Da ich beim letzten Mal jenen lustigen Cartoon gebracht habe, sei hier, bevor wir zum Intelligent Design weitergehen, einfach mal ein Einschub gegeben, bei dem es, in dieser Serie über die Evolution, ein wenig ans Eingemachte geht: Die Evolution des Menschen. Das mag jetzt didaktisch nicht so toll sein, aber ich will ja hier
keinen Unterricht geben... da kann man das schonmal etwas auflockern und
in "unüblicher Reihenfolge" abhandeln. Hier geht es erstmal nur um Fakten. Richelieu hat vor einiger Zeit (hier) mal einen Einblick in die Evolution des Pferdes gegeben, ich werde das nun für den Homo sapiens
, also für uns, tun.
1858, als Charles Darwin "Die Entstehung der Arten" veröffentlichte, kannte man nur zwei Menschenspezies (nämlich
Homo sapiens und den
Homo neandertalensis) und es gab keine Fossilien von "Zwischenformen", um sie evolutionär mit irgendwelchen frühen Primaten in Verbindung zu bringen. Darwin sprach darum von "Missing Links", von fehlenden Übergangsfossilien. Das war vor 150 Jahren! In der Kinderstube der Evolutionstheorie!
Seit dieser Zeit haben Wissenschaftler die Fossilien von hunderten Individuen, die über einem Dutzend unterschiedlichen Spezies angehören, gefunden, und sehr viele von ihnen zeigen definitiv Verbindungen zu den anderen Primaten auf.
Der Einfachheit halber nehme ich in der Darstellung an der Seite den Schädel eines Schimpansen als Anfangspunkt damit die Entwicklung von frühen Primaten zu uns deutlich wird (vgl.
Evolution ist ein Baum); man beachte wie die Augenwülste zurückgehen, der Oberkiefer gerade wird und das Schädelvolumen zunimmt (von ca. 400cm³ zu den heutigen ca. 1400cm³; die Schädel sind hier nicht in ihrer realen relativen Größe zu einander
dargestellt, sondern die Bilder sind der Übersichtlichkeit halber auf etwa die gleiche Größe angepasst). Alle abgebildeten Beispiele auf der linken Seite sind Vorfahren des modernen Menschen (die genauen Abstammunsgverhältnisse sind nach wie vor Gegenstand vieler Forschungen).
Cro-Magnon ist ein früher Homo sapiens.
Merke: die hier abgebildeten Schädel repräsentieren jeweils eine eigene Spezies. Von jeder dieser Spezies haben Wissenschaftler mehrere, manchmal dutzende Individuen gefunden.
Entgegen weitläufiger Meinung, wurde nie behauptet, dass wir von irgendeiner Affenart abstammen die heute lebt (z.B. Schimpanse). Die Evolutiontheorie sagt aus, dass Menschen und Schimpansen gewissermaßen Schwesterspezies sind. Also mussten wir zunächstmal einen gemeinsamen Vorfahren dieser beiden Gruppen finden.
Wir haben solch eine Form gefunden und zwar schon 3 Jahre bevor Darwin mit seiner Theorie an die Offentlichkeit ging. Gemeint ist die Gattung Dryopithecus. (Heute zählen wir diesen eher zu den Vorfahren der Schimpansen und haben andere, z.B. die Gattung Sahelanthropus, vor ca. 7 bis 6 Millionen Jahren und die Gattungen der Orriron und Ardipithecus, als mögliche Kandidaten für den Posten. Wikipedia hilft.)
Somit hatten wir also schon eine Art Anfangspunkt und nun brauchten wir nurnoch ein weiteres Glied, nämlich von diesem sehr frühen gemeinsamen Vorfahren zum Menschen, um eine Abstammung handfest zu machen. Die Theorie
verlangte, dass so eine Form in Erdschichten gefunden werden müsste, die zwischen dieser frühen Form und den jüngsten bis dahin bekannten Menschenformen liegt. Wir fanden zahlreiche Kandidaten (darunter auch zahlreiche Affenarten und Vorfahren der heutigen Menschenaffen). Die Theorie verlangt aber, dass wir eine Form Finden müssten, die sozusagen (im morphologischen Sinn) auf "halbem Weg" von frühen Primaten zum Menschen liegt.
