»Die Kirche Jesu Christi ist „katholisch“. Und das meint weit mehr als „römisch-katholisch“ in seiner konkreten Gestalt. Katholizität, so hat es der französische Jesuit Henri de Lubac (1896–1991) durch beharrliche Studien herausgearbeitet, ist ein Zielbild, geschichtlich stets eine Herausforderung und niemals Besitzstand, den es zu verteidigen gilt. „Der Katholizismus [...] ist die Form, die die Menschheit annehmen soll“, schreibt de Lubac, „um endlich sie selbst zu werden. Er ist die einzige Wirklichkeit, die, um zu sein, es nicht nötig hat, sich entgegenzusetzen, also alles andere als eine ‚geschlossene Gesellschaft‘“ (Henri de Lubac, Glauben aus der Liebe [„Catholicisme“, 1938 erschienen]. Übertragen und eingeleitet von Hans Urs von Balthasar, Einsiedeln-Freiburg 1992, 263: Weiter spricht er davon, den Katholizismus zeichne eine Unduldsamkeit seiner Grundsätze und zugleich eine unendlich umfassende Geschmeidigkeit aus). Katholisch, das ist gelebte Verbundenheit, nicht konfessionelle Enge, nicht Abschottung und Identität durch Grenzziehungen. [...] Katholizität meint Verbundenheit. Um dieses Zielbild zu verwirklichen, müssen wir wohl noch etliche Barrieren überwinden, Durchbrüche wagen und bisher gültige Denkweisen verändern – und zuallererst demütig bekennen, wie sehr wir uns in der Kirche an unseren eigenen Geschwistern schuldig gemacht haben; wie sehr wir deren Leben belastet und ihnen die Verbundenheit verwehrt haben.«
Bätzing möchte mit allen Menschen "verbunden" sein, und meint damit v.a., dass die Kirche alles, was diese Menschen tun, etwa in ihren Betten, akzeptieren soll.
Damit verkehrt er die Aussage von de Lubac in ihr genaues Gegenteil. Ja, de Lubac sagt: »Die Kirche ist überall zu Hause, und jeder soll sich in der Kirche zuhause fühlen können« (ebd.), aber er wäre nie auf den Gedanken gekommen, dass dies bedeuten könnte, dass sich die Kirche entsprechend an alles anpassen müsse, am wenigsten in Sachen der Moral. De Lubac stellt vielmehr klar, dass die Kirche "ohne jede Naivität" auf die Menschen zugeht, d.h. sie nimmt nicht einfach alles an, sondern sie unterscheidet, sucht das "Gute" und das "Wahre" und meidet zugleich den Irrtum (ebd. 264-265) [gemäß der Mahnung des Paulus: »Prüft alles und behaltet das Gute!« (1Thess 5,21) Immer Eingedenk des darauffolgenden Verses: »Meidet das Böse in jeder Gestalt!« Vgl. ebd. 254-256]. Die sichtbare Katholizität, die sich in der Vielfalt zeigt, die sie beherbergt, ist so letztlich Ausdruck ihres inneren Reichtums.
Kurioserweise nennt de Lubac sodann etwas beim Namen, was Bätzing eigentlich die Schamesröte ins Gesicht treiben müsste, denn er, Bätzing, tut genau das, was du Lubac hier verwirft, bis in die Wortwahl ("verbinden") hinein:
»So wenig die Methode der Kirche naiv ist, so wenig ist sie synkretistisch. Künstlich erzeugt und häufig das Werk von Verwaltungsinstanzen und Gelehrten, setzt der Synkretismus einen niedergehenden Glauben voraus. Er ist eine Beleidigung des lebendigen Gottes. Im Geistigen ist er unfruchtbar wie die Politik und die Philosophie, der er entstammt. Er erniedrigt und verflacht alle Elemente, die er verbindet [...].«
Genau da sind wir: Die Kirche (in Deutschland!) ist im Niedergang begriffen und Bätzing möchte durch Verwaltungsinstanzen und mit gelehrten Redelsführern (suizidaler Weg) das Ruder herumreißen, indem er einen Synkretismus fabriziert, der allerlei wesentliche Elemente des Katholischen erniedrigt und verflacht (z.B. das Priestertum und eben die Moral).
