Dienstag, 28. Juli 2015

Das Wort

Das Wort gleicht dem beschwingten Pfeil,
Und ist es einmal deinem Bogen
In Tändeln oder Ernst entflogen,
Erschrecken muß dich seine Eil'!

Dem Körnlein gleicht es, deiner Hand
Entschlüpft; wer mag es wiederfinden?
Und dennoch wuchert's in den Gründen
Und treibt die Wurzeln durch das Land.

Gleicht dem verlornen Funken, der
Vielleicht verlischt am feuchten Tage,
Vielleicht am milden glimmt im Hage,
Am dürren schwillt zum Flammenmeer.

Und Worte sind es doch, die einst
So schwer in deine Schale fallen:
Ist keins ein nichtiges von allen,
Um jedes hoffst du oder weinst.

O, einen Strahl der Himmelsau,
Mein Gott, dem Zagenden und Blinden!
Wie soll er Ziel und Acker finden?
Wie Lüfte messen und den Tau?

Allmächt'ger, der das Wort geschenkt,
Doch seine Zukunft uns verhalten,
Woll' selber deiner Gabe walten,
Durch deinen Hauch sei sie gelenkt!

Richte den Pfeil dem Ziele zu,
Nähre das Körnlein schlummertrunken!
Erstick ihn oder fach den Funken!
Denn, was da frommt, das weißt nur du.
(Annette von Droste-Hülshoff)

Montag, 27. Juli 2015

Kirchenaustritte und Liturgie

»In der Liturgie, besonders im heiligen Opfer der Eucharistie, "vollzieht sich" "das Werk unserer Erlösung", und so trägt sie in höchstem Maße dazu bei, daß das Leben der Gläubigen Ausdruck und Offenbarung des Mysteriums Christi und des eigentlichen Wesens der wahren Kirche wird, der es eigen ist, zugleich göttlich und menschlich zu sein, sichtbar und mit unsichtbaren Gütern ausgestattet, voll Eifer der Tätigkeit hingegeben und doch frei für die Beschauung, in der Welt zugegen und doch unterwegs; und zwar so, daß dabei das Menschliche auf das Göttliche hingeordnet und ihm untergeordnet ist, das Sichtbare auf das Unsichtbare, die Tätigkeit auf die Beschauung, das Gegenwärtige auf die künftige Stadt, die wir suchen.
Dabei baut die Liturgie täglich die, welche drinnen sind, zum heiligen Tempel im Herrn auf, zur Wohnung Gottes im Geist bis zum Maße des Vollalters Christi. Zugleich stärkt sie wunderbar deren Kräfte, daß sie Christus verkünden. So stellt sie denen, die draußen sind, die Kirche vor Augen als Zeichen, das aufgerichtet ist unter den Völkern. Unter diesem sollen sich die zerstreuten Söhne Gottes zur Einheit sammeln, bis eine Herde und ein Hirt wird.« (Sacrosanctum Concilium 2)

In Deutschland nehmen nur etwa 10% der Katholiken an dem Teil, was nach dem jüngsten Konzil der "Höhepunkt [ist], dem das Tun der Kirche zustrebt" (SC 10), ihrer Liturgie. Es ist erstaunlich, dass das aber scheinbar niemanden besonders kümmert... Ja man freut sich sogar über einen angeblichen Zuwachs der Gottesdienstebsucher um 0,1%, was aber, wenn man es mit den Austrittszahlen verrechnet (die immerhin das zehnfache ausmachen!), in absoluten Zahlen so gering ausfällt, dass es als Messungenauigkeit durchgehen könnte (grob überschlagen komme ich auf ca. 500 Köpfe).
Der eigentliche Skandal ist nicht, dass es viele Kirchenaustritte gibt (klick). Die allermeisten derer, die aus der Körperschaft des öffentlichen Rechts "Katholische Kirche" austreten, haben sich schon lange innerlich von der Katholischen Kirche distanziert. Das neue Einzugsverfahren für die Kirchensteuer auf Kapitalerträge oder ein gewisser Limburger Bischof oder was auch immer gerade Tagesgeschehen ist, ist immer nur der Anlass für viele, die Kirche nun endlich auch amtlich zu verlassen, es ist aber nicht der Grund. Der Grund ist wohl eher da zu suchen, wo auch der Grund für die niedrige Beteiligung am Gottesdienst - dem innersten Wesensvollzug der Kirche - zu suchen ist.
Der Hauptgrund ist wohl schlicht eine Entfremdung vieler Menschen vom Glauben der Kirche und von dieser Kirche. Wer den Glauben der Kirche teilt und danach zu leben sich bemüht, der hat auch innerlich wie äußerlich Anteil an ihrem liturgschen Leben, denn dieses ist gleichbedeutend mit der Gemeinschaft mit der Kirche. 


Ein kleiner historischer Blick auf das, was ich meine:
In der Zeit der Kirchenväter gab es noch keine Beichte, wie wir sie heute kennen. Gegen das tägliche Zurückbleiben hinter der Taufberufung (damals wurde man noch als Erwachsener getauft, nachdem man einen mehrjährigen Weg des Katechumenats und der Umkehr beschritten hat) halfen dem Christen die Werke der Barmherzigkeit, das Lesen und Hören der Heiligen Schrift und besonders die Feier der Liturgie der Kirche. Wobei bemerkt werden muss, dass die altchristliche tägliche Gottesdienstpraxis nicht um die hl. Messe kreiste, die i.d.R. nur am Sonntag stattfand. Liturgie vollzog sich während der Woche in Gestalt des Stundengebetes, das sich einer regen Beteiligung des Volkes erfreute, besonders bei der Morgen- und Abendhore.
Für schwere Sünden (die Trias aus Götzendienst/Apostasie, Ehebruch und Mord) gab es das kanonische Bußverfahren, das man einmal im Leben durchlaufen konnte und das gut und gerne auch mehrere Jahre in Anspruch nehmen konnte (vgl. meine Ausführungen dazu hier). Wesentlicher Teil dieses Bußverfahrens war der, je nach Fortschritt im Bußverfahren, völlige oder teilweise Ausschluss aus der liturgischen Gemeinschaft. Bei besonders schweren Vergehen hieß das, dass der Büßer erst auf dem Sterbebett wieder die hl. Kommunion empfangen durfte. Am Ende dieses Bußverfahrens stand keine Absolution, wie wir sie heute in der Beichte haben ("Ego te absolvo...") und die uns die Wiederversöhnung mit Gott zuspricht, sondern hier kam es, wenn der Büßer sein Leben geändert hat, zur Rekonziliation mit der Kirche(!) also zur Wiederaufnahme in die Gemeinschaft, die sich vor allem anderen in der Feier der Liturgie des Wortes und der Sakramente konstituierte.
In den ersten Jahrhunderten des Christentums war klar, dass die Gemeinschaft mit Gott nur in der Gemeinschaft der Kirche zu finden ist und zwar konkret in der Teilnahme am eucharistischen Opfer. Wer schwer sündigte, also faktisch seine Taufentscheidung zurücknahm, verlor diese Gemeinschaft und geriet damit in die Gefahrt, für immer verloren zu gehen. Wer einmal durch die Taufe in die Kirche aufgenommen wurde und dann durch eine schwere Sünde von ihr abfiel, für den gab es keine Aussicht auf Rettung, solange er sich nicht bekehrte und (einmalig im Leben!) in die volle Gemeinschaft zurückkehrte, was sich im Empfang der Eucharistie konkretisierte. Wer ein zweites Mal nach der Taufe in schwere Sünde fiel, für den gab es keine dritte Chance zur Bekehrung (die erste war die Taufe!).  

