»Die Kirche betreibt keinen Proselytismus. Sie entwickelt sich vielmehr durch "Anziehung"«: Wie Christus mit der Kraft seiner Liebe, die im Opfer am Kreuz gipfelt, "alle an sich zieht", so erfüllt die Kirche ihre Sendung in dem Maß, in dem sie, mit Christus vereint, jedes Werk in geistlicher und konkreter Übereinstimmung mit der Liebe ihres Herrn erfüllt.«
Wie schon zuvor (hier), habe ich auch diesmal wieder Benedikt XVI. zitiert. Diesmal aus einer Ansprache die er 2007 vor der Generalversammlung der Bischöfe Lateinamerikas und der Karibik hielt (hier). Es gibt sogar eine Überlappung, wenn Papst Franziskus, wie am vergangenen Dienstag getan, als er seine morgendliche Messe zusammen mit den C8 zelebrierte, seinen Vorgänger genau im Hinblick auf die Frage des "Proselytismus" als Referenz nennt (siehe hier):
»The Church, Benedict XVI told us, does not grow through proselytism, it grows through attraction, through witness. And when the people see this witness of humility, of meekness, of mildness, they feel the need that the Prophet Zachariah spoke of: ‘We want to come with you.’ The people feel that need in the face of the witness of charity, of this humble charity, without bullying, not sufficient, humble. Worship and serve!«
Natürlich denkt Franziskus dabei genau an das oben Zitierte, denn jener Passus aus der Ansprache von Benedikt XVI. an die CELAM, der Franziskus damals vorstand!, traf sicherlich einen Nerv: Eines der größten Probleme für die Stabilität der Katholischen Kirche in Südamerika sind nämlich evangelikale und pfingstelrische christliche Gemeinschaften für die das Proselytentum ihr täglich Brot ist! Dass Franziskus dem dann mit noch mehr Nachdruck als seinerzeit bereits Benedikt eine Absage erteilt, ist mehr als verständlich.
Zur Zeit scheint es wenig anderes zu geben, als die angeblichen Häresien des Papstes. Ich hoffe mal, dass die Meldungen über "Fehler" in den veröffentlichten Versionen der Gespräche da mehr Sorgfalt zeitigen. Dass es in den Medien gerade so ein Überangebot an Papstworten gibt, kann ich verschmerzen, es sind wohl immer noch Flitterwochen, man muss sich ja kennenlernen... bald ist es überstanden und es wird wieder ruhiger.
Ich sehe in all dem keinen Grund zur Sorge und finde es befremdlich, wie man zeitgleich von Rechts wie Links aufspringt: Dort, weil man offenbar unentwegt einen schrecklich schlimmen tradistionsbrüchigen Papst befürchtet, der die Kirche dem Untergang weiht; hier, weil man offenbar unentwegt einen total tollen tradistionsbrüchigen Papst ersehnt, der die Kirche "retten" wird. Ich finde das alles nur lächerlich. Papst ist Papst.
Update (09.10.13): Ich wurde kürzlich darauf hingewiesen, dass die Kongregation für die Glaubenslehre eine recht deutliche Klärung des Begriffs "Proselytismus" vorgenommen hat, und zwar genau da wo es nötig ist: "Lehrmäßige Note zu einigen Aspekten der Evangelisierung" vom 3. Dezember 2007 (hier zu lesen). Dort heißt es:
»[Im Kontext des Ökumenismus] ist anzumerken, dass die Entscheidung eines nicht katholischen Christen, der von der katholischen Wahrheit überzeugt ist und aus Gewissensgründen darum bittet, in die volle Gemeinschaft mit der katholischen Kirche einzutreten, als Werk des Heiligen Geistes und als Ausdruck der Gewissens- und Religionsfreiheit zu respektieren ist. In diesem Fall handelt es sich nicht um Proselytismus in dem negativen Sinn, den dieser Begriff erhalten hat.«
In einer Fußnote wird dazu bemerkt:
»Ursprünglich kommt der Begriff „Proselytismus“ aus dem hebräischen Umfeld, wo derjenige als „Proselyt“ bezeichnet wurde, der aus den „Völkern“ kommend sich dem „auserwählten Volk“ angeschlossen hatte. So wurde der Begriff „Proselytismus“ auch im christlichen Bereich oft als Synonym für die missionarische Tätigkeit gebraucht. In jüngerer Zeit hat der Begriff einen negativen Beigeschmack erhalten als Werbung für die eigene Religion mit Mitteln und Beweggründen, die dem Geist des Evangeliums widersprechen und die Freiheit und Würde der Person nicht wahren. In diesem Sinn wird der Begriff „Proselytismus“ im Zusammenhang mit der ökumenischen Bewegung verstanden: vgl. The Joint Working Group between the Catholic Church and the World Council of Churches, The Challenge of Proselytism and the Calling to Common Witness (1995).«
Es liegen Meilen zwischen der Aussage von B16 und dem anderen
AntwortenLöschenWas der Papst unter "Proselytismus" versteht, geht aus seinem Gesprächsbuch mit Rabbi Skorka hervor. Er bezieht sich dabei übrigens auf ein Zitat Benedikts. Ich hatte das seinerzeit im Krzg übersetzt (sowohl die Stelle aus dem Buch als auch die Bezugsstelle aus Benedikts Magisterium).
