Gesetzen folgte, sondern empfängt in diesem Glauben die Form ihres menschlich-weiblichen Daseins." (Guardini)

Es ist dieser selbe Glaube, diese Form des Daseins, die es ihr ermöglicht, nicht nur das unfassbare Anzunehmen und die Theotokos zu werden (tu quae genuisti tuum sanctum Genitorem), sondern bis zum Letzten, bis unters Kreuz mit diesem leidenden und sterbenden Gott zu sein, ganz auf diesen hin und für diesen da zu sein. Sie versteht, was das heißt: "darum bin ich in diese Stunde gekommen" (Joh 12,20), denn sie war dabei, mehr noch: Sie war der Ort, sie war die Voraussetzung, dass Er in diese Stunde, in diese Welt gekommen ist. Und sie war dabei, als er sie verlassen zu haben schien.
Es ergibt Sinn, dass heute der erste Passionssonntag ist. Wie Christus in die Welt gekommen ist, jene Stunde zu erleiden und zu sterben, so ist Maria seine Mutter geworden, um ihn bis in jene Stunde zu begleiten und uns ein Exempel darin zu sein. Die christliche Botschaft ist nicht eine romantische Weihnachtsszene, sondern es ist sein Sterben für uns. Die Zärtlichkeit, mit der Gott Maria bedachte, bewahrte sie dennoch nicht vor dem Erlebnis der Passion.
Beides gehört dazu. Beides ist Teil nicht nur unseres Lebens, sondern unserer Berufung.

Dienstag, 20. März 2012

Massenmord an Frauen

Lesenswerter und schockierender Artikel auf zeit.de: Der mörderische Makel Frau
Gut, dass das nun endlich mal in den Mainstream-Medien zu lesen ist.

»Die Motive für den Mord an der ungeborenen Tochter entstammen einer sehr zeitgemäßen Einstellung – man will große Hochzeiten, große Geschenke und einen stolzen Sohn, aber keine wirtschaftlich unnütze Tochter«, sagt Shanta Sinha, Vorsitzende der Nationalen Kommission für Kinderrechte in Indien. »Es geht um eine Brutalisierung der individuellen Einstellung zum menschlichen Leben, wie sie erst die Modernisierung hervorbringen konnte.« Die Mädchentötung – auch als »Genderzid« oder »Femizid« bezeichnet – sei kein grausames, patriarchalisches Kulturerbe, sondern eine Folge des Sittenverfalls in einer Konsumgesellschaft.

[...]

Der Demografieexperte Christopher Guilmoto vom Pariser Forschungsinstitut für Entwicklung (IRD) hat ausgerechnet, dass selektive Abtreibungen und Kindesmorde allein in Asien 117 Millionen Frauenleben gekostet hätten. Ein UN-Bericht aus dem Jahr 2010 macht allein China und Indien für 85 Millionen verhinderte Frauenleben verantwortlich, mitten im dortigen Wirtschaftsboom.

[...]

Doch kaum jemand hört zu. Westliche Politiker reisen ständig nach Indien oder China und sprechen besonders in Peking mit erhobenem Zeigefinger über die Wahrung der Menschenrechte. Doch keiner hat es bisher gewagt, den millionenfachen Geschlechtermord in diesen Ländern anzuzeigen.

Samstag, 17. März 2012

Requiescat in pace

Heute verstarb Seine Heiligkeit Papst Shenouda III.
Papst von Alexandrien und Patriarch des Stuhles vom Heiligen Markus 

 