Wenn wir heute sehen, dass 90% der Katholiken in unserem Land die liturgische Gemeinschaft faktisch egal ist, dann muss uns das zu denken geben. Ich meine, wir müssen uns erstmal auch um die verirrten Schafe unserer Herde kümmern (Katholiken die der Liturgie fern bleiben), bevor wir großspurig neue Schafe hinzuzuholen versuchen! "Denn die apostolische Arbeit ist darauf hingeordnet, daß alle, durch Glauben und Taufe Kinder Gottes geworden, sich versammeln, inmitten der Kirche Gott loben, am Opfer teilnehmen und das Herrenmahl genießen." (SC 10) Es wirkt ja auch nicht gerade attraktiv: Warum sollte ich mich, im Bild gesprochen, einer Herde anschließen, deren Hirte 90% der Schafe "verloren" hat?
Wer aus der Kirche austritt, gehörte i.d.R. schon lange zu diesen 90%. Hier muss unsere Aufmerksamkeit verortet sein: Die große Mehrheit der nominellen Glieder der Kirche in unserem Land nimmt nicht "vorauskostend an jener himmlischen Liturgie teil, die in der heiligen Stadt Jerusalem gefeiert wird" (vgl. LG 8). (In anderen Teilen der Welt riskieren die Katholiken Leib und Leben, um dies kosten zu dürfen!) Damit können wir uns nie, nie abfinden. Wir müssten eigentlich in Schockstarre sein und uns voll Tränen fragen, wie wir diese Menschen in die volle Gemeinschaft holen...
Was offensichtlich nicht funktioniert, ist die heute allüberall geübte "liturgische Kreativität", die die liturgischen Vorgaben nurmehr als Empfehlungen, keineswegs aber als verbindliche Richtlinien begreift. Der Versuch, die Liturgie auf die Bedürfnisse Einzelner zuzuschneiden oder nach eigenem Gutdünken umzumodeln, scheint wenig fruchtbringend zu sein. Jahrzehnte ständig sinkender Beteiligung geben dafür Zeugnis.
»Man kann die Liturgie also nicht immer wieder neu erfinden und sich nach eigenem Geschmack zusammenbasteln. Ich möchte, wenn ich an einem Gottesdienst teilnehme, nicht den subjektiven Einfällen und Anmutungen des jeweils Zelebrierenden ausgesetzt sein. Ich empfinde das als eine Zumutung; denn ich komme ja um die Liturgie der Kirche mitzufeiern. In der der Liturgie eigenen Objektivität drückt sich das Universale der katholischen Liturgie aus. Es geht ja um den einen Herrn, um die eine Eucharistie und so um die eine Liturgie. So kann ich überall auf der Welt die Eucharistie mitfeiern oder auch selber zelebrieren; es ist in vielfältigen Sprachen immer die eine Liturgie. Dass wir alle Brüder und Schwestern in der einen Kirche Jesu Christi sind, ist so nicht nur eine abstrakte Theorie und ein leeres Wort, es ist eine konkret erfahrbare Realität.«
(Walter Kardinal kasper, "Gottesdienst nach katholischem Verständnis", ein Vortrag im Ulmer Münster am Sonntag, 22. April 2007; hier nachzulesen)

Auf der anderen Seite muss auch die Frage berechrigt sein, wo unser Bemühen, die Menschen in die volle Kirchengemeinschaft zu holen, seine Grenzen hat. Jesus hat definitiv nicht versucht, es jedem recht zu machen, und wir dürfen es auch nicht, weil das nie ohne faule Kompromisse geht. Viele unter den 90% mögen vielleicht auch einfach desinteressiert sein oder sich bewusst abwenden von dem, was die Kirche feiert. Die Reaktion der Kirche darf aber es niemals sein, diese Inhalte zu verschweigen, zu verwässern oder gar aufzugeben, nur um zu versuchen "jeden mit ins Boot zu holen". "Wenn man euch aber in einem Haus oder in einer Stadt nicht aufnimmt und eure Worte nicht hören will, dann geht weg und schüttelt den Staub von euren Füßen." (Mt,10,14) Was die Kirche glaubt und was sie feiert und woraus sie eigentlich ihr Handlungspotential schöpfen sollte, namentlich die Eucharistie als die reale Vergegenwärtigung von Leiden, Tod und Auferstehung Jesu Christi in seinem Leib und Blut unter den Zeichen von Brot und Wein, erregt immer auch Anstoß und wird immer Ablehnung finden. Nicht weniger der moralische Anspruch von Gottes Geboten. Als Jesus seinen Jüngern und den Juden das Mysterium seines Leibes und Blutes für uns zur Speise offenbarte, gab es diese Reaktion: "Von da an wandten sich viele seiner Jünger ab und gingen hinfort nicht mehr mit ihm." (Joh 6,67) Und Jesus hat nicht versucht, sie vom Weggehen abzuhalten. Er sagte nicht "Halt mal, das war doch nur metaphorisch gemeint! Kein Grund, hier Anstoß zu nehmen", sondern er ließ sie ziehen. Jesus ist immer "ein Stein des Anstoßes und ein Fels des Ärgernisses", weswegen sich viele an dem Wort, das zu verkünden die Christen berufen sind, stoßen (1. Petr 2,8).
Die Kirche hat nicht zuerst attraktiv zu sein (lat. attrahere: [her]anziehen), sondern sie muss missionarisch, verkündigend sein. Der Auftrag der Kirche lautet zuerst: Geht hinaus, lehrt, tauft, verkündet das Evangelium (Mk 16,15; vgl. z.B. auch Mt 22,9). Auch die Fürsorge für die Menschen muss zunächst auf die Menschen als Menschen zielen, denn die christliche Ethik ist keine funktionale Ethik, die der Image-Pflege dient. Erst sekundär und eher beiläufig (quasi als Nebeneffekt christlichen Lebens, nicht als Resultat einer von Marketing-Profis entworfenen Image-Kampagne!), soll die Kirche auch die Stadt auf dem Berg sein, zu der die Menschen von sich aus ziehen weil sie (hoffentlich) sagen "seht, wie sie (einander) lieben".

Anbiederung ist keine Option für Christus und die Christen. Wir müssen stattdessen zu unserem Proprium finden. Was nottut, ist zu allererst eine vertiefte Hinführung zum Glauben und zur Liturgie. Die Liturgie darf nicht als schmückendes Beiwerk, nerviges Pflichtprogramm, freudiges Beisammensein ("wo sich die Gemeinde feiert") oder optionaler folkloristischer Ausdruck dessen verstanden werden, was auf dem Steuerbescheid unter "Religionszugehörigkeit" vermerkt ist. Es braucht ein neues Bewusstsein von der Bedeutung der Liturgie für das Christsein, womit einhergehen würde ein tiefes Verstädnnis davon, was es überhaupt heißt, Christ zu sein. Das ist nämlich etwas wesentlich anderes, als ein "guter Mensch" oder gar ein Gutmensch zu sein. Es ist zu allererst eine besondere Beziehung zu Gott und ein Gehorsam gegen ihn... die Apostel (und ihre Nachfolger) sind dazu da "in seinem [d.i. Christi] Namen den Gehorsam des Glaubens aufzurichten unter allen Heiden" (Röm 1,5), nicht es allen recht zu machen.

