Bitte die Einführung (hier) beachten!
Quasi eine Vortsetzung zu Teil 16 über die moralische Gradualität (hier) und auch irgendwie zu diesem Eintrag hier.
Der moralische Wert von "objektiv ungeordneten" Lebensweisen soll diesmal Thema sein. Immer wieder hört man von Bischöfen und Theologen, was die Kirche so alles an Lebensentwürfen akzeptieren und wertschätzen soll ob des "Guten" das darin gelebt wird. Die "Lebenswirklichkeit der Menschen von heute" wird sogar geradezu als Quelle theologischer Erkenntnis ins Spiel gebracht. Was ist davon zu halten? (Es gilt eine ganze Reihe von "Argumenten" abzuarbeiten, darum ists etwas ungeordneter als sonst.)
Man kann zu Recht darauf hinweisen, dass Menschen, die ein nach biblischem Urteil "unzüchtiges" Leben führen (homosexuelle Partnerschaften, siehe hier, wiederverheiratete Gescheidene, siehe z.B. hier), "gute Menschen" sein können. Sie können Gutes tun, ja sie können alles tun, was man von einem treuen Nachfolger Jesu erwarten würde. Sie können sich natürlich auch ausdrücklich zum Herrn Jesus Christus bekennen und zu ihm beten. Es besteht kein Zweifel daran, dass Jesus auch diesen Menschen beisteht und dass auch diese Menschen Gottes Nähe und seine Liebe in ihrem Leben erfahren können. Es ist ja auch wahrlich keine neue Erkenntnis, dass Gott den Sünder liebt und ihm, soweit dieser es zulässt, beisteht.
Und natürlich stimmt es auch, und das wird in der aktuellen Debatte immer als das schlagende Argument gebracht, dass auch in vielen gleichgeschlechtlichen Partnerschaften und zivilen Zweitehen "Werte" wie Treue, Freundschaft etc. gelebt werden. Die Kirche, so das Argument, müsse solche Verbindngen wegen der in ihnen gelebten "Werte" anerkennen. Man spricht hier von "Gradualität" und "Hinordnung", insofern diese Beziehungen "zu einem gewissen Grade" an das "Ideal der Ehe" heranreichen oder auf dieses "hingeordnet" seien. Wichtig ist, dass hier ein bestimmter Status, etwa eine "eheähnliche Lebensform", als in sich moralisch gut anerkannt und als solche belassen und sogar gefördert werden soll, insofern sie im Hinblick auf jene "gelebten Werte" eben bereits "Anteil hat" am "Ideal"; ein moralisches Wachstum hin zur Erfüllung des Gebotes, etwa in Form einer Lebensänderung oder Umkehr, spielt daher keine Rolle.
Dieser Gedanke einer "Gradualität" und "Hinordnung" ist übrigens keineswegs so neu, wie er gegenwärtig gerne beworben wird. Tatsächlich wurde genau das, was heute wieder vorgeschlagen wird, von dem hl. Papst Johannes Paul II. bereits 1981 explizit verworfen (vgl. meine ausführlichere Behandlung dessen in Teil 16 dieser Serie: hier). (Damals im Rahmen der Debatte um Humanae vitae (klick) es gilt aber ebenso heute für die Frage nach anderen "Lebesformen".) Und zwar in dem Schreiben, das im Anschluss an die letzte Zusammenkunft der Bischofssynode zum Thema Familie die Ergebnisse derselben zusammenfasste, Familiaris consortio. Zunächst anerkennt der Papst darin die Realität eines "stufenweisen Wachstums" im sittlichen Leben jedes Menschen, das seinem Geschöpfsein durchaus entspricht. Das ist aber bei dem oben erwähnten Konzept von einer "Gradualität" gerade nicht gemeint: Dort soll nämlich ein Status belassen und wertgeschätzt werden als etwas, das bereits "irgendwie" am "Ideal" "teilhat" und darum in sich berechtigt sei - ohne ein moralisches Wachstum. Johannes Paul II. verwirft ein solches Konzept:
