Donnerstag, 23. Juli 2020

Orientierung zur römischen Instruktion

Anmerkungen zur Orientierung, wenn sich nun verschiedentlich Bischöfe ganz offen gegen die am Montag erlassene Instruktion der Kleruskongregation „Die pastorale Umkehr der Pfarrgemeinde im Dienst an der missionarischen Sendung der Kirche“ stellen.

Eine kirchenrechtliche Vorbemerkung:

Eine „Instruktion“ ist kirchenrechtlich in c. 34 §1 CIC klar definiert: „Instruktionen, welche die Vorschriften von Gesetzen erklären und Vorgehensweisen entfalten und bestimmen, die bei deren Ausführung zu beachten sind, werden zum Gebrauch derer gegeben, die dafür sorgen müssen, dass die Gesetze zur Ausführung gelangen, und binden sie bei der Ausführung der Gesetze; diese Instruktionen geben innerhalb der Grenzen ihrer Zuständigkeit diejenigen rechtmäßig heraus, die ausführende Gewalt besitzen.“

Daraus wird ersichtlich:
1) Eine Instruktion ist selbst kein Gesetz, sondern sie ist (nur) auf das Gesetz bezogen. Das bedeutet aber, dass eine Instruktion selbst kein neues Recht setzen oder bestehendes Recht ändern kann, sondern sie ist strikt an den Rahmen, den das Gesetz festlegt, gebunden. (Genau darüber beschwert man sich: Dass man von der zuständigen Autorität darauf hingewiesen wird, was ohnehin schon gilt.)
2) Eine Instruktion hat als Adressaten die zuständigen Verwaltungsorgane, in diesem Fall also die bischöflichen Behörden.
3) Diese Adressaten bekommen mit der Instruktion eine Erklärung des Gesetzes und wie es anzuwenden ist.
4) Die Adressaten sind durch eine Instruktion rechtlich gebunden, sie können sich ihr nicht widersetzen oder sie ignorieren.


Die Instruktion enthält rechtlich gesehen nichts Neues, sie ruft nur in Erinnerung, was ohnehin schon gilt und zeigt u.U. auf, dass manche „Interpretationen“ des geltenden Rechts, etwa bezüglich der Frage, wer eine Pfarrgemeinde leiten kann, falsch sind. Das Thema ist indes nicht neu, es gab 2002 schon einmal eine Instruktion der Kleruskongregation zu dieser Frage mit dem unzweideutigen Titel „Der Priester, Hirte und Leiter der Pfarrgemeinde“. Dieses Dokument diente wesentlich dazu, „sowohl die Gefahr der ‚Klerikalisierung‘ der Laien als auch jene der ‚Säkularisierung‘ der geistlichen Amtsträger zu überwinden.“ (Nr. 7) Durch solche Tendenzen geschieht nämlich nicht nur eine Abwertung des sakramentalen Hirtendienstes der Priester, sondern zugleich auch eine herabwürdigung des Dienstes der Laien in der Welt (vgl. ebd.).

Das aktuelle Dokument dient dem selben Ziel, es weitet allerdings die Perspektive, indem es eindringlich über die Aufgaben spricht, die allen Gliedern der Gemeinde zukommen: „Es ist notwendig, dass heute alle Laien einen großzügigen Einsatz für den Dienst an der missionarischen Sendung leisten vor allem durch das Zeugnis des täglichen Lebens, das in den gewohnten Lebensbereichen und auf jeder Verantwortungsebene dem Evangelium entspricht, und besonders durch die Übernahme ihnen entsprechender Verpflichtungen im Dienst an der Pfarrgemeinde.“ (Nr. 86)
Die titelgebende „pastorale Umkehr“ kann nur von allen bewerkstelligt werden, denn ihre Voraussetzung ist die Umkehr (Bekehrung) jedes Einzelnen, sie ist nicht durch Diktat von oben realisierbar. Aber wenn die Strukturen fehlerhaft sind, wenn sie auf einem Fundament aus Irrtum ruhen, dann kann solch eine Umkehr nicht geschehen, darum wird eingeschärft was eh gilt: Die Leitung – und damit also der Hirtendienst – ist an das Sakrament der Weihe gebunden.

[Marginalie: Das Tarurigste für mich ist, dass durch den aktuellen „Machtdiskurs“ v.a. eines erreicht wird: der kirchliche Leitungsdienst wird ganz bewusst zu einer Macht umgedeutet. Aus dem sakramental begründeten Dienst geweihter Amtsträger wird so ein politisches Machtgefüge unterschiedlichster Interessenträger.]

