Mittwoch, 27. März 2019

Dürftige Theologie - 19 - Meinungen

Bitte die Einführung (hier) beachten!
 

Bischof Helmut Dieser von Aachen gab neulich (hier) ein erfrischend unaufgeregtes und nicht nach Aufmerksamkeit heischendes Interview. Dennoch sind manche Aussagen durchaus hinterfragbar. Dass etwa der Bischof meint, "momentan" nicht für das Frauenpriestertum eintreten zu können, verschweigt die simple Tatsache, dass es unerheblich ist, ob er dafür eintritt oder nicht: es geht nicht. Und das rührt auch schon an den Hauptpunkt, an dem es mich juckt, wenn der Bischof etwa sagt: "Wir müssen uns darum die Mühe machen, miteinander so zu reden, dass die verschiedenen Meinungen wirklich einander begegnen können."

Zwar ist dann noch irgendwo die Rede von einer "Wahrheitserkenntnis", aber dieses große Wort wirkt etwas schal, wenn das damit Bezeichnete darauf folgend in ein banales Zuhören aufgelöst wird.

Ich habe kein Problem mit divergierenden Meinungen und Ansichten. Problematisch wird es, wenn von unterschiedlichen Meinungen geredet wird, wo es nicht um Meinungen geht, sondern um Wahrheit. Beispiel Frauenpriestertum. Es ist völlig unerheblich, was meine persönliche Meinung dazu ist. Es gab eine Zeit, da war ich der Meinung, man müsse Frauen auch weihen. Diese Meinung hatte ich so lange, bis mir aufgefallen ist, dass es nicht möglich ist. Genausogut könnte ich der Meinung sein, die Erde sei eine Scheibe. Diese Meinung darf ich zwar gerne haben, aber dann bin ich eben eher geisteskrank.

Es gibt soetwas, das nennt man den "Christlichen Glauben". Dieser hat Inhalte die uns bekannt sind, weil sie uns offenbart, das heißt schlicht: gesagt, verkündet wurden. Das sind so Dinge wie die Menschwerdung Gottes, die Auferstehung Jesu... Dinge halt, die sich beispielsweise im Glaubensbekenntnis finden. Aber auch viele andere Dinge, die sich nicht in altchristlichen Glaubensbekenntnissen wiederfinden, weil sie zur Zeit ihrer Abfassung ganz einfach allgemein akzeptiert waren (denn jene Bekenntnisse wurden i.d.R. formuliert, um je aktuellen Irrlehren zu begegnen, etwa solchen, die die Gottheit Jesu ablehnen, woraufhin es dann im  Credo heißt "Wahrer Gott vom wahren Gott etc."), z.B. die reale Gegenwart Jesu Christi in der Eucharistie (die gleichfalls erst dann lehramtlich in eine gewisse Form gegossen wurde, als sie von einigen bestritten wurde: Reformatoren).
[Genau auf der selben Linie gab Paul VI. 1968, in den nachkonziliaren Wirren, das "Credo des Gottesvolkes" heraus, das den katholischen Glauben in seinen wentlichen Punkten durchbuchstabiert... leider wurde es etwa hier in Deutschland konsequent und durchaus absichtlich totgeschwiegen.]

Unterschiedliche Meinungen sind gut und fruchtbar, wo sie sinnvoll und angebracht sind. Aber es gibt Dinge - wir können sie auch unter dem Stichwort "Wirklichkeit" (oder "Realität" oder "so ist es") zusammenfassen - bei denen ist es eher weniger sinnvoll, unterschiedliche Meinungen zu haben. So ist eben nicht eine Frage der Meinung, ob die Erde flach oder kugelförmig ist, oder ob sie sich um die Sonne bewegt oder andersherum.
Definierte Inhalte des Glaubens (und damit notwendig in Verbindung stehende Sachverhalte) sind auch Wirklichkeit. Entweder ist Gott in seinem Wort wirklich Mensch geworden und hat unter uns gewohnt, ist gestorben und auferstanden am dritten Tag, oder er ist es nicht. Wir Christen glauben, dass er es ist, somit gehören diese Tatsachen (und andere) für den gläubigen Menschen (darum heißt der so) zu jenem Bereich "Wirklichkeit".

Ähnlich wie bei der Form und Bewegung unseres Planeten, kann man nun zwar trotz allem unterschiedlicher Meinung sein hinsichtlich der definierten Glaubenswahrheiten, aber dann befindet sich irgendwer eben im Widerspruch zur Wirklichkeit. 

