Es war in den letzten Wochen recht amüsant, die Diskussionen zu beobachten, die um die pro multis Entscheidung des Papstes geführt werden.
Da ich mich auch Jobmäßig gerade mit genau diesem Thema beschäftigen darf, war es besonders erhellend zu beobachten, mit welch haarsträubenden und immer wieder auch gegenteiligen "Argumenten" und Vorwürfen da hantiert wurde und wird.
Der eine unterstellt dem Papst eine Anbiederung an die Piusleute (weil: traditionskonform); der andere an die Protestanten (weil: schriftkonform). Ein Brüller! Der eine sieht darin eine Gängelung der (deutschen) Bischöfe, der andere einen päpstlichen Willkürakt (was sich nicht viel gibt). Der eine wirft dem Papst mangelnde Kenntnisse vor und behauptet, ein "für viele" stünde im Widerspruch zum (der Phantasie offenen, weil nicht überlieferten) hebräischen "Original" (weil angeblich das Hebräiche kein Wort für "alle" kenne, was jedoch nicht stimmt); der andere, es sei das dem Hebräischen einzig Entsprechende. Der eine (Katholik) hält es für exegetisch unmöglich; der nächste (Protestant) für exegetisch eindeutig klar und richtig. Der eine behauptet einen Traditionsbruch ("pro multis" sei schon immer als "für alle" verstanden worden); der andere für einen Bruch mit der modernen Gesellschaft, die keinen Heilsexklusivismus vertrage (das Wort "Entweltlichung" wird hier zuweilen zweckentfremdet).
Mal ist die deutsche Sprache der Zankapfel, mal das (für die Liturgie der abendländischen Kirche zunächstmal maßgebliche) Latein, mal der griechische Bibeltext, mal das schon erwähnte Hebräische "Original"... etc. etc. etc.
Natürlich würde eine Lektüre des Briefes, mit dem der Papst die Bischöfe angewiesen hat, die Worte zu ändern, völlig genügen, um zu verstehen, was dahinter steht. Und schon eine sporadische Vertrautheit mit den Schriften Joseph Ratzingers müsste genügen um zu sehen, dass ihm das keineswegs ein "neues" Anliegen ist.
Man kann es auch anders haben: Man muss nur den Römischen Katechismus aufschlagen (ja, das alte Ding aus dem 16. Jahrhundert) und findet dort eine Erklärung, wie sie in ihrer Einsichtigkeit von keinem Fach- oder Amateurkommentator, dem ich in diesen Wochen begegnet bin, erreicht wurde.
Da heißt es:
»Aber jene Worte, welche beigefügt sind; "für euch und für viele" sind teils aus Matthäus, teils aus Lukas entnommen, von der heiligen Kirche aber, welche vom Heiligen Geist belehrt ist, verbunden worden und dienen dazu, um die Frucht und den Nutzen des Leidens zu verdeutlichen. Denn wenn wir die Kraft desselben betrachten, so muss man sagen, dass der Heiland sein Blut für das Heil aller vergossen hat; wenn wir aber die Frucht, welche die Menschen daraus ziehen, im Auge haben, werden wir leicht ersehen, dass dessen Nutzen nicht allen, sondern nur vielen zuteil werde. Indem er also "für euch" sagte, meingte er damit entweder die Anwesenden oder die Auserkorenen des Judenvolkes, wie die Jünger waren, mit Ausnahme des Judas, mit welchen er redete. Wenn er aber beifügte: "für viele", so wollte er darunter die übrigen Auserwählten aus den Juden und Heiden verstanden wissen. Es ist also mit Recht geschen, dass nicht gesagt wurde "für alle", da hier bloß von den Früchten des Leidens die Rede war, welches doch nur den Auserwählten die Frucht des Heiles gebracht hat.«
(Catechismus Romanus, II, 4,24; vgl. auch KKK 1339, 1371)
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