Wie ich leider heute erst erfahren habe, verstarb am 17. Juli der Theologe Alex Stock im Alter von 79 Jahren.
Er ist selbst in Fachkreisen verhältnismäßig wenig bekannt, taucht in der Öffentlichkeit faktisch nicht auf und wird vom theologischen Mainstream, wenn er denn bekannt ist, zuweilen bewusst ignoriert. Nicht selten hört man den Vorwurf, er würde garkeine echte Theologie betreiben. Wenn man den theologischen Mainstream als "echte Theologie" betrachtet, dann stimmt das wohl auch. Tatsächlich ist sein Schaffen schlichtweg einzigartig. Und m. E. einfach großartig, überwältigend.
Sein Hauptwerk ist die "Poetische Dogmatik", die von manchem als "Summa Theologiae des 21. Jahrunderts" gepriesen wird. Aber eigentlich ist sie etwas sehr viel Spezielleres und Ästhetischeres: Zwei Jahrtausende christlicher Kultur in Gebet, Lyrik, Prosa, Musik, Bild, Architektur sind darin umfassend erschlossen zur Erhellung des Glaubens, der sie einst hervorbrachte. Schon vor Beginn meines Studiums hat mich das Werk fasziniert und es begleitet mich bis heute (trotz des horrenden Preises, den der Autor selbst, wie er mir einmal sagte, sehr bedauerte, und der wohl auch der Nische abseits des Mainstreams geschuldet ist, in die die Theologie ihn gesteckt hat).
Viel hat sich Alex Stock auch mit der Sprache des Gottesdienstes befasst und dazu u.a. eigene Übersetzungen und Erklärungen der Orationen des römischen Messbuches vorgelegt, die nicht nur der Sprache des lateinischen Originals, sondern v.a. dem theologischen Inhalt so viel mehr gerecht werden, als die gegenwärtige offizielle Übersetzung - die viel zu oft eine schwammige Nacherzählung/Umdichtung mit Hang zum niveaulosen und schon in der Textgestalt irgendwie immer gleich klingenden Einheitsbrei ist.
Vor fünf Jahren, bevor der neunte Band des Gesamtwerkes, der zweite Band der Schöpfungslehre ("Menschen"), erschien, hatte ich die Gelegenheit, ein für den Kontext (am Rande einer wissenschaftlichen Tagung) erstaunlich ausführliches Gespräch mit ihm zu führen (ein Glücksfall, denn v.a. wegen ihm bin ich überhaupt zu der Tagung gegangen, die sich dann insgesamt als überaus bereichernd herausstellte, wie keine andere Fachtagung, an der ich bisher war). Er wusste damals nicht, ob er noch Zeit haben würde, das Werk weiterzuführen. Der Begrenztheit seiner Zeit war er sich sehr wohl bewusst. Ich glaube nicht, dass er zweifelte, ob er sich mit der Größe des Projektes übernommen hatte - er nahm die Zeit, die ihm zugeteilt war und ich spürte keine Spur von Verdruss. Wir sprachen u.a. über die mögliche Komposition dieses eventuell kommenden Bandes.
Ich war tief beeindruckt von der Klarheit und schier unermesslichen Weite seines Denkens. Er war so universal belesen wie wohl kein anderer lebender Theologe (am ehesten noch vergleichbar mit Hans Urs von Balthasar; vgl. hier). Nun ist, nur eine Woche vor seinem Tod!, der elfte und letzte Band erschienen, der zweite der Ekklesiologie ("Zeit"). Das Werk ist abgeschlossen. Deo gratias! Ganz zum Schluss seines Schaffens, bietet Stock darin sogar einen Vorschlag für eine Liturgie des Requiem (190-196)...
Ein ausführlicher und sehr würdiger Nachruf findet sich hier.
R.I.P.
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