Die Form und Bewegung des Planeten lässt sich anhand von empirischen Untersuchungen klären. Wie es sich um die Inhalte des Glaubens verhält, ist einerseits schwieriger, andererseits aber doch auch leichter zu eruieren: Denn der Glaube kommt vom hören: »Wie sollen sie nun den anrufen, an den sie nicht glauben? Wie sollen sie an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie hören, wenn niemand verkündet?« (Röm 10,14) Und Glauben muss man letztlich auch wollen!

Natürlich gibt es Spielraum in dem, was ich zuvor der Einfachheit halber auf einen knappen Begriff gebracht habe. Natürlich lässt sich etwa die Gegenawart Jesu in der Eucharistie auf vielfältige Weise beschreiben (auch Trient sagt von der Transsubstantiation nur, dass sie "treffend" [convenienter] das beschreibt, was in der Wandlung geschieht, es sagt nicht, dass dies die einzige Weise ist, wie man dieses Geheimnis fassen und verstehen kann). Ebenso ist die Form der Erde mit "kugelförmig" nicht abschließend beschrieben, zumal wir wissen, dass sie natürlich keine perfekte Kugel ist (dann gäbe es keine Berge und Täler...), sondern z.B. ein klein wenig abgeflacht ist, da sie zum Äquator hin minimal ausladender wird.
Aber trotz dieses Spielraumes, gibt es doch eine erkennbare (bzw. im Glauben anzunehmende) Wirklichkeit jenseits dieses Spielraumes, die zu bestreiten zwar möglich, aber schwerlich sinnvoll ist.

Wenn nun also überall davon geredet wird, dass es in bestimmten Punkten unterschiedliche Meinungen gibt, muss immer darauf geschaut werden, worum es konkret geht und was die "Meinungen" beinhalten. Handelt es sich um Meinungen, die dem Glauben der Kirche widersprechen, dann sind sie für jedweden Dialog über diesen Glauben wertlos, ja sogar schädlich. Die Grenzen jenes Spielraumes sind nicht immer klar, aber öfter als man gemeinhin denkt sind sie es durchaus, man lese dafür den Katechismus.

Ich habe für mich vor meiner Taufe klar bekommen, dass ich den ganzen Glauben der Kirche teilen und in meinem Leben halten möchte, auch in den Punkten, die ich (noch) nicht verstehe, oder (noch) nicht kenne. Man spricht hier theologisch vom "impliziten Glauben". Mit der Zeit, und nicht zuletzt durch langwierige Lektüre verschiedener Katechismen (wobei es auch dort eine gewisse Rangfolge der Verlässlichkeit und Authentizität gibt), hat sich mein Wissen von diesem Glauben vermehrt, was mir sehr dabei geholfen hat, sinnvolle von unsinnigen Meinungen zu unterscheiden. Wenn etwa ein Katholik die Meinung vertritt, dass die Eucharistie "ein Zeichen der Liebe Gottes" sei, dann weiß ich, dass diese Meinung bestenfalls mangelhaft (weil grob unvollständig, in dem Fall fehlt das Wörtchen "auch" am Beginn), schlimmstenfalls falsch (weil falsch, wenn in dieser Form für den Äußernden vollständig und abschließend) ist.

Auch wenn das jetzt völlig unzeitgemäß ist: Es gibt Richtig/Wahr und Falsch. Und ich weiß nicht, ob es jemals in der Kirchengeschichte so viel Falsches gab, das tagtäglich aus Theologen- und Bischofsmund gedrungen ist, wie heute... und es scheint von Woche zu Woche mehr zu werden.

Zu dem obigen Pauluszitat gehört, dass das Verkündigte geglaubt, genauer: dass den Verkündigern geglaubt wird. Ich finde es zunehmend schwieriger, den amtlichen Verkündigern irgendetwas zu glauben... Grundprinzip für Paulus ist, dass er nicht seine eigene Meinung als Gottes Wille ausgibt: »vor allem habe ich euch überliefert, was auch ich empfangen habe« (1. Kor 15,3). Paulus achtet stets penibel darauf, was seine Ansichten sind und was von Gott kommt (man lese nur mal ebd. 7,8-16). Heute scheint es beim Blick auf Äußerungen von Bischöfen, etwa beim erwähnten Aachener Bischof, beinahe nur noch "Meinungen" zu geben. Das Empfangene (tradierte), das es weiterzugeben, zu überliefern gilt, taucht nicht mehr auf.
Erschwerend kommt dann noch hinzu, dass jene Meinungen - denen leider nichts "vom Herrn Empfangenes" mehr gegenübergestellt wird -, im Unterschied zum Völkerapostel, meist nicht (im obigen Beispiel freundlicherweise doch) als Meinungen gekennzeichnet sind.

