In den frühesten
Anfängen, noch bevor das Wort »Christen« gebildet wurde, hieß die
christliche Religion einfach »Weg«. Nicht weniger als sechsmal finden
wir diese Bezeichnung in der Apostelgeschichte, die uns von der ersten
Phase der geschichtlichen Entfaltung des Christentums berichtet. »Ich
habe diesen Weg verfolgt«, bekennt zum Beispiel der heilige
Paulus in seiner Rede vor den Juden im Tempelvorhof, und er will damit
sagen, dass er die Christen verfolgt habe (Apg 22,4). Wenn das
Christentum Weg genannt wird, so bedeutet dies, dass es vor allem eine
bestimmte Art zu leben vorzeichnete. Glaube ist nicht bloße Theorie, er
ist vor allem ein »Weg«, das heißt eine Praxis. Die neuen Überzeugungen,
die er schenkt, haben einen unmittelbar praktischen Inhalt. Glaube
schließt Moral ein und zwar nicht bloß allgemeine Ideale. Er gibt
vielmehr konkrete Weisungen für das menschliche Leben. Gerade durch ihre
Moral unterschieden sich die Christen in der antiken Welt von den
anderen; gerade so wurde ihr Glaube als etwas Neues, unverwechselbar
Eigenes sichtbar. Ein Christentum, das nicht mehr gemeinsamer Weg wäre,
sondern nur noch unbestimmte Ideale verkünden würde, wäre nicht mehr das
Christentum Jesu Christi und seiner unmittelbaren Jünger. Deswegen ist
es eine bleibende Aufgabe der Kirche, Weggemeinschaft zu sein und
konkret den Weg des rechten Lebens zu zeigen.
(aus: Joseph Ratzinger, Glaube als Weg. Hinführung zur Enzyklika des Papstes über die Grundlagen der Moral [Veritatis splendor])
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