»Daher kann das sogenannte 'Gesetz der Gradualität' oder des stufenweisen Weges nicht mit einer 'Gradualität des Gesetzes' selbst gleichgesetzt werden, als ob es verschiedene Grade und Arten von Gebot im göttlichen Gesetz gäbe, je nach Menschen und Situationen verschieden. Alle [sind] zur Heiligkeit berufen, und diese hehre Berufung verwirklicht sich in dem Maße, wie die menschliche Person fähig ist, auf das göttliche Gebot ruhigen Sinnes im Vertrauen auf die Gnade Gottes und auf den eigenen Willen zu antworten".« (FC 34)Ein defizitärer Status kann nicht als etwas in sich moralisch Gutes anerkannt werden, so als gäbe es verschiedene Stufen des Gesetzes, und dieser Status befände sich nun eben auf einer zwar niedrigeren, aber immernoch in sich wertzuschätzenden Stufe die "auf das Ideal hingeordnet" ist. Eine "Hinordnung" moralisch falscher Handlungen auf ein "Ideal" funktioniert grundsätzlich nicht, wie Johannes Paul II. in der (von vielen Theologen bewusst totgeschwiegenen) Magna Charta der Moraltheologie, der Enzyklika Veritatis splendor (klick), in unüberbietbarer Schärfe ausführt:
»Es handelt sich in der Tat um Verbote, die eine bestimmte Handlung semper et pro semper verbieten, ohne Ausnahme, weil die Wahl der entsprechenden Verhaltensweise in keinem Fall mit dem Gutsein des Willens der handelnden Person, mit ihrer Berufung zum Leben mit Gott und zur Gemeinschaft mit dem Nächsten vereinbar ist. Es ist jedem und allezeit verboten, Gebote zu übertreten, die es allen und um jeden Preis zur Pflicht machen, in niemandem und vor allem nicht in sich selbst die persönliche und allen gemeinsame Würde zu verletzen. [...] Die Handlungen aber, die sich aufgrund ihres Objektes nicht auf Gott "hinordnen" lassen und "der menschlichen Person unwürdig" sind, stehen diesem Gut immer und in jedem Fall entgegen.« (VS 52 und 82) [Beispiel: Eine Abtreibung kann niemals als "auf das Ideal des Lebensschutzes hingeordnet" betrachtet werden.]
Derweil wird übrigens von namhaften Theologen jener Grundsatz, wonach immer der Mensch und seine Handlungen zu unterscheiden sind ("Liebe den Sünder, hasse die Sünde"; vgl. Joh 4,1-42; 5,14; 8,11), in Frage gestellt. Diese Unterscheidung sei "nicht überzeugend" (Schockenhoff, hier), wobei allerdings keine Begründung gegeben wird. Das ist höchst bedenklich, denn es führt letztlich zu einem jede Sünde gutheißenden Relativismus ("Liebe den Sünder und liebe darum auch alle seine Handlungen"). Der Leser möge das mal für andere Sünden, etwa Mord, gedanklich durchspielen...
Die Feststellung von "gelebten Werten" in einer laut der Offenbarung "unzüchtigen" Beziehung, ist, bei Licht betrachtet, für die Debatte eigentlich unerheblich: Eine moralisch gute Handlung eines Menschen (oder was dieser von Gott her an Gnade erfährt, die ihn zum Guten befähigt), kann niemals ein Erweis der moralischen Richtigkeit irgend einer anderen Handlung dieses Menschen sein! Es ist ein Erweis der grenzenlosen Liebe Gottes, dass auch der Sünder seine Gnade erfährt und Gutes wirken kann. Aber sündhafte Handlungen hören darum nicht auf, sündhaft zu sein. Beispiel: Ein Ehemann der fremdgeht, kann mit der Frau, zu der er heimlich geht, ja durchaus auch "Werte" wie Treue und Freundschaft leben. Hört darum nun aber der Ehebruch, den er mit ihr begeht, auf, sündhaft zu sein? Nein, denn das Tun von etwas Gutem kann nicht das Tun von etwas Bösem kompensieren. Faustregel: Gelebte "Werte" können gelebte Sünde niemals rechtfertigen ("recht machen"). Wenn sodann in einer "unzüchtigen" Partnerschaft "Werte" gelebt werden, dann geschieht dies nicht wegen jener "unzüchtigen Akte", sondern trotz dieser. Denn aus einer Sünde kann niemals eine Tugend erwachsen. Die Tugend ist der Feind der Sünde. Die Sünde ist in ihrem Wesen "wert-los".