Nochmal: Nicht die hohen Austrittszahlen sollten uns aufhorchen lassen. Kardinal Marx irrt, wenn er etwa im letzten Jahr in seiner Floskeltierade angesichts der 2013 nicht weniger katastrophalen Austrittszahlen sagte, wir müssten dem "begegnen, indem wir immer wieder versuchen, auf allen Ebenen Vertrauen zu schaffen durch gute und überzeugende Arbeit" (hier). Nach dieser Ma(r)xime denken leider viele in der Kirche in Deutschland. So berechtigt natürlich dieser Punkt auf irgendeinem Level sein mag, etwa bei der Krankenpflege, so scheint mir hier doch v.a. jemand zu sprechen, der sich für einen Konzernchef hält, für einen Mananger der ein Produkt oder eine Dienstleistung attarktiver machen will. (Dazu passt, dass man sich in München herzlich über Rekordeinnahmen bei der Kirchensteuer freut [klick]...) Mit Glaube und Kirche hat das jedenfalls nichts zutun. Mit dem Bemühen um "gute und überzeugende Arbeit" kann man vielleicht Beitragszahler halten, die für gute Dienste gutes Geld zu zahlen bereit sind. Aber man wird damit nicht Menschen (mehr) zu Christus führen, oder zu einem Leben in und mit der Kirche, Seinem Leib. Die inzwischen über weite Strecken säkularisierte (wenngleich auch gute Arbeit leistende) Caritas sollte uns ein Fanal sein. Ganz ehrlich: Ich schäme mich für diese Äußerung Marxens.
Zum Handeln bewegen muss uns an erster Stelle die geringe Beteiligung der (verbliebenen) Katholiken am Lebensvollzug der Kirche. Dieser Faktor offenbart das eigentliche Problem. Denn darum geht es: Um die Lebensgemeinschaft mit Gott, der sich besonders im Wort und Sakrament - in höchster Verdichtung also in der Liturgie der Kirche - uns mitteilt und uns durch seine Kirche und in dieser Kirche das Leben gibt.
»"Wir haben freudig deine hl. Geheimnisse empfangen." Das ist der Geist christlicher Frömmigkeit. Würden die Völker an den Quellen der Kirche schöpfen und lebhaften Anteil nehmen an der hl. Liturgie, den Sakramenten, kirchlichen Festen und dem hl. Offizium, dann hätten sie kein Bedürfnis nach Kino und Theater...« (sel. Ildefons Schuster, siehe hier)

Auch das dürfen wir nicht vergessen:
»Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihrer ist das Himmelreich.
Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen und reden allerlei Übles gegen euch, wenn sie damit lügen.
Seid fröhlich und getrost; es wird euch im Himmel reichlich belohnt werden. Denn ebenso haben sie verfolgt die Propheten, die vor euch gewesen sind.« (Mt 5,10-12)
Wenn das fehlt, müssen wir uns fragen, ob wir noch auf dem richtigen Weg sind, oder ob wir uns schon der Welt gleich gemacht haben. Bei Kardinal Marx habe ich das Gefühl, sein höchstes Ziel ist das Lob der Welt ("Toll macht ihr das!", "Danke, dass es euch gibt!") für die "gute Arbeit" der globalen NGO "Katholische Kirche" (ich finde den Link nicht mehr, aber Anfang des Jahres hat sich Marx irgendwo dergestalt geäußert, dass er die kath. Kirche als globales Mittel der Völkerverständigung betrachten würde... Gott kam dabei nicht vor). Nein, die Menschen werden nicht zur Kirche finden, wenn wir "Vertrauen schaffen", sondern sie werden nur dann zu Christus finden, wenn wir glaubhaft von Ihm Zeugnis geben und ihnen Christus, so unbequem er auch ist, authentisch zeigen.

»In der heiligen Liturgie erschöpft sich nicht das ganze Tun der Kirche; denn ehe die Menschen zur Liturgie hintreten können, müssen sie zu Glauben und Bekehrung gerufen werden: "Wie sollen sie den anrufen, an den sie nicht glauben? Wie sollen sie an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie aber hören ohne Prediger? Doch wie sollen sie predigen, wenn sie nicht gesandt sind?" (Röm 10,14-15). Darum verkündet die Kirche denen, die nicht glauben, die Botschaft des Heils, damit alle Menschen den allein wahren Gott erkennen und den, den er gesandt hat, Jesus Christus, und daß sie sich bekehren von ihren Wegen und Buße tun. Denen aber, die schon glauben, muß sie immer wieder Glauben und Buße verkünden und sie überdies für die Sakramente bereiten. Sie muß sie lehren, alles zu halten, was immer Christus gelehrt hat, und sie ermuntern zu allen Werken der Liebe, der Frömmigkeit und des Apostolates. Durch solche Werke soll offenbar werden, daß die Christgläubigen zwar nicht von dieser Welt sind, daß sie aber Licht der Welt sind und den Vater vor den Menschen verherrlichen.« (SC 9) 

Freitag, 24. Juli 2015

Dürftige Theologie - 17 - Vom Be-Urteilen

Bitte die Einführung (hier) beachten!
 Quasi eine Vortsetzung zu Teil 16 über die moralische Gradualität (hier) und auch irgendwie zu diesem Eintrag hier.


Der moralische Wert von "objektiv ungeordneten" Lebensweisen soll diesmal Thema sein. Immer wieder hört man von Bischöfen und Theologen, was die Kirche so alles an Lebensentwürfen akzeptieren und wertschätzen soll ob des "Guten" das darin gelebt wird. Die "Lebenswirklichkeit der Menschen von heute" wird sogar geradezu als Quelle theologischer Erkenntnis ins Spiel gebracht. Was ist davon zu halten? (Es gilt eine ganze Reihe von "Argumenten" abzuarbeiten, darum ists etwas ungeordneter als sonst.)

Man kann zu Recht darauf hinweisen, dass Menschen, die ein nach biblischem Urteil "unzüchtiges" Leben führen (homosexuelle Partnerschaften, siehe hier, wiederverheiratete Gescheidene, siehe z.B. hier), "gute Menschen" sein können. Sie können Gutes tun, ja sie können alles tun, was man von einem treuen Nachfolger Jesu erwarten würde. Sie können sich natürlich auch ausdrücklich zum Herrn Jesus Christus bekennen und zu ihm beten. Es besteht kein Zweifel daran, dass Jesus auch diesen Menschen beisteht und dass auch diese Menschen Gottes Nähe und seine Liebe in ihrem Leben erfahren können. Es ist ja auch wahrlich keine neue Erkenntnis, dass Gott den Sünder liebt und ihm, soweit dieser es zulässt, beisteht. 

Und natürlich stimmt es auch, und das wird in der aktuellen Debatte immer als das schlagende Argument gebracht, dass auch in vielen gleichgeschlechtlichen Partnerschaften und zivilen Zweitehen "Werte" wie Treue, Freundschaft etc. gelebt werden. Die Kirche, so das Argument, müsse solche Verbindngen wegen der in ihnen gelebten "Werte" anerkennen. Man spricht hier von "Gradualität" und "Hinordnung", insofern diese Beziehungen "zu einem gewissen Grade" an das "Ideal der Ehe" heranreichen oder auf dieses "hingeordnet" seien. Wichtig ist, dass hier ein bestimmter Status, etwa eine "eheähnliche Lebensform", als in sich moralisch gut anerkannt und als solche belassen und sogar gefördert werden soll, insofern sie im Hinblick auf jene "gelebten Werte" eben bereits "Anteil hat" am "Ideal"; ein moralisches Wachstum hin zur Erfüllung des Gebotes, etwa in Form einer Lebensänderung oder Umkehr, spielt daher keine Rolle.
  