Die Kirche kann Heimat für alle Menschen sein, weil sie die Fülle der Gnade und der Wahrheit Gottes ihr eigen weiß. Als Christen glauben wir, dass einer der Weg, die Wahrheit und das Leben für alle Menschen ist. Dass die Kirche "katholisch" ist bedeutet gerade nicht, dass sie allen Menschen angepasst werden kann oder gar soll, sondern im Gegenteil, dass alle Menschen sich ihr anschließen können auch in ihrer Strenge und Klarheit. De Lubac weiter (durchaus kämpferisch):
»Endlich kann hier auch nicht von "Liberalismus" die Rede sein, von Willfährigkeit gegenüber dem Irrtum oder vom Schalwerden des evangelischen Salzes. Wie das Christentum in der ganzen Strenge seiner Forderungen vorgetragen werden muss, so muss man es auch in seiner ganzen Reinheit hervortreten lassen. Es wäre sträflich, die sanfte Strenge des Evangeliums zu verschleiern; aber nicht weniger, es mit überflüssigem Ballast zu beschweren; dies hat schon das erste Konzil verkündet. Und wenn es auch ausgemacht ist, dass das Bekehrungswerk in seinem Wesen nicht darin besteht, die übernatürliche Wahrheit zu adaptieren, sie auf das menschliche Maß herabzudrücken, sondern umgekehrt den Menschen ihr anzupassen und ihn zum Maß dieser Wahrheit, die ihn beherrscht und ihn richtet, zu erheben, so müssen gerade wir, ihre Diener, uns vor nichts so sehr hüten als vor einer lästerlichen Verwechslung unserer Geschmäcker, unserer Gewohnheiten, unserer Vorurteile, unserer Leidenschaften, unserer Beschränktheiten und Schwächen mit der göttlichen Religion, von der wir noch so wenig durchdrungen sind. Wir sollen die Seelen für Gott, nicht für uns gewinnen, und ihnen. Gott schenken, statt uns selbst ihnen aufdrängen. Wenn man dies für Liberalismus hält, so ist es jedenfalls kein anderer als der der Liebe. Da mihi amantem et scit quid dicam.
Das große Beispiel des hl. Paulus ist am geeignetsten, vor jeder hier möglichen Verwechslung im voraus zu sichern. Keiner schämte sich weniger als Paulus, das Ärgernis des Kreuzes zur Schau zu tragen, und keiner fürchtete mehr als er, dessen Kraft abzustumpfen. Keiner hat vorbehaltloser als er die Notwendigkeit verkündet, mit dem Irrtum und der Sünde zu brechen und sich selbst zu sterben, um ein neues Leben in Christus zu leben: "Fegt aus den alten Sauerteig und seid ein neuer Teig." Aber Paulus weigert sich, auf die Forderungen der judaisierenden Christen einzugehen. Er erhebt sich sogar gegen jene, die seine Kühnheit einschüchtert. Geschieht es einzig deshalb, "um, wie er selbst sagt, dem Evangelium kein Hindernis zu schaffen" oder "für Christus eine große Menge" Heiden zu gewinnen? Diese Absicht erklärte sein Verhalten nicht ganz. Was den Apostel bestimmt, ist nicht vor allem das Interesse der Propaganda: es ist die Logik seines Glaubens. Seine Gegner werfen ihm vor, dass er aus politischer Klugheit das Joch des Herrn erleichtert, indem er das Gesetz aufgibt. Nein, erwidert er, nicht damit die Menschen mich gut aufnehmen, handle ich so, sondern um mich Gott verdient zu machen. Wenn ich das "Evangelium Gottes" predige, will ich es nicht "nach Menschen weise" verkünden. Weit davon entfernt, die Lehre aus Opportunitätsrücksichten zu kompromittieren, verteidigt Paulus vielmehr ihren wahren Charakter gegen die unklugen Zugeständnisse Petri. Er weigert sich, das Evangelium andern zuliebe zu ändern, weil er damit Christus untreu würde (1Kor 1,17; 5,7; 9,12 und 19-22; Gal 1,10-11; 2,11-24).Der Geist, der den Apostel leitet, ist derselbe, der noch heute die Kirche lenkt, und der durch die Stimme der letzten Päpste spricht [gemeint sind Pius IX. bis Pius XI.]. Der Weg, auf den er uns verpflichtet, ist der einzig sichere. Ihm folgen ist weder Naivität noch Synkretismus noch Liberalismus, sondern einfach Katholizismus.« (ebd. 265-267)