Und hier endet auch das Argument "Aber sie lieben sich doch!" bzw. "Kann Liebe Sünde sein?" Antwort: Ja. Der Ehebrecher kann überzeugt sein, diese Frau zu "lieben", mit der er die Ehe bricht. Aber der Ehebruch bleibt Ehebruch.
Gerne wird darauf verwiesen dass es in der Schrift heißt "Liebt einander" (Joh 13,34) und "die Liebe ist aus Gott" (1.Joh 4,7) und "Gott ist die Liebe" (1.Joh 4,16). Aber die so argumentieren vergessen eine Kleingkeit: Was unsere deutschen Übersetzungen hier mit "Liebe" wiedergeben, ist etwas grundsätztlich anderes als das, was wir in unsere Alltagssprache mit diesem Wort bezeichnen. Das wird, ohne jetzt erst noch in die Semantik des griechischen Originaltextes einzutauchen, sofort einsichtig, wenn wir bedenken, dass das alle Gebote vereinigende höchste Gebot Gottes lautet: "Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften und von ganzem Gemüt, und deinen Nächsten wie dich selbst [Deut 6,5; Lev 19,18]." (Lk 10,27) Wie kann denn aber Liebe als Gebot verordnet werden?
Was hier mit "Liebe" bezeichnet wird kann verordnet werden, weil es sich nicht um ein romantisches Gefühl handelt, das sich etwa in einem sexuellen Begehren konkretisiert. Es handelt sich vielmehr um eine moralische Forderung die den Willen des Menschen in die Pflicht nimmt. Und diese Liebe verwirklicht sich letzten Endes, auch und besonders für die Christen, in der Befolgung der Weisungen Gottes. Die Befolgung der Gebote ist die Bedingung der Liebe - nur wer sie befolgt, liebt: "Wenn ihr meine Gebote haltet, so bleibt ihr in meiner Liebe" (Joh 15,10). Zu "lieben", aber die Gebote nicht zu halten, ist ein Widerspruch in sich: "Daran kann man die Kinder Gottes und die Kinder des Teufels erkennen: Jeder, der die Gerechtigkeit [= das was Jesus getan und geboten hat] nicht tut [...], ist nicht aus Gott." (1.Joh 3,10) Man muss außerdem schon ziemlich verblendet sein um zu glauben, dass jemand, nur weil er meint zu "lieben", er darum gefeit ist vor der Sünde. Gerade hier, v.a. im Bereich der Sexualität, können die schlimmsten Sünden und die schwersten Verletzungen der Seele (und der körperlichen Verfassung) geschehen.
"Gott ist die Liebe" bedeutet etwas völlig anderes als "Die Liebe [das was ich so nenne] ist Gott". Letzteres ist Götzendienst.
