Freitag, 28. Mai 2021

Wie Theologie heute funktioniert - 2

Am 30. April fand eine Fachtagung der zum Bistum Essen gehörigen "Katholischen Akademie Die Wolfsburg" unter dem Titel "Segen für alle. Segensfeiern für gleichgeschlechtliche Paare" statt. Der Essener Generalvikar Pfeffer begrüßte und führte in die Tagung. Alle Vorträge können seit einer Woche HIER angesehen werden. Dabei kamen Vertreter vieler theologischer Disziplinen zu Wort und verkündeten einmütig und nicht wenig traurig/verbittert ("froh" war da wohl keiner... komisch), dass die Segnung gleichgeschlechtlicher Verbindungen ein Gebot der Stunde sei und im übrigen sowieso keine tragfähigen Argumente dagegen stünden. Ich finde diese Tagung bedenkenswert, weil sie den theologischen Mainstream in Deutschland mit allen Abgründigkeiten sehr zutreffend repräsentiert.


Ich habe mir nicht alles angesehen, aber besonders heraus sticht für mich bisher der Vortrag des Tübinger Neutestamentlers Michael Theobald. Im Kern argumentiert er: Weil die Bibel nichts davon wisse, dass Homosexualität auch Veranlagung sei, wie wir sie heute verstünden, urteile sie folglich gar nicht über den sittlichen Wert dessen, was heute darunter verstanden wird (aber in Gal 3,28 ließt Theobald dann doch Homo- und Heterosexuelle hinein, wobei er diese Stelle sowieso dermaßen grundfalsch versteht, dass es der Beschreibung spottet [nur soviel: es hat was mit der Taufe zutun!]). Über die Aussagen des Apostels Paulus am Beginn des Römerbriefes sagt er: "Wenn Gott die Menschen zur Strafe für ihren Götzendienst an ihre sündhafte Leidenschaften preisgibt [so Paulus], kann hier nicht von Veranlagung die Rede sein, sondern nur von entschlusshaften, sündhaften Taten, die unter das Gericht Gottes fallen."

Damit sagt er nichts anderes, als dass Gottes Gebote dann nicht gelten, wenn eine Handlung "aus Veranlagung" getan wird. Die Gebote gelten nur für "entschlusshafte" Taten (implizit mitgesagt: gegen die eigene Veranlagung). Damit entmündigt Theobald faktisch alle, die eine homosexuelle Veranlagung haben und sie ausleben, er sagt ihnen: Ihr könnt nichts dafür, ihr müsst so handeln, es ist eure Veranlagung; aber keine Sorge, dafür verurteilt euch Gott nicht, denn er hat euch schließlich so geschaffen.

Dass Menschen trotz Veranlagung auch anders handeln können, kommt ihm nicht in den Sinn. Auch nicht, dass mit dem exakt gleichen Argument z.B. auch Pädophile endgültig rehabilitiert sind: Die können nichts dafür, sie sind eben pädophil veranlagt, darum können wir das nicht als Sünde verurteilen. Dass Paulus mit der ganzen jüdischen Tradition gleichgeschlechtlichen Verkehrt als "widernatürlich" klassifiziert, wischt er mit einem Zitat des evangelischen Neutestamentlers Michael Wolter hinweg: "Was Menschen[!] als natürliches und als widernatürliches Handeln bezeichnen, ist in Wahrheit nichts anderes, als eine kulturelle Konstruktion."

Das gilt dann folglich auch für Pädophilie, Inzest, Sodomie, Nekrophilie...? Nicht Gottes Wille, sondern alles nur gesellschaftliche Konstruktion.


Theobald versucht am Beginn seines Vortrags auch, seinen Hörern zu verklickern, dass man in Rom geteilter Meinung zu dem Thema sei: Die Päpstliche Bibelkommission (die zur Kongregation für die Glaubenslehre gehört) sei demnach einer ganz anderen Meinung als die Kongregation für die Glaubenslehre. Das kann er natürlich nur behaupten, weil er das Dokument jener Kommission von 2019 "Was ist der Mensch?" (hier; der entsprechende Abschnitt ist hier auf Deutsch verfügbar) sehr selektiv zitiert und für den Rest seines Vortrags das Gegenteil von dem behauptet, was die Bibelkommission sagt.

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