Herr, allmächtiger Gott, Vater deines geliebten und gebenedeiten Sohnes Jesus Christus, durch den wir Kenntnis von dir erlangt haben, Gott der Engel, der Mächte, der gesamten Schöpfung und der ganzen Schar der Gerechten, die vor deinem Angesichte leben!
Ich preise dich, daß du mich dieses Tages und dieser Stunde gewürdigt hast, teilzunehmen in der Gemeinschaft deiner Heiligen, an dem Kelche deines Christus, zur Auferstehung ins ewige Leben, nach Leib und Seele, in der Unvergänglichkeit des Heiligen Geistes.
Unter diesen möchte ich heute vor dir aufgenommen werden als ein fettes und wohlgefälliges Opfer, sowie du, untrüglicher und wahrhafter Gott, mich dazu vorbereitet, wie du es mir vorherverkündet und wie du es jetzt erfüllt hast.
Deswegen lobe ich dich auch für alles, ich preise dich und verherrliche dich durch deinen ewigen und himmlischen Hohenpriester Jesus Christus, deinen geliebten Sohn, durch den dir mit ihm und dem Heiligen Geiste Ehre sei jetzt und in alle Ewigkeit. Amen.


(nach dem Todesgebet des heiligen Polykarp von Smyrna)

Dienstag, 13. März 2012

Ground Zero, ein halbes Jahr danach

Auf katholisch.de sind Fetzen aus einem Buch zu lesen, in dem sich verschiedene Autoren mit der Interpretation des benediktinischen Begriffs von der Entweltlichung befassen. Nichts neues unter der Sonne: Seit Ende September scheinen keine neuen Reflektionsschritte hinzugekommen zu sein. Das nervt insofern besonders, weil sich nach wie vor gewisse Leute nicht entblöden zu verkündigen, dass mit der Entweltlichung kein Rückzug aus dem öffentlichen Raum gemeint sei, obwohl ja der Papst selbst in seiner Rede das schon in unerreichter Klarheit erläutert hat. Und natürlich befleißigt sich EB Zollitsch zu unterstreichen, dass der Papst natürlich nicht(!!) an der Kirchensteuer rütteln wolle.
Schade. Ein halbes Jahr ist verstrichen, aber die kognitiven Leistungen scheinen zu stagnieren...


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Nur das Nachdenken kann uns wirklich weiterhelfen. Und denken heisst immer, kritisch denken. Und bedeutet stets, gegen etwas zu sein. Tatsächlich unterminiert alles Denken, was immer es an starren Regeln, allgemeinen Überzeugungen usw. gibt. Alles was im Denken geschieht ist einer kritischen Überprüfung unterworfen. Die Überprüfung dessen was tatsächlich ist. Das heisst, es gibt keine gefährlichen Gedanken, denn schon das Denken selbst ist ein gefährliches Unterfangen. Nicht-Denken, glaube ich, ist noch viel gefährlicher als Denken. Sicher – Denken ist gefährlich, aber ich würde behaupten, dass Nicht-Denken noch viel gefährlicher ist.
(wunderbare Hannah Arendt)

Laetare? Oder: Gedanken zur Nacht...

Jeremia trauert...
Drei unabhängige Gedanken des heutigen Tages und ein gemeinsamer Nenner.

1) Am kommenden Sonntag, Laetare, wird es in der Lesung um die Sünden Israels gehen, die zum babylonischen Exil führten.
2) Braut des Lammes hat einen sehr lesenswerten Beitrag über die (Nicht)Einhaltung der Sonntagsruhe und die damit einhergehende Anbetung der Neon-Götter geschrieben... und ist mir damit zuvorgekommen.
3) Die vorletzte Vaterunser-Bitte wird ja zuweilen so gedeutet, als bezeichne sie ein "Hindurch"... "Und führe uns durch die Versuchung". Das halte ich für Humbug.

Eine der Sünden, die  Israel begangen hat um das Exil zu verdienen, erschließt sich aus Folgendem Fragment aus genannter Lesung: "Das Land bekam seine Sabbate ersetzt" (2Chr 36,21b).
Der Sabbat wurde nicht gehalten. Das Land wurde ohne Rücksicht auf Verluste an sieben Tagen der Woche und in jedem Jahr ohne Unterschied bebaut. Nun schafft Gott selbst für das Ackerland Gerechtigkeit. Wie tut er das? Indem er die Mauern der Sicherheit und Bequemlichkeit einreißt (vgl. V. 19). Exil.
Die Bitte "und führe uns nicht in Versuchung" meint das Ersparen von Anfechtung. Meint genau die Situation, die Israel durch die Verschleppung erleben musste: Und führe uns nicht in die Versuchung abzufallen von dir, wenn wir alles verloren haben (Reichtum, Sicherheit, Tempel...). Diese Bitte ist berechtigter denn je, denn wir sind nicht nur ständig in der Versuchung den Sabbat nicht zu halten, (machen doch alle!) sondern wir sollten uns fragen: Was passiert, wenn wir es nicht tun? Wenn wir plötzlich feststellen, dass unsere Bequemlichkeit gefährdet ist und die Abundanz die uns den 7-Tage-Konsumrausch ermöglicht, schwindet? (Ökologisch wie sozial.)