Dieser Gedanke einer "Gradualität" und "Hinordnung" ist übrigens keineswegs so neu, wie er gegenwärtig gerne beworben wird. Tatsächlich wurde genau das, was heute wieder vorgeschlagen wird, von dem hl. Papst Johannes Paul II. bereits 1981 explizit verworfen (vgl. meine ausführlichere Behandlung dessen in Teil 16 dieser Serie: hier). (Damals im Rahmen der Debatte um Humanae vitae (klick) es gilt aber ebenso heute für die Frage nach anderen "Lebesformen".) Und zwar in dem Schreiben, das im Anschluss an die letzte Zusammenkunft der Bischofssynode zum Thema Familie die Ergebnisse derselben zusammenfasste, Familiaris consortio. Zunächst anerkennt der Papst darin die Realität eines "stufenweisen Wachstums" im sittlichen Leben jedes Menschen, das seinem Geschöpfsein durchaus entspricht. Das ist aber bei dem oben erwähnten  Konzept von einer "Gradualität" gerade nicht gemeint: Dort soll nämlich ein Status belassen und wertgeschätzt werden als etwas, das bereits "irgendwie" am "Ideal" "teilhat" und darum in sich berechtigt sei - ohne ein moralisches Wachstum. Johannes Paul II. verwirft ein solches Konzept:
»Daher kann das sogenannte 'Gesetz der Gradualität' oder des stufenweisen Weges nicht mit einer 'Gradualität des Gesetzes' selbst gleichgesetzt werden, als ob es verschiedene Grade und Arten von Gebot im göttlichen Gesetz gäbe, je nach Menschen und Situationen verschieden. Alle [sind] zur Heiligkeit berufen, und diese hehre Berufung verwirklicht sich in dem Maße, wie die menschliche Person fähig ist, auf das göttliche Gebot ruhigen Sinnes im Vertrauen auf die Gnade Gottes und auf den eigenen Willen zu antworten".« (FC 34)
Ein defizitärer Status kann nicht als etwas in sich moralisch Gutes anerkannt werden, so als gäbe es verschiedene Stufen des Gesetzes, und dieser Status befände sich nun eben auf einer zwar niedrigeren, aber immernoch in sich wertzuschätzenden Stufe die "auf das Ideal hingeordnet" ist. Eine "Hinordnung" moralisch falscher Handlungen auf ein "Ideal" funktioniert grundsätzlich nicht, wie Johannes Paul II. in der (von vielen Theologen bewusst totgeschwiegenen) Magna Charta der Moraltheologie, der Enzyklika Veritatis splendor (klick), in unüberbietbarer Schärfe ausführt: 
»Es handelt sich in der Tat um Verbote, die eine bestimmte Handlung semper et pro semper verbieten, ohne Ausnahme, weil die Wahl der entsprechenden Verhaltensweise in keinem Fall mit dem Gutsein des Willens der handelnden Person, mit ihrer Berufung zum Leben mit Gott und zur Gemeinschaft mit dem Nächsten vereinbar ist. Es ist jedem und allezeit verboten, Gebote zu übertreten, die es allen und um jeden Preis zur Pflicht machen, in niemandem und vor allem nicht in sich selbst die persönliche und allen gemeinsame Würde zu verletzen. [...] Die Handlungen aber, die sich aufgrund ihres Objektes nicht auf Gott "hinordnen" lassen und "der menschlichen Person unwürdig" sind, stehen diesem Gut immer und in jedem Fall entgegen.« (VS 52 und 82) [Beispiel: Eine Abtreibung kann niemals als "auf das Ideal des Lebensschutzes hingeordnet" betrachtet werden.]

Derweil wird übrigens von namhaften Theologen jener Grundsatz, wonach immer der Mensch und seine Handlungen zu unterscheiden sind ("Liebe den Sünder, hasse die Sünde"; vgl. Joh 4,1-42; 5,14; 8,11), in Frage gestellt. Diese Unterscheidung sei "nicht überzeugend" (Schockenhoff, hier), wobei allerdings keine Begründung gegeben wird. Das ist höchst bedenklich, denn es führt letztlich zu einem jede Sünde gutheißenden Relativismus ("Liebe den Sünder und liebe darum auch alle seine Handlungen"). Der Leser möge das mal für andere Sünden, etwa Mord, gedanklich durchspielen...
 

Die Feststellung von "gelebten Werten" in einer laut der Offenbarung "unzüchtigen" Beziehung, ist, bei Licht betrachtet, für die Debatte eigentlich unerheblich: Eine moralisch gute Handlung eines Menschen (oder was dieser von Gott her an Gnade erfährt, die ihn zum Guten befähigt), kann niemals ein Erweis der moralischen Richtigkeit irgend einer anderen Handlung dieses Menschen sein! Es ist ein Erweis der grenzenlosen Liebe Gottes, dass auch der Sünder seine Gnade erfährt und Gutes wirken kann. Aber sündhafte Handlungen hören darum nicht auf, sündhaft zu sein. Beispiel: Ein Ehemann der fremdgeht, kann mit der Frau, zu der er heimlich geht, ja durchaus auch "Werte" wie Treue und Freundschaft leben. Hört darum nun aber der Ehebruch, den er mit ihr begeht, auf, sündhaft zu sein? Nein, denn das Tun von etwas Gutem kann nicht das Tun von etwas Bösem kompensieren. Faustregel: Gelebte "Werte" können gelebte Sünde niemals rechtfertigen ("recht machen"). Wenn sodann in einer "unzüchtigen" Partnerschaft "Werte" gelebt werden, dann geschieht dies nicht wegen jener "unzüchtigen Akte", sondern trotz dieser. Denn aus einer Sünde kann niemals eine Tugend erwachsen. Die Tugend ist der Feind der Sünde. Die Sünde ist in ihrem Wesen "wert-los".
  

Und hier endet auch das Argument "Aber sie lieben sich doch!" bzw. "Kann Liebe Sünde sein?" Antwort: Ja. Der Ehebrecher kann überzeugt sein, diese Frau zu "lieben", mit der er die Ehe bricht. Aber der Ehebruch bleibt Ehebruch.
Gerne wird darauf verwiesen dass es in der Schrift heißt "Liebt einander" (Joh 13,34) und "die Liebe ist aus Gott" (1.Joh 4,7) und "Gott ist die Liebe" (1.Joh 4,16). Aber die so argumentieren vergessen eine Kleingkeit: Was unsere deutschen Übersetzungen hier mit "Liebe" wiedergeben, ist etwas grundsätztlich anderes als das, was wir in unsere Alltagssprache mit diesem Wort bezeichnen. Das wird, ohne jetzt erst noch in die Semantik des griechischen Originaltextes einzutauchen, sofort einsichtig, wenn wir bedenken, dass das alle Gebote vereinigende höchste Gebot Gottes lautet: "Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften und von ganzem Gemüt, und deinen Nächsten wie dich selbst [Deut 6,5; Lev 19,18]." (Lk 10,27) Wie kann denn aber Liebe als Gebot verordnet werden?

Was hier mit "Liebe" bezeichnet wird kann verordnet werden, weil es sich nicht um ein romantisches Gefühl handelt, das sich etwa in einem sexuellen Begehren konkretisiert. Es handelt sich vielmehr um eine moralische Forderung die den Willen des Menschen in die Pflicht nimmt. Und diese Liebe verwirklicht sich letzten Endes, auch und besonders für die Christen, in der Befolgung der Weisungen Gottes. Die Befolgung der Gebote ist die Bedingung der Liebe - nur wer sie befolgt, liebt: "Wenn ihr meine Gebote haltet, so bleibt ihr in meiner Liebe" (Joh 15,10). Zu "lieben", aber die Gebote nicht zu halten, ist ein Widerspruch in sich: "Daran kann man die Kinder Gottes und die Kinder des Teufels erkennen: Jeder, der die Gerechtigkeit [= das was Jesus getan und geboten hat] nicht tut [...], ist nicht aus Gott." (1.Joh 3,10) Man muss außerdem schon ziemlich verblendet sein um zu glauben, dass jemand, nur weil er meint zu "lieben", er darum gefeit ist vor der Sünde. Gerade hier, v.a. im Bereich der Sexualität, können die schlimmsten Sünden und die schwersten Verletzungen der Seele (und der körperlichen Verfassung) geschehen.
"Gott ist die Liebe" bedeutet etwas völlig anderes als "Die Liebe [das was ich so nenne] ist Gott". Letzteres ist Götzendienst.
 