Auch das Folgende muss noch erwähnt werden: Selbst das Bekenntnis zu Jesus Christus bringt keine Ermäßigung bei der Sünde. Auch jemand, der sich nach eigenem Dafürhalten zu Jesus bekennt, kann in Wirklichkeit - im Herzen - fern von diesem Jesus leben; und das kann schlimme Konsequenzen haben. Jesus selbst führt das in aller erschreckenden Deutlichkeit aus:
»Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr! Herr!, wird in das Himmelreich kommen, sondern nur, wer den Willen meines Vaters im Himmel erfüllt [Gesetz]. Viele werden an jenem Tag zu mir sagen: Herr, Herr, sind wir nicht in deinem Namen als Propheten aufgetreten und haben wir nicht mit deinem Namen Dämonen ausgetrieben und mit deinem Namen viele Wunder vollbracht? Dann werde ich ihnen antworten: Ich kenne euch nicht. Weg von mir, ihr Übertreter des Gesetzes!"« (Mt 7,21-23)Lassen wir uns von solche Aussagen Jesu berühren? Gut die Hälfte der Zeit spricht Jesus in den Evangelien über Sünde, Gericht und die Gefahr, verloren zu gehen. Denen die eingehen "in die Freude ihres Herrn" stehen auch immer diejenigen gegenüber, die dahin gehen "wo Heulen und Zähneklappern herrscht". Wie ernst nehmen wir das? Oder klammern wir dies Unschöne lieber aus und lassen nur das als "Worte Jesu" gelten, wo es um Barmherzigkeit, Liebe und Vergebung geht? Oft und oft wird der Satz Jesu an die ertappte Ehebrecherin, die gesteinigt werden soll, zitiert: "Auch ich verurteile dich nicht." Aber nur selten vernimmt man den unmittelbar folgenden Satz, der eine sehr deutliche Ermahnung ist: "Geh und sündige von jetzt an nicht mehr!" (Joh 8,11) Alle Menschen wollen Vergebung, wollen Heilung und Heiligung. Wie kann denn aber Vergebung geschehen, wo - gegen das unmissverständliche Gebot Gottes - auf dem tun der Sünde beharrt wird? Wie kann Heilung eintreten, wo die Verletzung immer wieder aufs Neue zugefügt wird? Wie kann Heiligung geschehen, wenn das Gebot des heiligen und allein heiligmachenden Gottes nicht gehalten wird? Jesus sagt: "Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt" (Joh 14,21; vgl. 15,14).
Die Frage, die derzeit vermehrt gestellt und oft auch einfach als Forderung skandiert wird, ist, ob zivile Zweitehen oder ausgelebte Homosexualität von der Kirche "vorbehaltlos akzeptiert" (Schockenhoff, hier), ja sogar wertgeschätzt und (in liturgischem Rahmen) gesegnet werden sollten. Viel grundlegender muss man jedoch wohl die Frage stellen: Hat denn die Kirche überhaupt das Recht, etwas zu tun, was von der Heiligen Schrift her nicht gedeckt, ja sogar einhellig verurteilt wird? (Dass Handlungen dieser Kategorie in der Vergangenheit zuweilen getan wurden, kann kein Argument sein, solche schlimmen Irrungen zu wiederholen.) Kann sie etwas segnen - hier also einer Handlungsweise den Segen Gottes zusprechen - was Gott selbst nach seinem einmütigen Zeugnis in der ganzen Offenbarung als Gräuel und schwere Sünde verwirft? Würde die Kirche soetwas tun, müsste man mit dem Apostel ernsthaft fragen: "ist dann Christus ein Diener der Sünde?" (Gal 2,17)
Es gilt das Jesuswort: "Richtet nicht, dann werdet auch ihr nicht gerichtet werden. Verurteilt nicht, dann werdet auch ihr nicht verurteilt werden." (Lk 6,37) Jedoch gilt es, den Sinn dieser Worte sowie den Kontext nicht aus den Augen zu verlieren, in dem sie stehen. Es gibt eigentlich keinen vernünftigen Weg, wie man von dieser Aussage Jesu zu der von Schockenhoff und anderen gelangen kann, wonach wir das, was die Bibel einhellig als Unzucht und Ehebruch bezeichnet, "vorbehaltlos anzunehmen" und "wertzuschätzen" hätten. Aber der Reihe nach: Jenes heute inflationär gebrauchte Motto: "niemanden verurteilen", wird grundsätzlich missverstanden, wenn man es so deutet, als dürfe man die Sünde nicht einmal benennen. Wiedermal wird hier ein Jesuswort verabsolutiert, sinnwidrig so verstanden, wie man es gerne hätte, und das Meiste andere, was Jesus gesagt hat, klammheimlich unter den