Der
Exeget Martin Ebner hat vor ein paar Tagen ein Interview gegeben (hier),
in dem er behauptet, das Neue Testament kenne kein christliches
Priestertum. Wem das bekannt vorkommt: Das gleiche hat er vor
zwei Monaten schonmal öffentlichkeitswirksam behauptet (hier), siehe auch seine beiden Beiträge auf feinschwarz.net hier und hier.
Natürlich hat beide Male katholisch.de die Story aufgegriffen, denn
was könnte "katholischer" sein, als in schöner
Regelmäßigkeit das katholische Priestertum öffentlich als
evangeliumswidrig hinzustellen… Diese Taktik fördert ganz bestimmt Berufungen zum Priestertum und die allgemeine Festigkeit im Glauben!
Wie
für seine Profession üblich, arbeitet Ebner mit einem geschickten
Mix aus wahren Aussagen, Halbwahrheiten, Andeutungen,
Falschbehauptungen und Auslassungen.
Ebner:
„Erst ab dem 3. Jh. n. Chr. gibt es Priester in christlichen
Gemeinden.“
Ja
und nein. Es ist richtig, dass zu Anfang die Bezeichnung „Priester“
(gr. ἱερεύς, hiereus) keine nennenswerte Rolle spielte, das
hängt aber v.a. mit dem reichhaltigen Vorhandensein heidnischer
„Priester“ zusammen. Wie bei vielen anderen Dingen auch, konnten
sich die Christen erst nach und nach bestimmte Begriffe oder Symbole
aneignen (z.B. das Symbol des Kreuzes), sei es, dass sie sich vorher
erst vergewissern mussten, sei es, dass Missverständnisse (z.B.
Vergleiche mit heidnischen Kulten) vermieden werden mussten. Es ist
nicht weiter verwunderlich, dass die Christen Zeit brauchten, um ihre
eigene (Symbol-)Sprache zu finden für das, was sie glauben und
leben.
Was
Ebner nicht sieht oder sehen will (oder seinen Lesern absichtlich
verschweigt), ist, dass zwar der Begriff des „Priesters“ (gr.
hiereus) in den ersten zwei Jahrhunderten der Kirche unüblich war
und etwa im NT nicht für die Verantwortungsträger in den
christlichen Gemeinden auftaucht, aber die Sache selbst gab es
durchaus und von Anfang an (s.u.).
Ebner
fährt fort: „Für christliche Gemeinden sind Priester nicht
vorgesehen. Und zwar nicht deshalb, weil es keine gegeben hätte.
Nach Apg 6,7 sind auch viele Tempelpriester christusgläubig
geworden. Aber sie haben keine Funktion in den Gemeinden. Und zwar
aus prinzipiellen Gründen. Denn verschiedene Schriften des Neuen
Testaments entwickeln eine Gemeindetheologie, die alles, was zur Zeit
Jesu streng an die priesterlichen Opferriten im Tempel gebunden war,
in die Hände der Getauften legt.“
Ja
und nein. Es stimmt: Für Priester des Alten Bundes(!) gab es keine
rituelle Funktion in den christlichen Gemeinden. Aber weiß Ebner
nicht, dass es einen Unterschied gibt zwischen der rituellen Feier
des Alten Bundes und der des Neuen Bundes? Die Sensation von Ebners
Festsellung hält sich in Grenzen, wenn man nur etwa an Jesu Rede vom
neuen Wein in neuen Schläuchen denkt: Es hat sich eben etwas
geändert. Ein Priester in Israel ist etwas anderes, als ein Priester
im Christentum, so wie ein Priester in einem heidnischen Kult nochmal
etwas anderes ist. Vielleicht um genau dieses Missverständnis zu
vermeiden, dem Ebner hier seine Leser mutwillig unterwirft, haben die
Christen zu Anfang den Begriff „Priester“ (gr. hiereus) für ihre
Amtsträger vermieden.