Auch das Folgende muss noch erwähnt werden: Selbst das Bekenntnis zu Jesus Christus bringt keine Ermäßigung bei der Sünde. Auch jemand, der sich nach eigenem Dafürhalten zu Jesus bekennt, kann in Wirklichkeit - im Herzen - fern von diesem Jesus leben; und das kann schlimme Konsequenzen haben. Jesus selbst führt das in aller erschreckenden Deutlichkeit aus:
»Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr! Herr!, wird in das Himmelreich kommen, sondern nur, wer den Willen meines Vaters im Himmel erfüllt [Gesetz]. Viele werden an jenem Tag zu mir sagen: Herr, Herr, sind wir nicht in deinem Namen als Propheten aufgetreten und haben wir nicht mit deinem Namen Dämonen ausgetrieben und mit deinem Namen viele Wunder vollbracht? Dann werde ich ihnen antworten: Ich kenne euch nicht. Weg von mir, ihr Übertreter des Gesetzes!"« (Mt 7,21-23)
Lassen wir uns von solche Aussagen Jesu berühren? Gut die Hälfte der Zeit spricht Jesus in den Evangelien über Sünde, Gericht und die Gefahr, verloren zu gehen. Denen die eingehen "in die Freude ihres Herrn" stehen auch immer diejenigen gegenüber, die dahin gehen "wo Heulen und Zähneklappern herrscht". Wie ernst nehmen wir das? Oder klammern wir dies Unschöne lieber aus und lassen nur das als "Worte Jesu" gelten, wo es um Barmherzigkeit, Liebe und Vergebung geht? Oft und oft wird der Satz Jesu an die ertappte Ehebrecherin, die gesteinigt werden soll, zitiert: "Auch ich verurteile dich nicht." Aber nur selten vernimmt man den unmittelbar folgenden Satz, der eine sehr deutliche Ermahnung ist: "Geh und sündige von jetzt an nicht mehr!" (Joh 8,11) Alle Menschen wollen Vergebung, wollen Heilung und Heiligung. Wie kann denn aber Vergebung geschehen, wo - gegen das unmissverständliche Gebot Gottes - auf dem tun der Sünde beharrt wird? Wie kann Heilung eintreten, wo die Verletzung immer wieder aufs Neue zugefügt wird? Wie kann Heiligung geschehen, wenn das Gebot des heiligen und allein heiligmachenden Gottes nicht gehalten wird? Jesus sagt: "Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt" (Joh 14,21; vgl. 15,14).
 

Die Frage, die derzeit vermehrt gestellt und oft auch einfach als Forderung skandiert wird, ist, ob zivile Zweitehen oder ausgelebte Homosexualität von der Kirche "vorbehaltlos akzeptiert" (Schockenhoff, hier), ja sogar wertgeschätzt und (in liturgischem Rahmen) gesegnet werden sollten. Viel grundlegender muss man jedoch wohl die Frage stellen: Hat denn die Kirche überhaupt das Recht, etwas zu tun, was von der Heiligen Schrift her nicht gedeckt, ja sogar einhellig verurteilt wird? (Dass Handlungen dieser Kategorie in der Vergangenheit zuweilen getan wurden, kann kein Argument sein, solche schlimmen Irrungen zu wiederholen.) Kann sie etwas segnen - hier also einer Handlungsweise den Segen Gottes zusprechen - was Gott selbst nach seinem einmütigen Zeugnis in der ganzen Offenbarung als Gräuel und schwere Sünde verwirft? Würde die Kirche soetwas tun, müsste man mit dem Apostel ernsthaft fragen: "ist dann Christus ein Diener der Sünde?" (Gal 2,17)
 


Es gilt das Jesuswort: "Richtet nicht, dann werdet auch ihr nicht gerichtet werden. Verurteilt nicht, dann werdet auch ihr nicht verurteilt werden." (Lk 6,37) Jedoch gilt es, den Sinn dieser Worte sowie den Kontext nicht aus den Augen zu verlieren, in dem sie stehen. Es gibt eigentlich keinen vernünftigen Weg, wie man von dieser Aussage Jesu zu der von Schockenhoff und anderen gelangen kann, wonach wir das, was die Bibel einhellig als Unzucht und Ehebruch bezeichnet, "vorbehaltlos anzunehmen" und "wertzuschätzen" hätten. Aber der Reihe nach: Jenes heute inflationär gebrauchte Motto: "niemanden verurteilen", wird grundsätzlich missverstanden, wenn man es so deutet, als dürfe man die Sünde nicht einmal benennen. Wiedermal wird hier ein Jesuswort verabsolutiert, sinnwidrig so verstanden, wie man es gerne hätte, und das Meiste andere, was Jesus gesagt hat, klammheimlich unter den Tisch fallen gelassen. Zunächstmal ist zu beachten, dass hier die Rede ist von "richten" und "verurteilen". Es handelt sich dabei eindeutig um Gerichtssprache: Es sind juridische Begriffe für richterliche Handlungen, die folglich nur dem Richter zustehen, nämlich dem wiederkommenden Christus am Ende der Zeiten. Was davon nicht abgedeckt ist, was uns also durchaus zu tun zusteht, ist das irdische, gegewärtige und zwischenmenschliche Urteilen und Be-urteilen, im Sinne des Urteilsvermögens. Was das wiederum konkret bedeutet, merken wir schon im direkt folgenden Satz, noch im selben Bibelvers (Lk 6,37), wo es heißt: "Erlasst einander die Schuld, dann wird auch euch die Schuld erlassen werden." Um dies tun zu können, muss man aber erstmal die Schuld als solche erkennen, das moralische Handeln der Menschen also vor dem Hintergrund der Gebote Gottes be-urteilen können.
Zum Erkennen der Sünde gehört es sodann immer auch, da wir ja als Christen in einer Gemeinschaft leben und keine Monaden sind, dass wir einander ermahnen: "Belehrt und ermahnt einander in aller Weisheit!" (Kol 3,16). Die Sünde urteilend zu erkennen und dementsprechend zu ermahnen, ja sogar den Sünder zurechtzuweisen, ist nicht nur ein Vorschlag, es ist ein Imperativ. Jesus ist darin völlig klar: "Wenn dein Bruder sündigt, weise ihn zurecht!" (Lk 17,3). Wir Menschen brauchen diese wechselseitige Ermahnung (in dem Bewusstsein also, dass der heute Mahnende morgen der Ermahnte sein kann), denn der gewiefteste Anwalt, der die Sünde verteidigt, sind immer wir selbst. Natürlich sollen wir auch einander im Guten bestärken (vgl. Apg 15,41), und können sogar einander loben - Paulus macht es uns vor (vgl. 1.Kor 11,2) - aber wir können uns im Angesicht der Sünde, die wir alle tun, eben gerade nicht loben (vgl. 1.Kor 11,22), sondern müssen einander ermahnen, um so auch das fortzufüren, was Jesus selbst unentwegt getan hat (vgl. Lk 3,18; Apg 2,40).
 

Die traurige Ironie der aktuell vorgebrachten Forderungen (nicht nur bzgl. Homosexuellen und in ziviler Zweit"ehe" Lebender) ist, dass wir, in dem fast schon krampfhaften Bemühen "niemanden [zu] verurteilen", zum einen alle mahnenden und warnende Worte Jesu über den Richter, der kommen wird "wie der Dieb in der Nacht", einfach abtun. Dass wir uns aber auf der anderen Seite - in der größten aller Anmaßungen - faktisch selbst zu jenem Richter aufschwingen, der allein am Ende der Zeit das Gute gut-heißt, das Böse verwirft und den Lohn entsprechend verteilt (vgl. Mt 25). Denn man gewinnt den Eindruck, "gut" sei heute alles das, was wir mit unserem "Gewissen" (vgl. hier und besonders hier) als "gut" bestimmen, gleichgültig, was das Wort Gottes und die Tradition uns darüber sagen (vgl. hier). Wehe uns, wenn dann am Ende unserer grenzenlosen Urteilslosigkeit die Frage des Johannes steht: "Ihr Schlangenbrut, wer hat euch denn gelehrt, dass ihr dem kommenden Gericht entrinnen könnt?" (Lk 3,7) Aber auch die Lehrer trifft es: "Wer auch nur eines von den kleinsten Geboten aufhebt und die Menschen entsprechend lehrt, der wird im Himmelreich der Kleinste sein." (Mt 5,19)

Jesus Christus hat übrigens nie irgendeine Haltung "wertgeschätzt" oder "vorbehaltlos angenommen": Jesus rief die Sünder zur Umkehr und die, die gerade mal nicht sündigten, zur Vollkommenheit auf. Jemanden in dem zu unterstützen, was er gerade tut - erst recht bei einer Sünde -, wäre ihm nie in den Sinn gekommen. Das Allererste, was uns der Evangelist Matthäus vom öffentlichen Wirken Jesu überliefert, und damit alles Folgende quasi mit einer Überschrift versehend, ist der äußerst kurze Ausruf: "Kehrt um!" (Mt 4,17) "Kehrt um!" heißt nichts anderes als "Ändert euer Leben!" (vgl. Eph 4,22), wir könnten auch sagen: "Ändert eure Lebenswirklichkeit!" ... Gott liebt uns nicht, weil wir so sind, wie wir sind (wozu sonst der ständige Ruf zur Umkehr?), sondern weil wir besser sein können und mit seiner Gnade auch werden sollen.