Tisch fallen gelassen. Zunächstmal ist zu beachten, dass hier die Rede ist von "richten" und "verurteilen". Es handelt sich dabei eindeutig um Gerichtssprache: Es sind juridische Begriffe für richterliche Handlungen, die folglich nur dem Richter zustehen, nämlich dem wiederkommenden Christus am Ende der Zeiten. Was davon nicht abgedeckt ist, was uns also durchaus zu tun zusteht, ist das irdische, gegewärtige und zwischenmenschliche Urteilen und Be-urteilen, im Sinne des Urteilsvermögens. Was das wiederum konkret bedeutet, merken wir schon im direkt folgenden Satz, noch im selben Bibelvers (Lk 6,37), wo es heißt: "Erlasst einander die Schuld, dann wird auch euch die Schuld erlassen werden." Um dies tun zu können, muss man aber erstmal die Schuld als solche erkennen, das moralische Handeln der Menschen also vor dem Hintergrund der Gebote Gottes be-urteilen können.
Zum Erkennen der Sünde gehört es sodann immer auch, da wir ja als Christen in einer Gemeinschaft leben und keine Monaden sind, dass wir einander ermahnen: "Belehrt und ermahnt einander in aller Weisheit!" (Kol 3,16). Die Sünde urteilend zu erkennen und dementsprechend zu ermahnen, ja sogar den Sünder zurechtzuweisen, ist nicht nur ein Vorschlag, es ist ein Imperativ. Jesus ist darin völlig klar: "Wenn dein Bruder sündigt, weise ihn zurecht!" (Lk 17,3). Wir Menschen brauchen diese wechselseitige Ermahnung (in dem Bewusstsein also, dass der heute Mahnende morgen der Ermahnte sein kann), denn der gewiefteste Anwalt, der die Sünde verteidigt, sind immer wir selbst. Natürlich sollen wir auch einander im Guten bestärken (vgl. Apg 15,41), und können sogar einander loben - Paulus macht es uns vor (vgl. 1.Kor 11,2) - aber wir können uns im Angesicht der Sünde, die wir alle tun, eben gerade nicht loben (vgl. 1.Kor 11,22), sondern müssen einander ermahnen, um so auch das fortzufüren, was Jesus selbst unentwegt getan hat (vgl. Lk 3,18; Apg 2,40).
Die traurige Ironie der aktuell vorgebrachten Forderungen (nicht nur bzgl. Homosexuellen und in ziviler Zweit"ehe" Lebender) ist, dass wir, in dem fast schon krampfhaften Bemühen "niemanden [zu] verurteilen", zum einen alle mahnenden und warnende Worte Jesu über den Richter, der kommen wird "wie der Dieb in der Nacht", einfach abtun. Dass wir uns aber auf der anderen Seite - in der größten aller Anmaßungen - faktisch selbst zu jenem Richter aufschwingen, der allein am Ende der Zeit das Gute gut-heißt, das Böse verwirft und den Lohn entsprechend verteilt (vgl. Mt 25). Denn man gewinnt den Eindruck, "gut" sei heute alles das, was wir mit unserem "Gewissen" (vgl. hier und besonders hier) als "gut" bestimmen, gleichgültig, was das Wort Gottes und die Tradition uns darüber sagen (vgl. hier). Wehe uns, wenn dann am Ende unserer grenzenlosen Urteilslosigkeit die Frage des Johannes steht: "Ihr Schlangenbrut, wer hat euch denn gelehrt, dass ihr dem kommenden Gericht entrinnen könnt?" (Lk 3,7) Aber auch die Lehrer trifft es: "Wer auch nur eines von den kleinsten Geboten aufhebt und die Menschen entsprechend lehrt, der wird im Himmelreich der Kleinste sein." (Mt 5,19)
Jesus Christus hat übrigens nie irgendeine Haltung "wertgeschätzt" oder "vorbehaltlos angenommen": Jesus rief die Sünder zur Umkehr und die, die gerade mal nicht sündigten, zur Vollkommenheit auf. Jemanden in dem zu unterstützen, was er gerade tut - erst recht bei einer Sünde -, wäre ihm nie in den Sinn gekommen. Das Allererste, was uns der Evangelist Matthäus vom öffentlichen Wirken Jesu überliefert, und damit alles Folgende quasi mit einer Überschrift versehend, ist der äußerst kurze Ausruf: "Kehrt um!" (Mt 4,17) "Kehrt um!" heißt nichts anderes als "Ändert euer Leben!" (vgl. Eph 4,22), wir könnten auch sagen: "Ändert eure Lebenswirklichkeit!" ... Gott liebt uns nicht, weil wir so sind, wie wir sind (wozu sonst der ständige Ruf zur Umkehr?), sondern weil wir besser sein können und mit seiner Gnade auch werden sollen.