Dass
das christliche Priestertum etwas ganz anderes ist, als was vorher
oder im Umfeld des Christentums existierte, verdeutlicht schon die
simplen Tatsache, dass es nur im Christentum das Sakrament der
Priesterweihe gibt. Die christlichen Sakramente haben Vorbilder im
Alten Bund (Beschneidung – Taufe, Paschalamm – Eucharistie,
Salbung von Priester und Hohepriester – Weihesakrament,
Reinigungsbad – Beichte), weswegen etwa Thomas von Aquin und andere
Gelehrte durchaus von echten Sakramenten des Alten Bundes sprechen.
Thomas sprach der Beschneidung sogar sündenvergebende Kraft zu
(bezogen auf die Erbsünde). Ich vermute, dass Ebner Sakramente
generell ablehnt, jedenfalls wäre das die logische Konsequenz seiner
Position.
Ebners
Feststellung darüber, dass „Opferriten im Tempel“ „in die
Hände der Getauften“ gelegt wurden ist derweil richtiger Unsinn,
denn die Christen haben mit den Opferriten im Tempel einfach nichts
zu tun! Die ersten Christen gingen natürlich in den Tempel,
schließlich war es nach wie vor Haus Gottes, in dem Gottes Wort
verkündet wurde. In Ermangelung eines Neuen Testaments, waren die
heiligen Schriften der Juden auch die einzigen heiligen Schriften der
ersten Christen, darum konnten sie sich sozusagen für den
„Wortgottesdienst“ im Tempel aufhalten (und um zu missionieren).
Aber an den Opfern beteiligten sie sich eben gerade nicht, denn sie
hatten ihr eigenes Opfermahl zu Feiern, das ihnen Jesus selbst
aufgetragen hat. Und das taten sie nicht im Tempel, sondern in ihren
Häusern: „Tag für Tag verharrten sie einmütig im Tempel [...]
brachen in ihren Häusern das Brot“ (Apg 2,46). (Man beachte auch: sie brachen täglich das Brot, die Eucharistie ist also nicht nur etwas für die Sonntage; und, anders als das Pessach der Juden, ist das Neue, was der Herr den seinen zu seinem Gedächtnis auftrug, erst recht nicht nur einmal jährlich zu feiern.)
Nein,
was „an die priesterlichen Opferriten im Tempel gebunden war“
wurde nicht „in die Hände der Getauften“ gelegt, sondern es
betraf die Getauften schlicht nicht!
Ebner:
„Wer der Eucharistiefeier vorstehen soll, wird im Neuen Testament
nirgends problematisiert.“
Ja
und nein. Richtig ist, dass diese spezielle Frage nach dem Vorsteher
der Eucharistie in den uns überlieferten Texten nicht explizit
behandelt wird. Aber damit führt Ebner seine Leser in die Irre: Er
greift dieses spezielle Thema heraus, weil er weiß, dass die
Ämterfrage zwar zugespitzt auf diese eine spezifische Aufgabe des
Vorstehers bei der Eucharistie nicht ausdrücklich behandelt wird,
aber die Ämterfrage generell wird sehr wohl gestellt, und es geht
dabei um mehr als nur die (zeitweise) Übernahme von Funktionen.
Ich
finde es faszinierend, dass Ebner behauptet, es gäbe kein
christliches Priestertum, er aber die wesentlichste Aufgabe, die das
von ihm Verneinte seit 2000 Jahren erfüllt, nicht über diese
Wegwerfformel hinaus thematisiert. Er wischt es beiseite mit „das
wurde nicht problematisiert“… Also: Die Eucharistie. Die
Tradition sieht genau dort den Ursprung des Priestertums. Jesus sagt
schwer betroffen: „Mit großer Sehnsucht habe ich danach verlangt,
vor meinem Leiden dieses Paschamahl mit euch zu essen. […] Tut dies
zu meinem Gedächtnis!“ (Lk 22,15.19) Die Kirche hat Jesus beim
Wort genommen: Seine Sehnsucht war es, mit diesem auserwählten Kreis
von Leuten, seinen Aposteln, dieses besondere Mahl zu halten. Nicht
mit den 72 „anderen Jüngern“ (Lk 10,1); nicht mit den
zahlreichen „Frauen in seiner Nachfolge“ (Lk 23,55; Mk 15,41),
die ihn begleiteten, beherbergten und unterstützten; nicht mit den
5000, die er in Galiläa gespeist hat (Mt 14,21); nicht mit den
„Mühseligen und Beladenen“ von der Straße (Mt 11,28). Sondern
hier an diesem Punkt wollte er nur mit seinen Aposteln zusammen sein,
und nur diesen zwölf offenbart er etwa unverschämtes, nämlich
seinen Leib und sein Blut in Brots- und Weingestalt. Und er erteilt
ihnen(!) den klaren Auftrag, diesen Kult zu vollziehen zu seinem
Gedächtnis. Der Vorsitz bei der Eucharistie ist darum zugleich der höchste Ausdruck von Leitung und Autorität in der christlichen Gemeinde, denn durch diese Feier wird sie konstituiert.