Die Gebote Gottes, zu unserem Heil, entsprechen in aller Regel nicht unseren Wünschen und Vorstellungen und oft genug auch nicht unserer faktischen Lebenswirklichkeit. Wäre es anders, müssten sie nicht extra geboten werden.
Man redet derzeit viel von der "(veränderten) Lebenswirklichkeit" der "Menschen von heute" und sieht darin sogar eine regelrechte Offenbarungsquelle (Bode, hier). Ist das ein Argument? Es gab auch mal eine "Lebenswirklichkeit" bei den Einwohnern von Sodom und Gomorra... Und was ist mit dem Volk Israel, das immer wieder in Untreue gefallen ist? Spiegelte sich darin der Wille Gottes oder hat Gott etwa seine Gebote diesen jeweils "veränderten Lebenswirklichkeiten" angepasst? Natürlich nicht - er sandte Propheten "wie Feuer" (vgl. Sir 48,1) die ermahnten, drohten und, wenn nichts half, auch mal dreinschlugen. Außerdem: Die "Lebenswirklichkeit" ist heute keine andere als früher, etwa zur Zeit Jesu, erst recht nicht im Hinblick auf Scheidung und Homosexualität (beides im griechisch geprägten Mittelmeerraum breit geübt und gesellschaftlich akzeptiert).
 

Oder können wir heute etwa sämtliche Warnungen Jesu vor der Sünde und vor dem Gericht, seine Ankündigung des Hasses der Welt gegen uns, die wir "nicht von der Welt" sind, seine Worte über den trügerischen "Ruhm der Welt" und seine beständigen Rufe zur Umkehr also getrost vergessen, weil ja angeblich die "Lebenswirklichkeit" der Menschen bereits als solche "gut", "wertzuschätzen" und "vorbehaltlos anzunehmen" ist? Ohne allzu negativ klingen zu wollen: Als Christen sollten wir immer die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass wir gegenwärtig in einer Neuauflage von Sodom und Gomorra leben. Angesichts der Tatsache, dass wir alle Sünder sind, ist das jedenfalls nicht gerade unwahrscheinlich. Oder glaubt denn irgendwer ernsthaft, dass wir gegenwärtig in einer Gesellschaft leben, die im Einzelnen wie im Gesamten so heil(igmäßig) ist, dass sich der (betreffs Unzucht und Ehebruch nun angeblich anders lautende) Wille Gottes - im krassen Gegensatz zu jeder anderen Zeit und jeder anderen Gesellschaft in der Geschichte Gottes mit seinen Geschöpfen - in der "Lebenswirklichkeit" der Menschen kundtut?

Demut

»Schwer ist für Gott die Erziehung seiner Auserwählten, zumal seiner Priester. Er muß sie reich ausstatten, als Fundgruben für ihre Gemeinde, aber sie bettelarm machen, damit sie auch in ihrer lebendigsten, persönlichsten Wirksamkeit allein auf ihn verweisen. Sie dürfen nur für andere reich sein, müssen besitzen, ohne es zu wissen, ohne es zu achten, müssen aber auch wissen, was Reichtum ist, ohne ihn selbst bei sich zu suchen. Demut enthält noch viel seltsamere Paradoxe als man für gewöhnlich meint.«

(Hans Urs von Balthasar)

Donnerstag, 23. Juli 2015

Ist praktizierte Homosexualität Sünde?

Der Richter auf dem Regenbogen
Weil das Thema seit der hier eingetretenen Blogruhe überall hochgekocht ist, der US-Supreme Court meint, ein neues Menschenrecht zu definieren und ein gewisser Kardinal doch allen ernstes der Meinung ist, dass dies ein Kernanliegen der kommenden Familiensyode sein solle, ein paar Gedankenfetzen zur Orientierung. (Ich verdanke die Ausarbeitung dieses und weiterer damit zusammenhängender Texte, bereits vor einigen Wochen, einer Anregung von Unbekannt auf Facebook; danke dafür! Konnte dadurch für mich einiges ordnen.)
Ich lege hier nicht meine eigene Meinung dar, sondern den Standpunkt der Bibel (und damit des kirchlichen Lehramtes). Vgl. auch meine Ausführungen über das Be-urteilen von Sünde: hier.



Eine Vorbemerkung: Um gleich mal dem völlig falschen Eindruck zu wehren, Christen hegten speziell gegen homosexuell empfindende Menschen einen Groll, sei darauf hingewiesen, dass nach katholischem Verständnis das Ausleben der menschlichen Sexualität seinen einzigen legitimen Ort in der unauflöslichen Gemeinschaft der Ehe hat. Eine Ehe wiederum kann nach katholischem Verständnis (und darin zu unterscheiden von dem, was etwa manche Staaten unter dem Begriff "Ehe" verstehen) nur zwischen einem Mann und einer Frau gültig geschlossen werden. Folglich ist jeder vor- und außereheliche Geschlechtsverkehr als schwere Sünde zu betrachten, gleichgültig ob die Handelnden nun homo- oder heterosexuell empfinden. Dass Sex nur in die Ehe gehört, darf im Übrigen durchaus als ein Grundpfeiler der ganzen katholischen Sexualmoral betrachtet werden.
Immer gilt: Als Christen sind wir dazu gerufen, jeden Menschen, auch den Sünder (wir sind ja selber welche), zu achten, anzunehmen und zu lieben. Aber die Sünde sollen wir bekämpfen (auch unsere eigene); nie können wir Sünde einfach akzeptieren oder sogar gutheißen. Es gilt also immer zwischen den Menschen und ihren (sündhaften) Handlungen zu unterscheiden. Grundsätzlich verlangt aber der "Kampf gegen die Sünde" von uns Widerstand "bis aufs Blut" (Hebr 12,4).

»Eine nicht geringe Anzahl von Männern und Frauen haben tiefsitzende homosexuelle Tendenzen. Diese Neigung, die objektiv ungeordnet ist, stellt für die meisten von ihnen eine Prüfung dar. Ihnen ist mit Achtung, Mitgefühl und Takt zu begegnen. Man hüte sich, sie in irgend einer Weise ungerecht zurückzusetzen. Auch diese Menschen sind berufen, in ihrem Leben den Willen Gottes zu erfüllen und, wenn sie Christen sind, die Schwierigkeiten, die ihnen aus ihrer Verfaßtheit erwachsen können, mit dem Kreuzesopfer des Herrn zu vereinen.« (KKK 2358)

Oft wird gesagt, Jesus habe nichts zum Thema Homosexualität gesagt, darum dürfe die Kirche sie auch nicht verurteilen. Und es stimmt: Jesus hat nie das Wort "Homosexualität" gebraucht. Und er hat auch nie die mit diesem Wort bezeichnete Handlung explizit benannt. Aber dieser Hinweis auf das Vorkommen oder Nichtvorkommen von Begriffen im Munde Jesu hat keinerlei argumentative Kraft, denn ebensowenig hat Jesus Vergewaltigung, Pädophilie, Sodomie, Prostitution, Abtreibung, Umweltzerstörung oder Sklavenhandel explizit erwähnt; trotzdem halten wir diese Dinge für sündhaft. 

