Aus dem Evangelium des letzten Sonntags: "Auf felsigen Boden ist der Samen bei dem gefallen, der das Wort hört und sofort freudig aufnimmt,
aber keine Wurzeln
hat, sondern unbeständig ist; sobald er um des Wortes willen bedrängt
oder verfolgt wird, kommt er zu Fall."
Auch wenn ich das Etikett furchtbar finde, gebrauche ich es einmal: Liberale Katholiken. Also solche, die meinen, die Kirche neu erfinden zu müssen, die nicht viel geben auf das überkommene Glaubensgut der Kirche.
Mir tun diese Leute Leid. Ehrlich. Sie tun mir insbesondere darum Leid, weil sie den unermesslichen Schatz an geistlicher Erfahrung, an mystischer und systematischer Beschäftigung mit den Dingen des Glaubens, an Betrachtungen, Gebeten und Hymnen beinahe ausschließlich nur in der Weise des Verdachts oder sogar der Abscheu betrachten können. Wenn, um ein Beispiel zu nennen, von Irenäus über Gertrud die Große bis Hugo Rahner die Eucharistie insbesondere als Opfer, unser Bezug zu ihr als Mitopfern und Selbstopfer betrachtet wird, dann können solche Leute damit nicht nur nichts anfangen, sondern sie müssen es als etwas glücklicherweise Überwundenes betrachten oder es in eine bis zur Unkenntlichkeit verwaschene Form umdeuten. Und damit versperren sie sich den Zugang zu allem, was diese geistlichen Giganten dazu gedacht haben.
Dieser unermessliche Schatz der Erfahrungen, Überlegungen und Betrachtungen der Kirche, insbesondere ihrer ungezählten Heiligen, ist für sie höchstens in vereinzelten Klischees zugänglich (etwa Franz von Assisi als Umweltaktivist). Einen zusammenhängenden Gedanken, geschweige denn einen ganzen Text eines heiligen Schriftstellers oder eines Konzils, können sie nie wirklich verstehen und echten geistlichen Nutzen daraus ziehen - viel zu fremd (überwunden) ist es.
In meiner Arbeit wie auch im privaten Umgang merke ich immer wieder, dass die Menschen, insbesondere die, die hauptamtlich für die Kirche arbeiten, keine Wurzeln in der Geschichte der Kirche haben. Sie scheinen zu glauben, ihre Schwierigkeiten, etwa in Sachen Katechese, seien neu und schlimm und sie müssten sich etwas ausdenken... dabei ist nichts neu und die Tradition bietet bereits alle Antworten.
Heilige bringen Heilige hervor: Jeder Heilige wurde in seinem Leben wesentlich geprägt oder sogar unmittelbar bekehrt durch das Wirken oder die Schriften anderer Heiligen. Überhaupt sind die Vorbilder und das Denken der vorangegangenen Glaubenden immer Inspiration und Antrieb für das christliche Leben gewesen. Dieser "Generationenvertrag" ist heute weitestgehend gekündigt, denn jenseits vereinzelter Klischees können die meisten Katholiken, insbesondere im Kirchenapparat, mit Leben und Schriften der Glaubenden vor uns nichts mehr anfangen.
Das scheint mir ein wesentlicher Grund für die Krise zu sein: Nicht nur, dass wir den auf uns gekommenen Glauben nicht mehr wollen, sondern weil wir ihn nicht wollen, können wir keine Wurzeln in die Glaubensgeschichte schlagen. Wir verdorren und kommen zu Fall.
Es täte Not, die Heiligen als Zeugen des Glaubens, nicht bloß als Klischees, in allen Bereichen der Kirche neu zu entdecken, zu studieren und ernstzunehmen...
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