Ebner
kann das christliche Priestertum nur für nicht existent erklären,
indem er es am alttestamentlichen Priestertum misst, das natürlich
mit dem Neuen Bund in Jesu Blut hinfällig geworden ist. Das Eigene
des neutestamentlichen Bundesschlusses (und das faktische Leben in
den christlichen Gemeinden) muss Ebner für seine Argumentation
ausklammern, im Grunde redet er also am Thema vorbei.
Tatsächlich
finden wir auch im Neuen Testament eine Fülle von Diensten (Ämtern),
die nicht allen, sondern eben nur bestimmten Gemeindegliedern
zukommen bzw. übertragen werden. Ausdrücklich heißt es, Jesus(!)
„setzte die einen als Apostel ein, andere als Propheten, andere als
Evangelisten, andere als Hirten und Lehrer“ (Eph 4,11). Eigentlich
simpel: „Es gibt verschiedene Dienste“, sagt Paulus, wie es auch
„verschiedene Gnadengaben“ und „verschiedene Kräfte“ gibt
(1Kor 12,4-6). Aber es gibt nur einen Gott und Herrn, Jesus Christus!
Wir
haben sogar einen recht genauen Bericht davon, wie neue Ämter für den
Dienst an der christlichen Gemeinde eingerichtet wurden: In Kapitel 6
der Apostelgeschichte wird das Amt der Diakone geschaffen, die sich
„dem Dienst an den Tischen widmen“ sollen: „Männer von gutem
Ruf und voll Geist und Weisheit“ (Apg 6,2-3). Wir sehen dabei auch,
dass solche Ämter rituell übertragen wurden: „Sie ließen sie vor
die Apostel hintreten und diese legten ihnen unter Gebet die Hände
auf.“ (V. 6) Ähnlich mit den „Ältesten“: Paulus und Barnabas
„setzten für sie [= die neu gewonnenen Jünger] in jeder Gemeinde
Älteste ein und empfahlen sie unter Gebet und Fasten dem Herrn“
(Apg 14,23). An anderer Stelle lesen wir, wie Paulus den Timotheus an
die Gnade erinnert, die ihm „durch die Auflegung meiner Hände
zuteilgeworden ist“ (2Tim 1,6), und dass dieser selbst „keinem
vorschnell die Hände auf[legen]“ (1Tim 5,22) soll. Diese Praxis
kommt übrigens, wie die Sakramente überhaupt, nicht von
irgendwoher, sondern schließt durchaus an die Tradition des Alten
Bundes an: Schon Mose hatte dem Josua die Hände aufgelegt, um ihm
seine Vollmacht weiterzugeben (vgl. Num 27,20-23).
Zwar
hat Ebner mit der Feststellung recht, dass es im NT den Begriff
„Priester“ (gr. hiereus) für diese Ämter nicht gibt, aber die
simpelste Erwiderung darauf lautet: Na und? Auch den Begriff
„Trinität“ finden wir nicht im NT, ist also der Glaube an den
dreieinen Gott falsch?