Wir haben exakt das gefunden (1974): es ist
Australopithecus afarensis (das bekannteste Exemplar ist als "
Lucy" berühmt geworden). Er war ein aufrecht gehender "Affe" dessen Hände, Füße, Zähne, Becken, Schädel und andere Merkmale, genau dem entsprachen, was die Theorie forderte, dass wir es finden müssten: Ein "Zwischending" zwischen Mensch und dem gemeinsamen Vorfahren von Mensch und Menschenaffe.
Die Abstammung des Menschen ist (wie so vieles) recht komplex und so ist es beispielsweise nicht völlig geklärt wie die Gattung Homo mit den Australopithecinen verwandt ist. Vermutlich geschah der Übergang über den A. africanus oder den A. garhi (nicht abgebildet). Zwischen den abgebildeten H. ergaster und H. heidelbergensis wäre noch der H. antecessor zu erwähnen, dessen Status als eigene Art aber umstritten ist.
Kreationisten tun trotz alledem so, als hätten wir z.B. Lucy nie gefunden, oder sie behaupten einfach, Lucy wäre ein Affe (was ungefähr so sinnvoll ist, als würde jemand beim Fund eines Hundeskeletts behaupten, es handle sich um eine Katze... wer sich nicht auskennt, wird es nicht besser wissen, wer sich auskennt, kann nur den Kopf schütteln).
Dass wir so dermaßen viele fossile Belege gefunden haben und das Australopithecus afarensis-Skelett genannt Lucy nur einer davon ist, scheint sie nicht weiter in ihrer Behauptung zu stören.
Aber nicht nur das: 1977, drei Jahre nachdem wir dieses Ex-"Missing Link" in der menschlichen Absammungslinie gefunden haben, erwähnte Harward Paläontologe Stephan J. Gould in einem Interview die extreme Seltenheit von weiteren Übergangsformen in den Fossilienfunden. Kreationisten lieben es, diesen Kommentar aus dem Kontext zu reißen um zu zeigen, dass selbst eine Ikone der Evolutionsbiologie wie Gould, das Fehlen solcher Fossilien zugibt. Aber in den mehr als 30 Jahren seit dem, gab es einen "paläontologischen Boom" und wir haben heute weit mehr Übergangsformen in dieser unserer Abstammungslinie gefunden als wir jemals zu träumen wagten (das kleine Detail, dass Wissenschaft nämlich Fortschritte macht, vergessen Kreationisten ständig...).
Nicht eines dieser Fossilien dürfte existieren, wenn Kreationisten Recht hätten. Dennoch bestehen sie weiterhin darauf, dass wir keine Übergangsformen hätten und argumentieren pseudoklug, dass das "Missing Link" ja nicht ohne Grund so heiße. Darwin nannte es "missing", weil es missing war! Man beachte die Vergangenheitsform. Und natürlich wusste er, dass es nicht "one link" ein Kettenglied) geben kann, sondern es immer eine ganze Kette von solchen Übergangsformen.
Eigentlich ist jedes Exemplar eine "Übergangsform": Der Übergang von der Generation vor ihm zu der Generation nach ihm. Was wir an Fossilien aus der Geschichte der Evoluton finden können, sind immer Momentaufnahmen von Veränderungen die abertausende von Generationen brauchten um überhaupt nur merkliche (sichtbare) Auswirkungen zu haben. Überhaupt ist es Wahnsinn anzunehmen, wir hätten seit Darwins Zeiten keinerlei Fortschritte gemacht, ebenso wie es Wahnsinn wäre zu behaupten, wir hätten in Sachen Krankheitserreger keine Fortschritte seit Pasteur gemacht. Wir haben so viele und detaillierte fossile Zeugnisse für die menschliche Abstammungslinie wie für keine andere Abstammungslinie einer Spezies (verständlicherweise wird da ja auch aufwändiger geforscht und gesucht), so dass eigentlich kaum noch Glieder dieser Kette mehr vonnöten sind... so vollständig ist sie (s.u.).
