[…] Wenn der Zölibat der Weltpriester
nicht eine gemeinschaftliche kirchliche Form ist, sondern eine
private Entscheidung, dann verliert er seinen wesentlichen
theologischen Gehalt und seine entscheidende persönliche Fundierung,
denn dann hört er auf, ein von der Kirche getragenes Zeichen zu sein
und wird zur privaten Absonderlichkeit. Dann ist er nicht mehr
zeichenhafter Verzicht um des im Glauben übernommenen Dienstes
willen, sondern Eigenbrötelei, die deshalb mit gutem Grund
verschwindet.
[…] Wichtiger ist zum andern das Prinzipielle,
um das es geht: Ihre Argumentation setzt voraus, dass als Zölibatäre
nur Menschen passen, die ohnedies nicht heiraten wollen oder können.
Aber damit steht doch alles auf dem Kopf. Der Zölibat ist ein
sittlich und religiös belangvolles Phänomen nur und gerade dadurch,
dass Menschen um Gottes und seines Dienstes willen auf den
grundlegenden menschlichen Wert der Ehe verzichten, die an sich zur
Ehe fähig und willens wären. Wenn der Kreis der Zölibatäre ein
Verein von Hagestolzen ist, ist er nichts wert. Wichtig wird er
allein dadurch, dass Menschen um des Herrn willen und um in der
Kirche das gemeinschaftliche Zeichen ihrer Hoffnung auf den Herrn zu
geben, das preisgeben, was sie nicht preisgeben Würden, wenn nicht
dieses gemeinschaftliche und öffentliche Zeichen ihnen einen neuen
Aufttrag und eine neue Weise der Erfüllung setzen würde.
[…]
Wenn Sie vom Charisma der Ehelosigkeit sprechen, sieht es so aus, als
sei das Charisma eine naturale Angelegenheit, die man hat, wie man
Zähne oder Augen hat. Nun können auch Zähne ausfallen und Augen
schwach werden, d. h., auch die Gaben der Natur sind nicht schlicht
da, sondern bedürfen der Pflege. […] Die Zerbrechlichkeit des
Charismas ist eher noch größer; jedenfalls ist es nicht einfach
»da«. »Charisma« der Ehelosigkeit bedeutet, dass mir im Ringen
mit dem Herrn und mit mir selbst, im Mitglauben und Mitleben mit der
Kirche, im Getragenwerden durch die Menschen in ihr, ihr Gebet, ihr
Wort, ihr Dienen und Leiden die Kraft wird, mich einem Ruf zur
Verfügung zu stellen, der mir zugemessen ist, und diesen Ruf in
allen seinen Dimensionen zu bestehen, in ihn hineinzureifen Tag um
Tag, durch Abstiege und Aufstiege, durch Regen und Sonne hindurch,
wie es dem Vorgang des Reifens wesentlich ist. […] Weil es so ist,
kann das Zutrauen zum Zölibat in den jungen Menschen zerredet werden
und das beweist dann nicht, dass sie kein »Charisma« haben, sondern
dass dem Charisma der Raum verbaut worden ist. Dass es heute weniger
»Berufungen« gibt als in Ihrer und in meiner Generation, liegt doch
nicht daran, dass Gott sich weniger um die Kirche kümmert oder dass
er sich etwas anderes für sie ausgedacht hat, sondern daran, dass
die Kirche müde geworden ist und ihm keinen Einlass gewährt. Wie
soll sich ein junger Mensch für das eschatologische Abenteuer des
Zölibats entscheiden können, wenn die Kirche selbst nicht mehr zu
wissen scheint, ob sie es noch wollen soll? Im Drama der Entscheidung
wiegt jedes Wort, und allzu leicht kann man den Boden in einem
Augenblick wegziehen, der über Ia oder Nein, über die Kraft des
Bestehens oder die Unkraft des Zurückweichens definitiv entscheidet.
[…] Natürlich ist er heute in vieler Hinsicht ungleich
schwerer als vor fünfzig Jahren. Aber die sexuelle Verwilderung, die
die Menschen mit ihren Produkten an jeder Straßenecke überfällt,
steht doch der Ehe genauso entgegen wie dem Zölibat. […] Auch die
Ehe kann nur im Widerstand gegen die »Atmosphäre« von heute gelebt
werden, und die unter Klerikern manchmal genährte Vorstellung, man
brauche nur in die Ehe zu fliehen, um alle Probleme los zu sein,
verkennt doch den Trend des Heute ebenso wie den inneren Anspruch der
Ehe, die im Mut und der Geduld derer, die den Weg des Zölibats
gehen, ihre stärkste Stütze und Bejahung findet.
Schließlich:
Natürlich gibt es Zölibatsverfehlungen und ungünstige psychische
Auswirkungen, wo er unter falschen Voraussetzungen angegangen wurde.
Aber auch das sollte man nicht verbergen, dass die Ehe vor ähnlichen
Gefahren keineswegs immunisiert. Und über den Negativa sollten wir
doch nicht vergessen, wie viele reife und große Gestalten in der
Schule des Priestertums der katholischen Kirche herangewachsen sind;
hätte es sie nicht gegeben, hätten wir doch alle nicht den Weg zu
diesem unzeitgemäßen und gerade darin so zeitgemäßen Wagnis
gefunden.
[…]
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