Es
steht außer Zweifel, dass bereits im Neuen Testament bestimmte Ämter
durch „Handauflegung und Gebet“ an ausgewählte und entsprechend
geprüfte Gemeindemitglieder „hierarchisch“ (d.h. von „oben“,
von den Aposteln ausgehend) übertragen wurden. Genau das ist in
schöner Kontinuität bis heute ein wesentliches Element des Lebens
der Kirche. Ebner hat natürlich ein Problem damit, darum unterlässt er es tunlichst, diese Tatsache zu erwähnen oder er entsorgt sie einfach als nicht relevant für die Frage. Neben den schon
zitierten Evangelisten, Lehrern, Propheten etc. gab es auch drei
Bezeichnungen, insbesondere für die „Leitungsebene“ in den
Gemeinden und für diejenigen, die autoritativ lehrten und den
Glauben verteidigten, die uns heute nur allzu vertraut sind, wenn sie
auch im NT noch nicht die exakt gleiche Bedeutung oder
Aufgabenzuweisung haben, wie dies später der Fall war oder wie es
heute der Fall ist.
-
Diakon (gr. διάkovoς;
dt. Diener/Gesandter): „Ebenso müssen Diakone sein: achtbar, nicht
doppelzüngig, nicht dem Wein ergeben und nicht gewinnsüchtig; sie
sollen mit reinem Gewissen am Geheimnis des Glaubens festhalten. Auch
sie soll man vorher prüfen, und nur wenn sie unbescholten sind,
sollen sie ihren Dienst ausüben.“ (1Tim 3,8-10)
-
Presbyter (gr. πρεσβύτερος;
dt. Ältester): „Presbyter, die das Amt des Vorstehers gut
versehen, verdienen doppelte Anerkennung, besonders solche, die sich
mit ganzer Kraft dem Wort und der Lehre widmen.“ (1Tim 5,17)
-
Episkop (gr. ἐπίσκοπος;
dt. Aufseher): „Denn der Episkop muss unbescholten sein als
Haushalter Gottes, nicht überheblich und jähzornig, kein Trinker,
nicht gewalttätig, nicht habgierig, sondern gastfreundlich, das Gute
liebend; besonnen, gerecht, fromm und beherrscht, einer, der sich an
das zuverlässige Wort hält, das der Lehre entspricht, damit er in
der Lage ist, in der gesunden Lehre zu unterweisen und die
Widersprechenden zu überführen.“ (Tit 1,7-9)
Davon
leiten sich unsere modernen deutschen Wörter „Diakon“,
„Priester“ und „Bischof“ ab. Dass das griechische Wort für
„Priester“ (gr. hiereus) in den frühesten christlichen Gemeinden
nicht in Gebrauch war, ist unerheblich. Letztlich mag es Zufall sein,
dass sich gerade diese drei Begriffe für ein dreigliedriges Amt
durchgesetzt haben und wir heute keine Ämter mit der Bezeichnung
„Evangelist“ und „Prophet“ mehr haben. Das spielt aber
keine Rolle: Es gab von Anfang an solche Leitungs- und Lehrämter,
und es gibt sie bis heute. Das ist das Entscheidende, nicht, wie
diese Ämter heißen.
Es
ist inzwischen allgemein üblich, auf die Geschichtlichkeit der
Kirche zu pochen, die sich nicht losgelöst von Zeitumständen
entwickelt hat und auch weiterhin entwickeln wird. Und das stimmt
auch! Interessanterweise provozieren Leute wie Ebner jedoch den
Verdacht, dass sie diese Geschichtlichkeit aber dann doch wieder
leugnen, weil offenbar etwas heute (oder seit 1800 Jahren) nicht sein
darf, was nicht eindeutig und klar bereits im Neuen Testament genau
so zu finden ist. Ebner behauptet: Es gibt im NT keine „Priester“
(gr. hiereus), darum darf es sie auch nie geben, und wenn es sie
gibt, dann ist das ein Missstand, der gegen das von Jesus gepredigte
Evangelium verstößt.
Ebner
und andere leugnen nicht die Geschichtlichkeit der Kirche – sie
selbst wollen diese Geschichte ja in Richtung Zukunft mitbestimmen!
