pro vobis |
Vor einer Weile hatte ich die große Ehre, mich einen ganzen Abend lang mit Professor Alex Stock zu unterhalten. Das ist jener in meinen Augen außerordentliche Mensch, der die Theologen, Kunsthistoriker, Linguisten und Anthropologen unter uns mit seiner inzwischen auf acht Bände angewachsenen Poetischen Dogmatik beglückt hat und hoffentlich noch weiter beglückt.
Unter anderem sprachen wir über ein Phänomen, das er, wie ich finde überaus passend, als "Verlust priesterlicher Frömmigkeit" umschrieb.
Mit der Liturgiereform ist die so genannte "Privatmesse" (was man heute "missa sine populo" nennt) mehr oder weniger verloren gegangen. Das hat natürlich auch damit zutun, dass mit dem (bislang) letzten Konzil eine an und für sich begrüßenswerte Änderung der Wahrnehmung der Messfeier zu Gunsten eines Vollzug des ganzen Gottesvolkes stattgefunden hat. (Zumindest theoretisch... praktisch herrscht oftmals eine derartige Ignoranz, bei Priestern wie Laien, dass es eigentlich keinen merklichen Unterschied gibt.)
Die "alte" Messe ist im Wesentlichen Aufgabe des Priesters, der die Messe ließt; die Laien hören ihrerseits die Messe. Es spielt eigentlich keine Rolle, ob Volk anwesend ist oder nicht. Daher die vielen "Doppelungen". Hat Vor- und Nachteile.
Es ist, wie gesagt, begrüßenswert, dass heute das ganze Gottesvolk mehr in den Lichtkegel der Aufmerksamkeit gerückt ist und auch im Messbuch die Feier mit der Gemeinde die ihr gebührende Beachtung findet.
Aber könnte es sein, dass die Messe mit Volk vielleicht zuviel Beachtung erfährt? Ich sage das als Laie: Wenn die feier mit Gemeinde zum Eigentlichen und Einzigen erklärt wird, wird das was einst das Zentrum priesterlicher Frömmigkeit bildete, nämlich das tägliche Messopfer, plötzlich mit unbarmherziger Notwendigkeit zur Angelegenheit der ganzen Gemeinde. Der Priester kann dann nicht mehr seine Frömmigkeit (er vor Gott) leben, sondern muss(?) immer gleich die ganze Gemeinde "aktiv" mit einbeziehen. (Was dann zu der hanebüschenen Ansicht mancher führt, eine Messe ohne Volk sei garnicht erlaubt...)
Will ein Pfarrer eine Messe feiern, hat das im Pfarrblatt zu stehen, und Messner und Messdiener, volle Beleuchtung, Heizung und Tamtam müssen aufgefahren werden.
Eigentlich sollte jeder Priester täglich die Messe zelebrieren. De facto ist es aber auch in Priesterseminaren Alltag, dass ein Priester die (eine tägliche) Messe zelebriert, und die anderen Kleiker sich unters "Volk" mischen. Und ich wundere mich nicht darüber... bekommt man doch als Priesterseminarist regelrecht ein schlechtes Gewissen eingetrichtert, allein schon bei dem Gedanken, eine "Privatmesse" zu feiern.
Natürlich liegt dieser Misere ein ganz anderes und noch viel schwerwiegenderes Problem zugrunde: Wenn man nicht mehr versteht, dass in jeder Heiligen Messe die ganze Kirche (militans et triumphans!) zusammen mit den Heerscharen der Engel im Letzten nur an der himmlischen Liturgie partizipieren, und es eben nicht ein irdisches Gebaren ist das nur die betrifft, die gerade im Raum sind, dann kann man natürlich eine missa sine popula als Egoismus und "sinnlos" abtun. Eine Messe ist nie bloß Sache des oder der Anwesenden. Aber es sollte m.E. mehr Beachtung finden, welchen Stellenwert sie für den Priester hat. Schließlich bekommt er seine Hände nicht zum halten eines Kugelschreibers gesalbt, auch wenn die gegenwärtigen Zustände uns etwas anderes erzählen wollen.
Schade... damit geht eben auch ein guter Teil priesterlicher Identität flöten.
Wenn man nun das den Seminaristen aberzieht (oder das Aufkeimen unterbindet), dann soll man sich aber bitte hinterher auch nicht über mangelnde Berufungen beschweren!
Professor Stock deutete an, über dieses Thema etwas schreiben zu wollen. Ich würde mich über ein Plädoyer für die priesterliche Frömmigkeit freuen!
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