Sonntag, 15. Mai 2016
Die Frau als Abbild des Geistes
»Und den Heiligen Geist, wer spiegelt Ihn? Neben den eigentlichen Geistträgern und -spendern wie Propheten, Denker, Dichter, vor allem die Frauen: in beiden Ebenen: die Mütter und Herrinnen den Herrn und Lebendigmacher; die "begeisternde" geliebte, die die Welt schöner macht, den Geist, der die Welt "schmückt".
In einem Ehekommentar fand ich neulich den grandiosen Gedanken aus dem Genesis-Kommentar von Cornelius a Lapide: "Gott wollte in der Erschaffung von Adam und Eva seine ewige Zeugung und Hauchung nachbilden. Wie Er nämlich von Ewigkeit her den Sohn zeugt und aus dem Sohn den Heiligen geist haucht, so hat er in der Zeit Adam nach Seinem Bild geschaffen, ihn gleichsam als Seinen Sohn gezeugt und aus ihm schuf Er Eva, damit sie die Liebe Adams sei, wie der Heilige Geist die Liebe Gottes ist."
Das leuchtet mir viel stärker ein als die übliche trinitarische Deutung der Familie! Schon weil ja die Ein-Kind-Ehe keineswegs Urbild der Familie ist.
Baadersche Gedanken weiterspinnend, könnte man noch sagen: Eva ist demnach die irdische Darstellung der Gnade, - die "Gehilfing", Beistand - Trösterin - "ihm zur Seite" - übrigens lauter Umschreibungen für den Paraclet!! zugleich gratia, charis, die Sichtbarkeit der Huld. Durch den Fall hat sie diesen Charakter weitgehend verloren, ist zum Ausdruck der Hilfsbedürftigkeit (nicht Hilflosigkeit!) geworden. Darum ist erst Maria wieder gratia plena. Also wäre es der Ur-Auftrag der Frau, die Sichtbarkeit der Gnade zu sein? Im Frauendienst wird es übrigens deutlich, daß die Menschen sich manchmal dessen bewußt waren. Es ist schon ein höchst aufregendes Phänomen - sozusagen eine "Epiphanie" der Frau, mitten in einer Welt, der sie praktisch als besseres Haustier, in der Reflexion als das Symbol der Niedrigkeit, Dienstbarkeit, des Fleisches, der Verführung - Eva plus, Schlange Frau, Welt - galt. Man kann sagen, was man will über die zweifellos vorhandenen Exzesse und Depravierungen des praktischen Minnedienstes, der zum Society-Sport geworden war. Aber die Dichter - wie bezeichnend, daß es Dichter waren, die ihn aufbrachen! - haben eben doch eine echte Inspiration gehabt.
Die "Dame" des Minnesangs aktiviert den Mann zum Helden - ohne selber an seiner Mühsal teilzunehmen - wieder ein Kennzeichen der "Gnade"! - nur dadurch, daß sie "da" ist, "vor seinem Angesicht"; aus dem Aufblick zu ihr empfängt er Kraft und Führung: die Weise, wie die "Gehilfin von oben", die Sophia, wirkt.«
(I.F. Görres, aus einer Meditation zu Pfingsten)
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