–, aber sie sprechen der faktischen Entwicklung der Kirche
und ihrer Ämter jegliche Legitimität ab, weil sie nicht ihren
Wünschen gemäß verlaufen ist. Es darf einfach nicht sein, dass
alles, was die Kirche heute glaubt und lebt im NT bereits zumindest
keimhaft zu finden ist und sich später so entfaltet hat, wie es das
eben getan hat. Dann ignoriert man eben die im NT bezeugten Ämter
oder erklärt diese Bezeugungen „wissenschaftlich“ für
irrelevant. Das hat aber nichts mit Wissenschaftlichkeit zu tun, das
ist einfach nur Ideologie. Welche Arroganz daraus spricht, 2000 Jahre
Kirchengeschichte an den eigenen billigen Meinungen und drögen
Vorlieben zu messen...
Die
Implikation dieser Position ist freilich unausweichlich: Die Kirche – damit meine ich nicht nur die katholische Kirche: alle „alten“
Kirchen, ob nun ost- und
westsyrisch, koptisch, äthiopisch, armenisch, oder byzantinisch, haben
das dreigliedrige Priestertum –
hat sich offenbar 1800 Jahre lang geirrt, und jetzt kommt Herr Ebner
(+ Kollegen) und führt sie – endlich, nach so vielen Jahrhunderten des Irrtums! – auf den einzig wahren Weg des Evangeliums zurück... Aber eine
Kirche, die sich (mindestens) 1800 Jahre lang in etwas so
Grundlegendem wie dem Aufbau des Volkes Gottes so völlig geirrt hat,
kann nicht „Säule und Fundament der Wahrheit“ (1Tim 3,15) sein.
Die Zusage Jesu, der Heilige Geist werde „euch alles lehren und
euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe“ (Joh 14,26) ist
dann Schall und Rauch; der Kirche könnte man dann grundsätzlich
nichts glauben. Auch die von der Kirche – von all den zuvor genannten Kirchen – uns bis heute überlieferte Heilige Schrift ist dann in Gänze unzuverlässig und alles, was Ebner über das Vorkommen oder Nichtvorkommen von Begriffen im NT redet, ist somit letztlich auch egal. Ebner und seine Gesinnungsgenossen ziehen sich, wie üblich, selbst den Boden unter den Füßen weg und merken es noch nicht mal.
Spannende finde ich es, dass sogar der Vergleich mit dem alttestamentlichen
Priestertum Ebners These durchaus nicht sonderlich stützt.
Zunächst: Viel ist
die Rede vom „gemeinsamen Priestertum“ aller Getauften – Ebner erwähnt das komischerweise nicht –, dass wir,
die Christen, „ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche
Priesterschaft, ein heiliger Stamm“ (1Petr 2,9) sind. Das ist übrigens keine
nachkonziliare Neuentdeckung, schon vorher sprach man unter Theologen
zuweilen, wenn auch etwas umständlich, vom „Laienpriestertum“. Peinlich für viele, die auf dieses gemeinsame Priestertum pochen, ist indes, dass es biblisch in Jesu Kreuzesopfer begründet ist, weil sich darin Jesus als Hohepriester und Opfer zugleich offenbarte: „sein Blut“ macht uns zu Priestern (vgl. Offb 1,5-6; 5,9-10). Die Kirche ist Leib Christi, des einzigen Hohepriesters, also
ist das ganze Volk Gottes „priesterlich“.
Jedenfalls:
Was gerne unerwähnt bleibt ist, dass auch schon das Volk des Alten
Bundes „ein Königreich von Priestern und [...] ein heiliges Volk“
(Ex 19,6; vgl. 23,22) genannt wurde. Obwohl es also ein „Königreich von
Priestern“ war, hatte Israel dennoch „Priester“ in einem
engeren, besonderen Sinne. Das
gemeinsame Priestertum aller Getauften, das es in analoger Weise auch
schon bei den „Beschnittenen“ gab (siehe Thomas: Beschneidung als
Sakrament), schließt also in keiner Weise die Existenz eines
besonderen Priestertums aus. Im Gegenteil: Ein priesterliches Volk
ist geradezu die notwendige Voraussetzung für ein besonderes
Priestertum des Dienstes. Weil
die Christen ein priesterliches Volk sind, kann es besondere
priesterliche Ämter geben, wie
dies auch im Alten Bund der Fall war.