AntwortenLöschenhttp://www.kreuzgang.org/viewtopic.php?f=3&t=15706&p=667383&hilit=Proselytismus#p667383
Danke für den Hinweis!
LöschenSorry, irgendwie hatte ich gestern überlesen, dass du dasselbe Benediktzitat ja ebenfalls im Wortlaut anführst. Was ich sagen wollte, war eigtl. nur, dass diese Kritik an überzogenem Missionierungseifer, der das Gegenüber nicht wirklich ernst nimmt, sondern nur als potentielles "Bekehrungsopfer" betrachtet (ich denke, so könnte man "Proselytismus" übersetzen), zu den klassischen Bergoglio-Sprüchen gehört (er hat ja so einige Statements, die er in verschiedenen Variationen immer wiederholt).
AntwortenLöschenSowohl Bergoglio als auch die Äußerungen Benedikts sind wohl vor allem gegen die typische, etwas aufdringliche Art gerichtet, mit der evangelikale "Menschenfänger" etwa in Lateinamerika vorgehen. Wer den spanischsprachigen Raum etwas kennt, kann aber auch die Spitze etwa gegen die ideologischen Grundlagen des Opus Dei nicht überhören, das ja bekannt ist für solche Praktiken und dessen Mitglieder ihren geistlichen Führern nicht selten Statistiken vorweisen müssen, wie viele Neumitglieder sie monatlich oder halbjährlich "gewonnen" oder zum Eintritt überredet haben. Das übereifrige "Einfangen" uninformierter Jugendlicher, die gar nicht wissen, worauf sie sich einlassen, und sich mit 14 ohne Wissen der Eltern zu lebenslanger Keuschheit verpflichteten, war und ist ja einer der Hauptkritikpunkte am Werk.
Interessant ist jedenfalls, das dass ganze Kap. 38 der Aphorismussammlung "Der Weg" von J.M. Escrivá unter der Kapitelüberschrift „Proselytismus“ genau diese Vorgehensweise ideologisch untermauert.
Nummer 793 lautet sogar explizit: „Proselytismus - das sichere Zeichen wahren Eifers.“
Die deutsche Version des Buches schreibt zwar anstelle von „Proselytismus“ etwas euphemistisch „Menschen gewinnen“, aber gemeint ist dasselbe und im Original verwendet der hl. Josefmaria auch genau dasselbe Wort wie der Papst.
Zu Escriva: Wie im letzten Zitat deutlich wird, hat der Begriff Proselytismus einen gewissen Bedeutungswandel erlebt. Daher scheint mir die "mildere" Übersetzung durchaus sinnvoll.
LöschenIch denke auch, dass es Bedeutungsunterschiede gibt, auch von Sprache zu Sprache. Im Deutschen klang "Proselytismus" nach meinem "Gefühl" wohl immer schon negativer als etwa im angelsächsischen oder auch im spanischsprachigen Raum. Gerade deshalb ist es ja interessant, weil Escrivá und Bergoglio dieselbe Muttersprache haben und dasselbe Wort verwenden. Aber du hast schon recht, solche Bedeutungen verschieben sich auch im zeitlichen Kontext.
AntwortenLöschenDas sollte nun aber nicht zur Verharmlosung eines "Proselytismus" Escrivá'scher Prägung verleiten, der inhaltlich in der Tat ziemlich genau für das steht, was Benedikt und Franz für eine katholische Mission ausdrücklich ablehnen. Hier sollte sich jeder, der das Werk nicht von innen kennt und Escrivás Persönlichkeit nicht beurteilen kann, vor schönfärberischen Rechtfertigungen hüten. Auch Heilige können sich ganz schön verrennen, das darf man nicht vergessen.