Was wenn wir an der Versuchung scheitern? Gott wird schon dafür sorgen, dass "das Land" zu seinem Recht kommt. Und dann?
Als die Mauer viel, bekamen die neuen Bundesländer von der EWG einige Auflagen für die Landwirtschaft vorgesetzt. U.a. die, ihre Felde regelmäßig brach liegen zu lassen und nicht zu bebauen. (Auch die Bibel kennt die Vorschrift, alle sieben Jahre, im Sabbatjahr, die Felder brach liegen zu lassen.) In der DDR gab es soetwas nicht. Es wurde einfach ständig alles bewirtschaftet - rausholen, was geht... genau so, wie es die Israeliten vor ihrer Verschleppung taten. Und wie wir es, im übertragenen Sinne, heute immer mehr erleben.

Was passiert, wenn der Sonntag wegfällt? Wenn es keinen Unterschied mehr gibt?
Laetare!, freut euch!, Gott wirds richten. Aber sind wir bereit, dieses "Richten", dieses Gericht zu (er)tragen? Von den psychischen Folgen eines ununterbrochenen Rausches ganz zu schweigen...

Wir sollten gerade die Fastenzeit für die Brache nutzen.

Mittwoch, 7. März 2012

Abtreibung im vierten Trimester

Vor ein paar Jahren: Satire
Liwindo meint, meine Hoffnung auf einen wachrüttelnden Effekt der "wissenschaftlichen These" der Willkürlichkeit einer Fristsetzung für eine Abtreibung (z.B. spätestens vor der Geburt) sei Wunschdenken. (Btw.: Willkommen in der Blogozese! ;))
Kann ich gut verstehen. Bis vor ein paar Jahren hätte ich das auch gedacht.
Aber ich habe in den letzten Jahren einige Erfahrungen gemacht, die in mir tatsächlich Hoffnung weckten.

Vor allem habe ich aus erster Hand lernen dürfen, dass in abtreibung-befürwortenden Milieus, besonders wenn sie sich aus dem Feminismus speisen, häufig eine enorme Doppelmoral und Zwiesplätigkeit herrscht. Vornehmlich dahingehend, dass das was gepredigt wird, meist nicht gelebt wird. Etwa in Form von Abhängigkeit von und Unterdrückung durch den Lebenspartner der Feministin. Kurz und gut: Es gibt auch in solchen Kreisen meiner Erfahrung nach mehr Schafe als man oft denkt. Ich habe knallharte "Ein Kind bedeutet Gefangenschaft"-Feministinnen dahinschmeltzen sehen, als sie, unter kontrollierten Bedingungen, mit knuffigen Babys konfrontiert wurden.
Ich habe gelernt, dass ein Beben, wenn es stark genug ist, hier tatsächlich viel bewirken kann, da es die Zwiespältigkeit offenlegt und aus diesem Spalt im wahrsten Sinne eine Schlucht machen kann. Wenn erstmal das Ideologiengebäude mit dem konfrontiert wird, was man gemeinhin als Realität bezeichnet, kann viel passieren.
Überhaupt ist der Riss in einem Welterklärungssystem, das Abtreibung zum Menschrnrecht machen will, ja durchaus real. Es braucht allerdings Mittel und Wege, um diesen Riss weiter zu öffnen. Ich halte jenen Artikel über die nachgeburtliche Abtreibung für ein geeignetes Mittel. Darum bin ich optimistisch.
[U.A. stellte ich auch fest, dass z.B. die meisten Abtreibungsbefürwoter den Namen Peter Singer, der auch in nämlichem Artikel als Quelle genannt ist, nicht kennen. Und wenn sie ihn dann kennenlernen, wird er totgeschwiegen. Warum?]


