Im Jahr 2000 veröffentlichte der heutige Papst einen interessanten Artikel in der FAZ mit dem Titel "Der angezweifelte Wahrheitsanspruch" (zu finden etwa auf kathTube). Der Titel ist Programm.
Ein damals viel gerühmter Artikel der m.E. einen ziemlich genialen Bogen von den Vätern bis zur heutigen Situation spannt. Sehr lesenswert!
Zwei Passagen habens mir besonders angetan.
Augustinus identifiziert den biblischen Monotheismus mit den philosophischen Einsichten über den Grund der Welt, die sich in verschiedenen Variationen in der antiken Philosophie herausgebildet haben. Dies ist gemeint, wenn das Christentum seit der Areopagrede des heiligen Paulus mit dem Anspruch auftritt, die religio vera zu sein. Der christliche Glaube beruht also nicht auf Poesie und Politik, diesen beiden großen Quellen der Religion; er beruht auf Erkenntnis. Er verehrt jenes Sein, das allem Existierenden zu Grunde liegt, den „wirklichen Gott“. Im Christentum ist Aufklärung Religion geworden und nicht mehr ihr Gegenspieler.
[...]
Aber heute scheint sich gerade wieder diese andere Form, Religion und Aufklärung in Ausgleich zu bringen, als die dem modernen Bewußtsein angemessenere Weise von Religiosität durchzusetzen. Ihr erster Grundgedanke ist bei Porphyrius so formuliert: Latet omne verum – die Wahrheit ist verborgen. Ein Gedanke, in dem sich Buddhismus und Neuplatonismus begegnen. Demgemäß gibt es über die Wahrheit, über Gott nur Meinungen, keine Gewißheit.
Das ist freilich auch als direkte Kritik an der heutigen Theologie zu verstehen. Theologiestudenten lernen ja bekanntlich in ihrem Studium heute nur wenig bis kaum was über die (geoffenbarte!) Wahrheit, sondern sie büffeln ihr ganzes Studium lang in erster Linie "Hypothesen" und Meinungen (nicht selten die der Professoren), von denen manche dann mit jener Wahrheit korrespondieren können, andere sind wiederum offen häretisch. Dass der Buddhismus in einer Vorlesung der Fundamentaltheologie besser wegkommt als das Christentum (so etwa bei H. Verweyen, der den Buddhismus als die "humanere Religion" betrachtet), ist dabei noch eine der amüsanteren Blüten. Man hat eigentlich immer den Eindruck, der Wahrheitsanspruch sei nicht nur unredlich (weil intolerant), sondern er sei, was noch viel schlimmer ist, unwissenschaftlich!
Theologen, muss man wissen, sind ja auch nur Suchende! Immer! Und wehe, sie behaupten etwas anderes!
Erwähnte ich schon, dass der Artikel lesenwert ist?
Theologen, muss man wissen, sind ja auch nur Suchende! Immer! Und wehe, sie behaupten etwas anderes!
Erwähnte ich schon, dass der Artikel lesenwert ist?
Achja: Interessant finde ich es, dass jemand wie Hermann Häring (jener leidlich bekannte Theologe, der 2001 mit seinem Buch "Theologie und Ideologie bei Joseph Ratzinger" eine "fundierte Analyse und überfällige Kritik einer zu Stein gewordenen Theologie" abliefern wollte) just diesem FAZ Artikel ausgerechnet die Erklärung Dominus Iesus (ebenfalls von 2000) entgegenstellt, der seiner Ansicht nach eine völlig gegensätzliche Theologie zugrundeliegt. Häring fragt darum: "Trägt Ratzinger zwei theologische Seelen in seiner Brust?"
Ich kann mich irren... aber soweit ich weiß, wird Dominus Iesus gerade wegen seines "unerhörten" Wahrheitsanspruches (z.B. das Wesen der Kirche betreffend) gerügt. Wo ist dann also der Widerspruch zu dem FAZ Artikel?
Natürlich kondensiert Härings Gedanke am Ende darauf, dass er das Wort "Aufklärung" im FAZ Artikel gelesen hat und es in Dominus Iesus vermisst... viel mehr ist es nicht. Aber für Häring ist es ein Baustein in seiner Generalabrechnung. Zu seinem neuen Buch zum gleichen Thema (2009) hat übrigens H. Küng das Vorwort geschrieben...
PS. Da das gerne missverstanden wird, eine kleine Anmerkung zum Begriff der Evolutionstheorie, den Ratzinger in diesem Artikel auch behandelt: Er diskutiert hier nicht jene für die Biologie grundlegende Theorie der gemeinsamen Abstammung aller Arten durch Mutation und Selektion (in Fachsprech könnte man sagen: Änderung der Allelfrequenz mit der Zeit), sondern meint, wie er es selber auch sagt, "die Evolutionstheorie, wo sie sich zur philosophia universalis auszuweiten anschickt". Also eine Art Evolutionismus wie er z.B. bei Richard Dawkins oder Daniel Dennett anzutreffen ist. Das ist eine sehr wichtige Unterscheidung (Ratzinger spricht daher auch vom evolutionären Ethos). Auch hebt Ratzinger ganz richtig hervor, dass die Frage nach dem Schöpfer von der Naturwissenschaft im Grunde garnicht tangiert wird und werden kann. Die Biologie beschäftigt sich, wie alle Naturwissenschaften, nur mit der Empirie; der Schöpfergott ist nicht Teil dieser. Was Joseph Ratzinger über die biologische Evolution, auch im Hinblick auf die Evolution des Menschen, denkt, ist ganz hervorragend nachzulesen in seinem Artikel "Schöpfung - Gnade - Welt" (in: ders., Dogma und Verkündigung, Herder 1973, 147-160).
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