Ironischerweise vertreten die Leute, die damit argumentieren, dass Jesus dazu ja nichts gesagt habe, sehr oft auch vehement die Ansicht, die Kirche müsse endlich Scheidung und Wiederheirat anerkennen... ... Jesus: "Wer seine Frau aus der Ehe entlässt und eine andere heiratet, begeht ihr gegenüber Ehebruch. Auch eine Frau begeht Ehebruch, wenn sie ihren Mann aus der Ehe entlässt und einen anderen heiratet." (Mk 10,11f.; vgl. auch Mt 5,32; 19,9; Lk 16,18; 1.Kor 7,10f.)

Auch wird gesagt, dass das Verbot von Homosexualität alttestamentlich sei, und wir würden doch heute auch niemanden mehr steinigen. Das ist insofern falsch, weil bereits im Alten Testament die jeweiligen Gesetze und Vorschriften unterschiedliches Gewicht hatten und sie in verschiedenen Kontexten und auf verschiedene Personen(gruppen) Anwendung fanden - also nicht alle Vorschriften gleich-wertig waren. Und im Neuen Testament finden wir, autoritativ durch Jesus selbst und seine Apostel, eine "Umwertung" des Gesetzes. Jesus führt die Vielzahl der alttestamentlichen Ge- und Verbote auf ihren vom Schöpfer gesetzten Kern zurück ("der Sabbat ist für den Menschen da", "am Anfang war das nicht so"), was in Teilen einer Abschaffung gleichkommt, in anderem eine Milderung oder aber auch eine Verschärfung des bisher Geltenden bedeutet. Laxismus kann man Jesus jedenfalls nicht vorwerfen. 
Es gilt zu unterscheiden und besonders in den Blick zu nehmen, was denn nun eigentlich für Christen gilt und was nicht. Aber der Reihe nach.
 

Jesus sagt in Mt 5,17, dass er nicht gekommen sei, das (jüdische) Gesetz aufzulösen, sondern es zu erfüllen. Er kannte dieses Gesetz (die Thora), nach dem auch er und seine Familie lebten (vgl. Lk 2), auswendig und hat immer wieder ganz selbstverständlich darauf Bezug genommen und es oft auch interpretierend kommentiert. Für uns stellen sich hier zwei Fragen: Was sagt dieses Gesetz zu homosexueller Praxis? Und: Inwiefern sind diese Aussagen auch für Nichtjuden relevant?
Im Buch Leviticus (Drittes Buch Mose) finden wir fast ausschließlich Stellen, an denen es in der Einleitung von Gesetzesvorschriften heißt: "Sage Aaron und seinen Söhnen [= den Priestern]..." oder "Sage den Söhnen Israels..." (z.B. Speisegesetze). Folglich sind die so eingeleiteten Gesetze in erster Linie relevant für Juden. Es gibt lediglich vier Stellen, an denen diese Formulierung auffällig anders lautet, nämlich: "Sage den Söhnen Israels und den Fremden die in eurer Mitte wohnen...". Diese Gesetze, es sind Verbote, betreffen also auch die Nichtjuden. Diese sind:

1. Götzenopfer (Lev 17,8f.; 20,2)
2. Blut trinken (Lev 17,10.12)
3. Ersticktes essen (Lev 17,13)
4. Unzucht (Lev 18)

Unzüchtiges Verhalten wird in Lev 18 näher spezifiziert: Jegliche Form von Inzest, Ehebruch, der Beischlaf von Männern mit Männern sowie sexueller Verkehr mit Tieren. Sex von Männern mit Männern wird dabei explizit als Gräuel bezeichnet, eine Kategorie, die ansonsten vor allem für die Bewertung von Götzen(dienst) Verwendung findet (siehe dazu z.B. 2.Kön 23,13 und Hes 8), also für Verstöße gegen das allem anderen zugrundeliegende 1. Gebot des Dekalogs.
In der heidnischen Umwelt Israels - zur Zeit der Gesetzgebung (etwa in Ägypten oder Kanaan) wie auch zur Zeit Jesu (in der ganzen griechisch geprägten Welt des Mittelmeeres) - war ausgelebte Homosexualität eine verbreitete und gesellschaftlich akzeptierte Erscheinung. Die Juden machten dabei jedoch nicht mit, denn dem Gesetz Gottes zufolge handelt es sich hierbei um Praktiken, die die Menschen und auch das ganze Land, in dem sie leben, unrein machen (vgl. Lev 18,28), also um besonders schwerwiegende Vergehen die nicht gebunden sind an eine bestimmte Zeit oder Personen(gruppe).
  

Das Neue Testament bringt nun einige Änderungen für den Umgang mit dem Gesetz. Die Rezeption dieser hier relevanten und zuvor genannten Gesetze ist es, die uns jetzt interessiert. Und genau da finden wir eine erstaunliche Beständigkeit im Zeugnis der Schift vor:
A) Jesus, der mit dem Gesetz bestens vertraut war, nennt ausdrücklich die Unzucht  (und wir haben keinen Grund, anzunehmen, dass er darunter etwas anderes versteht als das, was das jüdische Gesetz darunter versteht) und verurteilt sie als etwas, das aus dem Herzen des Menschen kommt und ihn unrein macht: "Denn von innen, aus dem Herzen der Menschen, kommen die bösen Gedanken, Unzucht, Diebstahl, Mord, Ehebruch, Habgier, Bosheit, Hinterlist, Ausschweifung, Neid, Verleumdung, Hochmut und Unvernunft." (Mk 7,21-22)
B) Paulus, der große Lehrer der göttlichen Liebe (vgl. 1.Kor 13), greift dies in seinem Brief an die Römer auf (Röm 1,24ff.) und behandelt auch explizit gleichgeschlechtlichen Geschlechtsverkehr mit harten Worten: Männer wie Frauen haben "den natürlichen Verkehr [...] verlassen [und] sind in ihrer Begierde zueinander entbrannt". "Sie vertauschten die Wahrheit Gottes mit der Lüge" weil sie es "nach ihrem eigenen Urteil nicht nötig hatten, Gott anzuerkennen" und "empfingen den gebührenden Lohn ihrer Verirrung an sich selbst."
C) Exakt jene vier Bereiche, die auch für die "Fremden in Israel" verboten waren (Götzenopfer, Blut und Ersticktes, Unzucht [mit allem, was dazugehört]), werden - darin im Sinne des Gesetzgebers völlig folgerichtig - auch vom Apostelkonzil (Apg 15) für die nichtjüdischen Nachfolger Jesu als einzige verbindliche Gebote des in Leviticus gegebenen Gesetzes benannt: "Denn der Heilige Geist und wir haben beschlossen, euch keine weitere Last aufzuerlegen als diese notwendigen Dinge: Götzenopferfleisch, Blut, Ersticktes und Unzucht zu meiden. Wenn ihr euch davor hütet, handelt ihr richtig." (Apg 15, 28f.) Was früher für alle, auch die Nichtjuden, galt, gilt weiterhin für alle.
D) Nach Offb 21,8 wird nichts Unreines in das neue, ewige Jerusalem, die Stadt Gottes hineinkommen: "Aber die Feiglinge und Treulosen, die Befleckten, die Mörder und Unzüchtigen, die Zauberer, Götzendiener und alle Lügner - ihr Los wird der See von brennendem Schwefel sein. Dies ist der zweite Tod." Und noch knapper: "nichts Unreines wird hineinkommen und keiner, der Gräuel [!] tut" (Offb 21,27)
  
Den neutestamentlichen Befund zusammenfassend, ergibt sich folgendes Bild:
a) Das von Gott den Juden (und den Fremden) gegebene Gesetz verbietet aufs Schärfste die Unzucht und darin auch expressis verbis das Ausleben gleichgeschlechtlicher Sexualität.
b) Jesus hat dieses Verbot bestätigt.
c) Die frühe Kirche hat dies einmütig und "im Heiligen Geist" ebenfalls bestätigt.
d) Die prophetische Beschreibung des Gerichtes Gottes in der Offenbarung des Johannes bestätigt schließlich die Folgenschwere des Gräuels der Unzucht.
Anzumerken ist hierbei noch, dass die frühen Christen sehr bald auch von den verbliebenen Speisegeboten Abschied genommen haben, was aber durchaus auf der Linie von Jesu Verkündigung liegt, wie uns der Evangelist Markus ausdrücklich nach einer wörtlichen Rede Jesu in einer redaktionellen Anmerkung mitteilt: "Merkt ihr nicht, dass alles, was von außen in den Menschen hineingeht, ihn nicht unrein machen kann? ... Damit erklärte er [Jesus] alle Speisen für rein." (Mk 7,17f.)