Klar
kann man nun behaupten „aber im Neuen Bund ist das eben anders“,
aber dann muss man das belegen. Die im ganzen NT klar bezeugten Ämter
in den frühen christlichen Gemeinden sprechen jedenfalls eindeutig
dagegen. Natürlich gibt es Dinge, die im Neuen Bund „anders“
sind, Jesus war stets bereit, etwa die Rückbesinnung auf den
„Anfang“ ins Spiel zu bringen, was jedoch regelmäßig nicht eine
Entspannung, sondern eine Verschärfung brachte (vgl. Ehebruch und
Scheidung); aber nirgends hat Jesus besonderen priesterlichen Ämtern
eine Absage erteilt.
Zwischen
dem priesterlichen Volk im AT und dem priesterlichen Volk im NT gibt
es indes eine bemerkenswerte Verschiebung des „Rasters“, wenn man
so will: Während im Alten Bund alle drei Ebenen – Hohepriester,
Priester, Volk – rein menschlich sind, gilt mit Christus eine
andere Logik: Er, Christus, ist der Hohepriester (vgl. Hebr 9,11),
womit das Richtige an Ebners Behauptung in den Blick kommt: Was im
Alten Bund nur für Priester galt, gilt nun für das ganze Volk, denn
alle Getauften haben Zutritt zum Heiligtum, das Jesus Christus selbst ist.
Aber es bleibt dennoch die Möglichkeit eines besonderen
priesterlichen Dienstes offen, der für das Volk, das „in der Welt“ lebt, unmittelbarer dem Allerheiligsten
dient und es in geistlichen Dingen leitet, wie es ausgerechnet der Apostel Paulus vormacht, der von sich sagt, er würde dem „Evangelium Gottes wie ein Priester“ dienen (Röm 15,16).
Man beachte, dass das Priestertum aller Christen immer in einem eindeutig kultischen Kontext aufkommt; es geht nie um „Gemeindeleitung“, „Macht“ oder „Partizipation“, sondern um die Verherrlichung Gottes und die Verkündigung des Evangeliums: Die Christen sind Priester, „um
durch Jesus Christus geistige Opfer darzubringen, die Gott gefallen
[und] damit ihr die großen Taten dessen verkündet, der euch aus der
Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen hat.“ (1Petr 2,5.9) Zur Frage nach (Leitungs)Ämtern in der Kirche sagt das gemeinsame Priestertum also gar nichts aus. Dass es nicht nur faktisch in den ersten christlichen Gemeinden bereits eine sich entwickelnde Ämterstruktur gab, sondern dass
Jesus selbst menschliche Hirten gewollt hat für die, die ihm nachfolgen, ist schließlich
unbezweifelbar, wie er nach seiner Auferstehung gegenüber Petrus
deutlich machte: „Weide meine Lämmer! [...] Weide meine Schafe! [...]