Die Gebote Gottes, zu unserem Heil, entsprechen in aller Regel nicht unseren Wünschen und Vorstellungen und oft genug auch nicht unserer faktischen Lebenswirklichkeit. Wäre es anders, müssten sie nicht extra geboten werden.
Man redet derzeit viel von der "(veränderten) Lebenswirklichkeit" der "Menschen von heute" und sieht darin sogar eine regelrechte Offenbarungsquelle (Bode, hier). Ist das ein Argument? Es gab auch mal eine "Lebenswirklichkeit" bei den Einwohnern von Sodom und Gomorra... Und was ist mit dem Volk Israel, das immer wieder in Untreue gefallen ist? Spiegelte sich darin der Wille Gottes oder hat Gott etwa seine Gebote diesen jeweils "veränderten Lebenswirklichkeiten" angepasst? Natürlich nicht - er sandte Propheten "wie Feuer" (vgl. Sir 48,1) die ermahnten, drohten und, wenn nichts half, auch mal dreinschlugen. Außerdem: Die "Lebenswirklichkeit" ist heute keine andere als früher, etwa zur Zeit Jesu, erst recht nicht im Hinblick auf Scheidung und Homosexualität (beides im griechisch geprägten Mittelmeerraum breit geübt und gesellschaftlich akzeptiert).
Oder können wir heute etwa sämtliche Warnungen Jesu vor der Sünde und vor dem Gericht, seine Ankündigung des Hasses der Welt gegen uns, die wir "nicht von der Welt" sind, seine Worte über den trügerischen "Ruhm der Welt" und seine beständigen Rufe zur Umkehr also getrost vergessen, weil ja angeblich die "Lebenswirklichkeit" der Menschen bereits als solche "gut", "wertzuschätzen" und "vorbehaltlos anzunehmen" ist? Ohne allzu negativ klingen zu wollen: Als Christen sollten wir immer die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass wir gegenwärtig in einer Neuauflage von Sodom und Gomorra leben. Angesichts der Tatsache, dass wir alle Sünder sind, ist das jedenfalls nicht gerade unwahrscheinlich. Oder glaubt denn irgendwer ernsthaft, dass wir gegenwärtig in einer Gesellschaft leben, die im Einzelnen wie im Gesamten so heil(igmäßig) ist, dass sich der (betreffs Unzucht und Ehebruch nun angeblich anders lautende) Wille Gottes - im krassen Gegensatz zu jeder anderen Zeit und jeder anderen Gesellschaft in der Geschichte Gottes mit seinen Geschöpfen - in der "Lebenswirklichkeit" der Menschen kundtut?
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AntwortenLöschenDer erste Link im Beitrag führt zur Einführung, da sind alle Teile verlinkt.
AntwortenLöschenrichtig guter Beitrag!
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