Manchmal wird behauptet, das Thema sei unbedeutend, weil es im Gesetz selten explizit behandelt wird (nur Lev 18). Das stimmt aber nicht. Zuweilen wird auch gegenteilig behauptet, es gäbe in der Heiligen Schrift geradezu eine Obsession mit diesem Thema. Auch das stimmt nicht: Die Bibel behandelt einfach alles was den Menschen betrifft in gebührender und ungeschönter Weise (der KKK behandelt das Thema übrigens nur in 3 von insgesamt ca. 3000 Nummern - auch hier keine Obsession).


Dieser biblische Befund mag uns erschrecken. Wir müssen uns aber immer fragen, wie ernst wir das Wort Gottes nehmen. Die ganze Heilige Schrift ist hier eindeutig. Es gibt in der gesamten Bibel keine Andeutungen, die eine andere Schlussfolgerung nahelegen als diese, dass ausgelebte Homosexualität eine schwere Sünde ist. Es gibt keine Abmilderung und keine Relativierung. Wir wissen, dass Jesus gerade bei den Themen Ehe und Sexualität die Vorschriften des Alten Testaments nie abgeschwächt, sondern oft genug sogar noch (und zwar im Sinne des Schöpfers und Gesetzgebers) verschärft hat. Als die Juden Jesus fragten "Warum hat denn Mose geboten, einen Scheidebrief zu geben und zu entlassen?" Antwortet Jesus, das Zugeständnis des Mose aufhebend und auf die Schöpfungsordnung verweisend: "Er spricht zu ihnen: Mose hat wegen eurer Herzenshärtigkeit euch gestattet, eure Frauen zu entlassen; von Anfang an aber ist es nicht so gewesen. Ich sage euch aber, dass, wer immer seine Frau entlässt, außer wegen Hurerei, und eine andere heiratet, Ehebruch begeht; und wer eine Entlassene heiratet, begeht Ehebruch." (Mt 19,7-9)
Diese herausgehobene Stellung der Sexualität ist naheliegend, wenn man bedenkt, dass der Mensch auf diese Zweisamkeit hin geschaffen wurde ("als Mann und Frau schif er sie... sie werden ein Fleisch sein") und das "erste Gebot" Gottes an den Menschen auch hier angesiedelt ist ("seid fruchtbar und mehret euch"). Sie betrifft den Menschen so existentiell wie kein anderer Bereich des Lebens - positiv wie negativ. Unsere Sexualität ist ein wesentlicher Teil unseres Weges zur Heiligkeit, zum Leben bei Gott. Jenes berüchtigte Kapitel 18 in Levitikus ist denn auch nicht nur eine Schilderung einer schweren Sünde ("Gräuel"), die es zu unterlassen gilt, es ist v.a. eine Verheißung des Lebens, dem nämlich das Verbot einzig dient. Die Unterweisung beginnt wiefolgt:
»Ich bin der HERR, euer Gott.
Nach der Weise des Landes Ägypten, in dem ihr gewohnt habt, sollt ihr nicht tun; und nach der Weise des Landes Kanaan, wohin ich euch bringe, sollt ihr nicht tun; und in ihren Ordnungen sollt ihr nicht leben
Meine Rechtsbestimmungen sollt ihr tun, und meine Ordnungen sollt ihr halten, um in ihnen zu leben.
Ich bin der HERR, euer Gott.
Und meine Ordnungen und meine Rechtsbestimmungen sollt ihr halten. Durch sie wird der Mensch, der sie tut, Leben haben.
Ich bin der HERR.« (Lev 18,2-5; vgl. Lev 19,2) 


Die Kirche wusste sich immer an diese biblischen Vorgaben gebunden. Von einer veränderten Lebenswirklichkeit kann nicht die Rede sein, denn, wie gesagt, war Homosexualität in der Welt, in der das Christentum entstand, übliche Praxis (zusammen mit Gladiatorenkämpfen, Kreuzigungen und Sklaverei...). Was heute anders ist, ist die Einstellung mancher Hirten und vieler die sich Christen nennen, zum Wort Gottes... inwiefern es noch gilt und was das für Folgen hat für unser moralisches Urteilsvermögen. Ich werde letztere Frage in einem kommenden Beitrag vertiefen (hier).
»Homosexuelle Menschen sind zur Keuschheit gerufen [wie alle anderen Menschen auch]. Durch die Tugenden der Selbstbeherrschung, die zur inneren Freiheit erziehen, können und sollen sie sich – vielleicht auch mit Hilfe einer selbstlosen Freundschaft –, durch das Gebet und die sakramentale Gnade Schritt um Schritt, aber entschieden der christlichen Vollkommenheit annähern.« (KKK 2359)


PS. Was das nunmehr in den USA eingeführte so genannte "Menschenrecht" auf gleichgeschlechtliche Ehen betrifft, nur eine kurze Notiz: Als Katholiken leben wir schon seit Langem in einer Umwelt, in der es viele Lebensverhältnisse gibt, die - staatlicherseits oder von der veröffentlichten Meinung - als "Ehe" betrachtet werden, von denen wir aber wissen, dass sie keine sind. (Oder wie sollte man das sonst bewerten, dass Zweit- und Drittehen inzwischen völlig "normal" sind?) Schon heute müssen Katholiken ihren Begriff von Ehe samantisch von dem der Mehrheit der Gesellschaft abgrenzen. Insofern wird die in absehbarer Zeit auch hierzulande kommende "Homo-Ehe" wenig Neues bringen. Und wer mit dieser Entwickklung nicht schon seit geraumer Zeit gerechnet hat, der lebt wohl in einem Schneckenhaus... natürlich musste das kommen und natürlich wird das auch bei uns bald aktuell. Eine Ablehnung seitens des Staates ist heute nicht mehr haltbar. Machen wir uns nichts vor: Gesetzesentwürfe zu Geschwisterehe (in Zeiten von ubiquitärer Verhütung und Abtreibung fällt der biologische Grund für ein Inzestverbot faktisch weg) und Vielehe ("wo Menschen Verantwortung füreinander übernehmen") sind auch schon in vielen Schubladen auf stand-by.

Früher wollten die jungen Wilden die Ehe abschaffen, heute fordern sie "für alle" die Ehe. Freilich ist das Ergebnis dieser jeweiligen Bestrebungen das Gleiche: Eine faktische Egalisierung ist nur eben ein viel effizienterer Weg zu ihrer Zerstörung als die Agitation gegen sie... damit lässt sich Mehrheit (freilich nicht: Wahrheit) herstellen...
Alles was Menschen an "Gesetzen" machen, kann auch von Menschen wieder rückgängig gemacht werden. Auch die Legalität der Abtreibung wurde in den USA einst höchstrichterlich beschlossen, aber inzwischen hat der Lebensschutz dort die Chance, der neue Mainstream zu werden!

Mittwoch, 22. Juli 2015

reditio

Nach nur fünf einhalb Monaten... habe mich entschlossen, den Betrieb hier wieder aufzunehmen. Allerdings in geringerer Frequenz, als dies bis letztes Jahr der Fall war und voraussichtlich mit mehr Schnipseln, die ich irgendwo aufgelesen habe (ergo weniger eigener Content).
Ich werde mich auch nicht so sehr in die Debatte um die Synode hineinreißen lassen, weil ich dafür eigentlich keine Zeit habe (Diplomarbeit und Zeugs)...