Wir sind hier aber noch nicht fertig, es geht noch weiter: Da Evolution nicht wie eine Leiter, sondern wie ein Baum funktioniert, gab es noch einige weitere Arten von Hominiden, die zwar nicht unsere Vorfahren waren, die jedoch Abzweigungen dieser Abstammungslinie repräsentieren (einige davon sind hier auf der rechten Seite abgebildet). Der
Neandertaler war z.B. kein Vorfahre von uns, aber unser gemeinsamer Vorfahre mit ihm ist der
Homo heidelbergensis (s.o.). Der
Neandertaler lebte sogar einige Jahrtausende gleichzeitig mit dem
Homo sapiens in Europa. Der
Homo rudolfensis ist vermutlich kein Vorfahre von uns. Die Gattung der
Paranthropus wird als später Zweig des
Australopithecinen betrachtet, lebte vor 2,7 bis 1,2 Millionen Jahren und hatte im Vergleich mit den restlichen Hominiden ein recht kleines Gehirn. Der
Homo floresiensis gilt als die Menschenart, die neben dem
Homo sapiens am längsten überlebt hat (der Neandertaler starb vor 30.000 Jahren aus, H. floresiensis vor gerademal 12.000!). Er stammte vermutlich von
Homo erectus ab.
Einer der wichtigsten und zugleich bemerkenswertesten Faktoren bei der Entstehung des Menschen, ist das stetige Anwachsen des Gehirnvolumens. Wichtig dafür war besonders der aufrechte Gang, der die Hände freigab und so die Entwicklung von komplexeren Werkzeugen ermöglichte. Dies führte dazu, dass die Kiefer weniger Belastungen aushalten mussten, da die Beute mit Werkzeugen zerteilt werden konnte und entsprechend die Kiefermuskulatur weniger stark ausgeprägt sein konnte. Dies wiederum hatte zur Folge, dass die Ansätze dieser Muskeln an der Schädelseite weiter nach unten verlagert werden konnten, was eine Ausdehnung des Schädel- und damit des Hirnvolumens überhaupt erst möglich machte. Bei den Paranthropus ist noch der Grat oben auf dem Schädel sichtbar: hier waren die Muskeln verankert. Erst als die Muskulatur bei unseren Vorfahren schwächer wurde, da ihre Funktion zunehmend mit Werkzeugen unterstützt werden konnte, verschwand der Grat und der Schädel konnte wachsen. Dass die Muskeln kleiner wurden, lässt sich auch am schrumpfenden Jochbogen (durch den diese Muskelstränge hindurchgehen) wunderbar zeigen, ebenso am graduellen Verschwinden der Reißzähne.
Kreationisten werden zuweilen einwenden, dass es ja einzelne hominide Fossilien gab die sich als Fälschung herausstellten. Das ist richtig, und sie wurden von Wissenschaftlern als Fälschungen entlarvt! Ein entscheidender Grund für ihre Entlarvung (noch bevor man moderne Datierungsverfahren hatte) ist übrigens dieser: Diese Fossilien passten von Anfang an nicht ins "Bild". Es hätte z.B. bedeutet, ein Fossil von einem Typus Mensch an einer Stelle und aus einer Zeit zu finden, wo er laut der Theorie garnicht hingehören konnte...
Darum konnte man sie nie so recht einordnen, bis man schließlich so viele andere (gesicherte) Funde hatte, dass diese "störenden" und gefälschten Teile schlicht obsolet wurden. Wären sie authentisch gewesen, hätten sie die Theorie eher schädigen können; dass sie sich als Fälschungen erwiesen haben bestätigte also die Theorie! Außerdem lassen zwei Fälschungen all die "echten" Fossilien nicht verschwinden...
Hier mal ein grober Stammbaum der menschlichen Entwicklung (die Balken zeigen an, wann sie lebten; die Zahlen sind Millionen Jahre v.u.Z.):
Zum Vergleich: bei einem Stammbaum der menschlichen Abstammungslinie zur Zeit Darwins, muss man sich alles wegdenken außer H. sapiens und H. neandertalensis. Darum konnte er noch von einem "missing link" sprechen und darum ist dieser Begriff nicht mehr zeitgemäß! Sehr ähnlich verhält
es sich übrigens mit fast allen Abstammungslinien (einzelner Spezies wie ganzer Gattungen und Tierstämme) und deren Fossilien (besonders reichhaltige Fossilienfunde wurden seit Darwins Zeiten für die Abstammung von Wal, Pferd, Fisch, Reptil, Säugetier uvm. gemacht).