PS. Da der Artikel auf der Homepage des Journal of Medical Ethics nicht mehr verfügbar ist, sei er hier, für alle die ihn noch nicht gelesen haben, als .png verlinkt:

Dienstag, 6. März 2012

Kreuz und Leid

Mache mich aus persönlichen Gründen in diesen Wochen etwas rar. Ein Wort aus einer Predigt von Johannes Tauler hilft.

Als unser Herr dem Engel Erlaubnis gab, alles, was auf Erden war, zu schlagen und zu vernichten, sprach er: "Du sollst nur die verschonen, die das Siegel, das heißt das Zeichen des Kreuzes, auf ihrer Stirn tragen." (Offb 9,4) Wer aber das Kreuz nicht in sich, noch auf der Stirne trägt, der wird nicht verschont. Nicht die Gelehrten, nicht die Beschaulichen noch die Tätigen werden geschont werden, sondern die Leid getragen haben.

Sonntag, 4. März 2012

Wachrütteln

Dieser Tage ist viel Wirbel entstanden um einen Artikel im Journal of Medical Ethics mit dem Titel "After-birth abortion: why should the baby live?" Alipius hat bereits sehr klug das Wesentliche zusammengefasst und auf eine mögliche Konsequenz hingewiesen. Ich empfehle die Lektüre des Artikels (Kotztüten bereitlegen!). Ums kurz zu machen: Es geht in dem Artikel um die Frage nach der legalen Tötung eines Kindes nach der Geburt.
Es braucht nicht groß darauf hingewisen werden, wie menschenverachtend das gesamte Konzept einer "after-birth abortion" ist. (Wobei es an sich schon eine eigene Untersuchung wert wäre, diesen Newspeak-Ausdruck im besten orwellschen Sinne zu begutachten... vllt. ein ander Mal.)

Was mich besonders fasziniert ist dies: Eigentlich kann uns Christen so ein Artikel doch nur sehr recht sein.
Die Autoren jenes Artikels haben uns Christen einen großen Gefallen getan, weil sie der ganzen wissenschaftlichen Welt auf sehr "wissenschaftliche" Weise vor Augen geführt haben, was die unausweichliche Konsequenz ist, wenn man dem Kind im Mutterleib das Lebensrecht abspricht.
Frage: Was unterscheidet das Kind vor der Geburt von dem Kind nach der Geburt?
Antwort: Die Uhrzeit.
Das wollen viele nicht wahrhaben. Das ist eine Schwelle, die selbst die allermeisten Abtreibungsbefürworter nicht überschreiten würden. Jetzt ist aber (in aller wissenschaftlicher Korrektheit) erwiesen, dass diese Schwelle nur ein willkürliches Konstrukt ist. Nun kann niemand mehr das Nichtvorhandensein dieser Schwelle ignorieren! Die Autoren sagen es ja selbst, dass das eigentlich keinen Unterschied macht.

Ich bin dankbar für diesen Artikel. Er hat das Potential vielen Leuten die Schuppen von den Augen rieseln zu lassen.
Ich würde mir wünschen, dass die Katholiken nicht mit Empörung und viel Krach reagieren, sondern, dass sie diesen Artikel, diese tolle "Erkenntnis" möglichst weit verbreiten. Der gesunde Menschenverstand wird das Übrige tun. Ich bin mir sicher, dass das viele aufrütteln wird. Entweder das, oder wir erleben die Entstehung einer Dystopie wie sie Aldous Huxley nicht besser hätte beschreiben können.

Die Frage im Titel des Artikels ist eigentlich perfekt... ja, liebe Abtreibungsbefürworter, warum sollte das Baby, irgendein Baby, Ihr Baby!, überhaupt leben?