Weide meine Schafe!“(Joh 21,15-17)
Für Ebner gab es am Beginn des Christentums kein besonderes Priestertum, alle Christen waren gleich, niemand tat etwas, was nicht auch ein anderer tun konnte. Es gab ihm zufolge folglich auch keine Opfer (denn das hieße, dass jemand es darbringt, und jemand anders nicht), sondern nur ein gemeinschaftliches Mahl. Wohl am schlagkräftigsten lässt sich alles das mit Klemens von Rom widerlegen, der in seinem Brief an die korinthische Gemeinde genau auf diese Themen eingeht... Es gibt indes keinen Grund, anzunehmen, dass irgendetwas daran „neu“ war oder es von der korinthischen oder anderen Gemeinden als unchristlich abgetan wurde, Klemens legt einfach nur dar, was schon zu seiner Zeit allgemein üblich war. Welche Zeit ist das? Nun, wir können Klemens ruhig zu jener frühesten Zeit des Christentums rechnen, sein Brief ist wahrscheinlich älter als manche Schriften des Neuen Testaments (insbesondere die des Johannes). Zum Kontext: In Korinth war damals im Grunde das gleiche passiert, womit ein paar jahrzehnte zuvor bereits Paulus zu kämpfen hatte, nämlich die Infragestellung der heiligen Ordnung der Feier der Eucharistie, und damit zugleich die Ordnung der Dienstämter. Klemens schreibt in den Kapiteln 40, 42 und 44 seines Briefes das Folgende:
»40,1. Da uns also dieses ganz klar ist, und wir weit hinabgedrungen sind in die Tiefen der göttlichen Erkenntnis, müssen wir alles ordnungsgemäß tun, was der Herr an bestimmten Zeiten zu erfüllen angeordnet hat. 2. Er wollte, dass Opfer und Gottesdienst gehalten werde, aber nicht aufs Geratewohl und ohne Ordnung solle es geschehen, sondern zu festgesetzten Zeiten und Stunden. 3. Wo und durch wen er es verrichtet wissen will, hat er nach seinem allerhöchsten Willen selbst bestimmt, damit alles heiligmäßig geschehe und so in Wohlgefallen aufgenommen werde von seinem Willen. 4. Die nun ihre Opfer darbringen zur vorgeschriebenen Zeit, sind wohlgefällig und selig; denn wenn sie den Gesetzen des Herrn nachkommen, sündigen sie nicht. 5. Dem obersten Priester sind nämlich eigene Verrichtungen zugeteilt, auch den Priestern ist ihr eigener Platz angewiesen, und den Leviten obliegen eigene Dienstleistungen; der Laie ist an die Laienvorschriften gebunden.
42,1. Die Apostel haben uns das Evangelium verkündet, (das sie) vom Herrn Jesus Christus (bekommen haben), Jesus Christus aber ist gesandt von Gott. 2. Christus ist also von Gott und die Apostel von Christus (gesandt); beides ist demnach geschehen in aller Ordnung nach dem Willen Gottes. 3. Sie empfingen also ihre Aufträge, wurden durch die Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus mit Gewissheit erfüllt, wurden im Glauben an das Wort Gottes gefestigt, und dann zogen sie voll des Heiligen Geistes hinaus zur Predigt, dass das Reich Gottes nahe sei. 4. Indem sie nun in Ländern und Städten predigten, setzten sie die Erstlingsfrüchte ihrer (Predigt), nach vorhergegangener Prüfung im Geiste, zu Bischöfen und Diakonen der zukünftigen Gläubigen ein. 5. Und dies war nichts Neues; denn schon seit langer Zeit war geschrieben über Bischöfe und Diakone. So nämlich sagt einmal die Schrift: „Ich will einsetzen ihre Bischöfe in Gerechtigkeit und ihre Diakone in Treue“ [Jes 60,17; ungenau zitiert].
44,1. Auch unsere Apostel wussten durch unseren Herrn Jesus Christus, dass Streit entstehen werde um die Bischofswürde. 2. Aus diesem Grunde setzten sie auch, da sie eine genaue Kenntnis hiervon zum voraus erhalten hatten, die oben Genannten ein und gaben ihnen dazu Auftrag, dass, wenn sie entschlafen wären, andere erprobte Männer ihren Dienst übernähmen.«
Fassen
wir zusammen: Ebner leugnet die Legitimität besonderer, mit
Autorität und Lehrgewalt versehener Ämter in der christlichen
Gemeinde, indem er alle entsprechenden Zeugnisse aus dem NT einfach
ignoriert. Das sei kein Thema gewesen, das wurde nicht
problematisiert. Die Ämterfrage wurde im NT aber durchaus
problematisiert, weswegen Paulus der zerstrittenen Gemeinde in
Korinth die rhetorische Frage stellen muss: „Sind etwa alle
Apostel, alle Propheten, alle Lehrer? Haben alle die Kraft,
Machttaten zu wirken?“ (1Kor 12,29) Die Antwort ist natürlich:
Nein! Heute haben wir in Deutschland offenbar genau das gleiche
Problem erneut (nichts Neues unter der Sonne), und solche dümmlichen
Behauptungen wie die von Ebner sind ein wesentlicher Grund dafür.