In seiner wesentlichen Aussageabsicht, offenbart sich die aktuelle Instruktion als durchaus mutig und zukunftsorientiert. Das fängt schon damit an, dass das Territorialprinzip zwar nicht grundsätzlich in Frage gestellt, aber sehr deutlich auf dessen Elastizität hingewiesen wird: „Doch ist insbesondere heute das Gebiet nicht mehr nur ein geografisch abgegrenzter Bereich, sondern der Zusammenhang, in dem jeder sein Leben, das aus Beziehungen, gegenseitiger Hilfe und lange gepflegten Traditionen besteht, lebt. Auf diesem ‚existenziellen Territorium‘ steht die ganze Herausforderung der Kirche auf dem Spiel. Daher erscheint ein pastorales Handeln überholt, das den Handlungsraum ausschließlich auf den Bereich innerhalb der territorialen Grenzen der Pfarrei beschränkt.“ (Nr. 16)

Das Dokument geht sodann hart ins Gericht mit Pfarreien, die sich auf ein ‚weiter wie bisher‘ verlegen: „Wenn die Pfarrei nicht die der Evangelisierung innewohnende spirituelle Dynamik lebt, läuft sie Gefahr, selbstbezogen zu werden und zu verkalken, da sie Erfahrungen vorschlägt, die den Geschmack des Evangeliums und die missionarische Durchschlagskraft bereits verloren haben und vielleicht nur für kleine Gruppen bestimmt sind.“ (Nr. 17)

Meine Vermutung ist ja, dass man sich bei der Behandlung des Dokuments so sehr auf die Frage von Macht und Autorität versteift, weil man die viel drängendere und dramatische Fragestellung, die der Titel des Dokuments ausspricht und die Sinnziel und Existenzgrund des ganzen Dokuments ist, nicht angehen möchte.
Als Authentizitätsmerkmal und als Kriterium für die Unterscheidung (des Wahren vom Falschen, des Fruchtbringenden vom Kahlen) wird nämlich die missionarische Dynamik einer Pfarrei benannt, was den allermeisten Pfarreien insbesondere in Deutschland klar ein Armutszeugnis ausstellt: „Über die Orte und die Gründe der Zugehörigkeit hinaus ist die Pfarrgemeinde der menschliche Kontext, in dem die Evangelisierung der Kirche vonstattengeht, die Sakramente gefeiert werden und die karitative Liebe in einer missionarischen Dynamik erfahrbar wird, die – über die Tatsache hinaus, inneres Element des pastoralen Handelns zu sein – ein Unterscheidungskriterium ihrer Authentizität ist." (Nr. 19)
Mit einem kurzen Wort: „die ‚traditionellen‘ pfarrlichen Strukturen unter missionarischem Gesichtspunkt zu erneuern [...] ist das Herzstück der gewünschten pastoralen Umkehr" (Nr. 20). Dem glaubt man sich nun nicht stellen zu müssen, weil man das Dokument aufgrund einer anderen Frage, die nicht einmal das Ziel des ganzen ist, ablehnt. (Womit man faktisch das geltende Recht der Kirche offen ablehnt.)

Wenn sich nun bischöflich beklagt wird, die kirchlichen Strukturen, wie sie gegenwärtig in Deutschland sind (etwa mit ihren unzähligen Gremien), würden eine Umsetzung der Instruktion erschweren bis unmöglich machen („dann hockt der Priester ja nur noch in Sitzungen“), dann lasse man sich nicht beirren: Der Fehler liegt nicht in dem, was die Instruktion sagt, er liegt in jenen überbordenden Strukturen, die seit Jahrzehnten aufgebaut wurden – bewusst oder unbewusst am kirchlichen Recht vorbei oder über dasselbe hinweg. Insofern stimmt wohl die Klage mancher Bischöfe, die Instruktion werde der „Situation in Deutschland“ nicht gerecht. Aber mehr als zu zeigen, dass die so Redenden nicht über ihren eigenen kleinen Tellerrand hinausblicken können (die Instruktion gilt nämlich für die ganze weltweite Kirche – aus dem selben Grund sind solche Dokumente zuweilen "vage", denn sie müssen ja überall anwendbar sein), erfährt man daraus nicht. „Selbst schuld!“ möchte man den Bischöfen zurufen... der Ressourcen fressende strukturelle Apparat hierzulande ist Marke Eigenbau.

Da der Berichterstattung zufolge inzwischen einige Bischöfe ausdrücklich die aktuelle Instruktion zurückweisen (die Instruktion von 2002 hat man damals einfach klanglos ignoriert) oder ganz offen ankündigen, sie zu ignorieren, wird sich daran wohl nun die Spreu vom Weizen trennen. Vielleicht ist das auch gut so... dann wird die jahrzehntelange Missachtung des kirchlichen Rechts durch nicht wenige Bistümer endlich einmal kontrastreich sichtbar.

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