Über die genauen Verwandtschaften gibt es noch viele Unklarheiten und das Ganze ist Thema zahlloser Debatten und Forschungen. Beispiele: Von manchen Forschern wird Homo ergaster zu einer frühen Form des H. erectus gezählt, was diesen dann doch noch zu einem Vorfahren des H. heidelbergensis und somit auch von uns machen würde. Außerdem herrscht kein Konsens darüber, ob Australopithecus bahrelghazali tatsächlich als eigene Art anzusehen ist. Die Entstehung der Gattung Homo aus den Australopithecinen ist ebenfalls nicht völlig geklärt. Das "wie genau" ist also noch ein gutes Stück von der Klärung entfernt; aber die Forschungen machen ständig Fortschritte.
Dass vieles noch so umstritten und unklar ist, ist aber kein Beleg für die Ungültigkeit dieser Fossilienfunde oder für die Falschheit der Idee, dass der Mensch seinen Ursprung im Tierreich hat, sondern eher ein Beleg dafür, was wir bei einem graduellen Entwicklungsprozess und bei (in absoluten Zahlen) spärlichen, aber doch verhältnismäßig reichenden Fossilienfunden erwarten würden: die Übergänge sind so weich und fließend und wir haben so viele Übergangsformen gefunden, dass eine klare Abtrennung und Kategorisierung nicht möglich ist. Zumal soetwas sowieso bestenfalls Hilfsmittel ist, niemals aber absolute und der Natur entsprechende Gültigkeit haben kann. Es hat ja nicht schlagartig eine Art eine andere abgelöst, sondern jede Spezies stammt von ihren Vorfahren ab und hat sich also graduell, über viele viele Generationen, aus diesen entwickelt. Darum sind auch die Zeitangaben, wann die einzelnen Spezies lebten, oft unterschiedlich beziffert; proto-neandertaler Merkmale tauchten z.B. bereits vor 500 bis 350 Tausend Jahren auf, obwohl der eigentliche Neandertaler meist erst ab 130 Tausend beziffert wird.
Zwei Dinge sind jedoch sicher: 1. Wir haben all diese Fossilien gefunden und 2. gab es diese (überaus erstaunliche) Entwicklung von schimpansenähnlichen Primaten zum heute lebenden Menschen (und auch die Entwicklungslinie dieser frühen Primaten weit weit zurück bis zu viel primitiveren Säugetieren ist fossil belegt). Die Evolution des
Homo sapiens aus dem Tierreich ist ein historisches Faktum, dessen genauer Ablauf, wie bei jedem historischen Ereignis, jedoch niemals mit absoluter Sicherheit festzustellen sein wird. Wie ich schon früher in dieser Serie erklärte, sind diese ganzen Fossilien eigentlich nur ein zusätzlicher Aspekt; die wirklichen (und viel genaueren) Belege für unsere Verwandtschaft mit anderen Lebewesen, kommen heute überaus zuverlässig aus der
Genetik.
Die meisten Kreationisten insistieren dennoch weiterhin, dass wir nie etwas authentisches gefunden hätten das "halb Affe und halb Mensch" war. Aufgrund dieser unglaublichen Starrheit sind sie stets bemüht all die gefundenen Formen entweder strikt in Affen und Menschen zu unterteilen (wobei sich die verschiedenen kreationistischen Richtungen, Gruppen und Vereinigungen dabei
nichtmal annähernd einig sind) oder sie einfach zu ignorieren/leugnen und weiter auf ihrem Standpunkt, der Mensch sei in seiner biologischen Form auf magische Weise ganz besonders geschaffen und nicht mit den anderen Lebewesen auf der Erde verwandt, zu beharren. Was freilich molekularbiologisch, genetisch, physiologisch und paläontologisch gesehen lächerlich ist.
Die offizielle Positon der Katholischen Kirche hierzu und einige sich daraus ergebende theologische Fragestellungen werde ich bei Zeiten auch noch behandeln. Nur soviel vorweg: Die Tatsache unserer biologischen Abstammung aus dem Tierreich wird vom Vatikan vollumfänglich anerkannt. Gerade Joseph Ratzinger hat bereits vor über 40 Jahren sehr Eindrückliches und Schönes darüber geschrieben. Und es ist wirklich ein schöner Gedanke, der auch das biblischen Wort oftmals in einem neuem Licht erstrahlen lässt.
Es ist interessant: heute beobachten wir in der Tierwelt große Vielfalt in den einzelnen Gattungen: viele nah verwandte Spezies. Wir Homo sapiens sind heute die einzige verbliebene Spezies unserer Gattung. Aber das war nicht immer so: Zeitweilig gab es zahlreiche Hominina Spezies die zeitgleich auf diesem Planeten lebten.