Ich dürste nach Wahrheit. Meinungen interessieren mich in meinem Durst nicht. 
Meinungen füllen die Kabarett-Shows, die politischen Foren und die Stammtische. Gut so, da gehören sie hin. Sie füllen aber nicht die Kirchen. Der Glaube kommt vom Hören, er braucht darum Verkündiger. Meinungen können nun aber per Definition nicht Gegenstand von Verkündigung sein. Sie können Gegenstand von Ansprachen sein, sie können Aufwiegeln und Verdummen, manchmal aufrütteln und anspornen, wenn ich eine ähnliche Meinung vertrete. Aber sie können nicht den Durst nach Leben, Wahrheit, Licht - kurz: nach Gott - stillen.


Es mutet schon etwas grotesk an: Paulus redet vom Hören in überdeutlicher Abhängigkeit zur Verkündigung. Bischof Dieser (und eine exponentiell wachsende Zahl seiner Mitbrüder im bischöflichen Amt in Deutschland und anderswo) verzichtet auf die Verkündigung zugunsten von Meinungen und verlegt sich (der er eigentlich der Verkündigende sein sollte) ganz aufs Hören. Das ist ein kurioser Trend, der schon echt witzig sein könnte, wenn es nicht so bitterernst wäre: Die, deren erste Aufgabe das Verkündigen ist, überbieten sich gegenseitig darin, wer sich am meisten (und am öffentlichkeitswirksamsten) den Menschen gegenüber als "Zuhörer" gerieren kann. Das wird noch grotesker, wenn man bedenkt, dass es eigentlich Aufgabe der Verkündiger ist, auf Gott und sein Wort zu hören, um dann dementsprechend zu lehren...

Da wird der Hirt zum Schaf, oder andersherum draufgeschaut und als logische Konsequenz davon: der Bock zum Gärtner gemacht.


Ich habe seit geraumer Zeit durchaus nicht das Gefühl, von Hirten geleitet zu werden, es ist eher so eine beklemmende Ahnung, von Tagelöhnern alleingelassen zu werden. (Vielleicht ist auch deswegen dieser Blog die letzten Jahre eher inaktiv...)


»Der gute Hirt gibt sein Leben hin für die Schafe. Der bezahlte Knecht aber, der nicht Hirt ist und dem die Schafe nicht gehören, sieht den Wolf kommen, lässt die Schafe im Stich und flieht; und der Wolf reißt sie und zerstreut sie. Er flieht, weil er nur ein bezahlter Knecht ist und ihm an den Schafen nichts liegt. Ich bin der gute Hirt; ich kenne die Meinen und die Meinen kennen mich, wie mich der Vater kennt und ich den Vater kenne; und ich gebe mein Leben hin für die Schafe.« (Joh 10,11b-15)

»Die Aufgabe aber, das geschriebene oder überlieferte Wort Gottes verbindlich zu erklären, ist nur dem lebendigen Lehramt der Kirche anvertraut, dessen Vollmacht im Namen Jesu Christi ausgeübt wird. Das Lehramt ist nicht über dem Wort Gottes, sondern dient ihm, indem es nichts lehrt, als was überliefert ist, weil es das Wort Gottes aus göttlichem Auftrag und mit dem Beistand des Heiligen Geistes voll Ehrfurcht hört, heilig bewahrt und treu auslegt und weil es alles, was es als von Gott geoffenbart zu glauben vorlegt, aus diesem einen Schatz des Glaubens schöpft.« (Vaticanum II, DV 10)  


Dieser Beitrag ist gewissermaßen eine Fortsetzung der Nummer 18 in dieser Serie (Perspektive) von vor 3,5 Jahren.

1 Kommentar:

  1. Schön, dass du wieder schreibst! Ich sollte das auch wieder tun ...

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Ich freue mich über Meinungen, (sinnvolles) Feedback und Hinweise aller Art. Fragen sind auch immer willkommen, eine Garantie ihrer Beantwortung kann ich freilich nicht geben. Nonsens (z.B. Verschwörungstheorien, atheistisches Geblubber und Esoterik) wird gelöscht. Trolle finden hier keine Nahrung.