Luthers erste Messe |
Es passiert mit auffallender Häufigkeit, dass Katholiken die Ansicht vertreten, die feier der Messe in ihrer außerordentlichen Form behindere die Ökumene oder sei zumindest dieser nicht dienlich. Auch wird zuweilen sogar die Zelebrationsrichtung dafür (mit)verantwortlich gemacht.
Ich finde das immer sehr traurig. Denn es offenbart eine höchst problematische Beschränktheit des Gesichtskreises.
Zunächst: Warum "alte" Messe?
Es hat nichts damit zutun, das natürliche Werden (Entfalten) der Liturgie an irgend einem Punkt einzufrieren. Es hat nichts damit zutun, etwas zu konservieren. Leider ist das schwer verständlich zu machen, gilt man doch gemeinhin als "konservativ", wenn man die Messe in ihrer "alten" Form feiert (was eine idiotische Zuschreibung ist, weil man immer nur einen gegenwärtig vorherrschenden Zustand bewahren kann... aber der gegenwärtig vorherrschende Zustand ist nunmal gerade NICHT die Messe in Latein, die Zelebration versus dominum etc.!). Zumindest was mich betrifft, liegt mein Interesse keineswegs darin, irgendetwas an irgend einem Punkt einzufrieren. Ich weiß, dass das manche "Tradis" so denken, aber da liegt ein grober Fehler vor: Auch die Messe von 1962 ist bereits das Produkt einiger kurz zuvor erfolgter lituirgischer Reformen und Reförmchen (nicht nur was die österlichen Festivitäten anlangt). Sie ist also definitiv nicht zu zur Gänze ewig unabänderlich und unantastbar.
Worum geht es also? Es geht darum, sich mit ganzem Herzen in den reichen, erfrischenden und belebenden Strom der Tradition zu stellen. Es geht darum, das was vor 40 Jahren in aller Hast aus dem Hut gezogen wurde kritisch zu hinterfragen im Kontext der Tradition. Und wie anders ist das zu bewerkstelligen, als wenn man sich zu eigen macht, was vor der Hut-Aktion galt? Es kann wohl niemand leugnen, dass das Messbuch von 1970 eine recht überstürzte und nicht selten auch noch schlecht in die jeweiligen Landessprachen übersetze Angelegenheit ist (ich beneide die englischsprachigen Katholiken um ihre neue Übersetzung...). Es gab nie eine so rabiate Umwelzung bestehender Formen.
Was hat das aber mit Ökumene zutun? Nun: Alle nicht-katholischen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften haben sich zu irgendeinem Zeitpunkt von der Großkirche (was nicht immer die quantitative "Größe" bezeichnet, sondern die Verbundenheit mit dem Nachfolger Petri zum Kriterium hat) getrennt. Und sie alle haben danach Sonderwege beschritten. Manche langsamer, andere schneller. Ist es denn dann wirklich eine schlechte Idee, wenn man sich in die Überlieferung wieder mehr vertieft und das allen gemeinsame Erbe wieder entdeckt und kultiviert? Nota bene: Alles was in der Geschichte der katholioschen Kirche bis zum Jahr 1517 geschehen ist, ist auch die Geschichte sämtlicher Protestanten, ob sie sich dessen bewusst sind, oder nicht! Die "alte" Messe, die wir heute feiern, ist im Wesentlichen auch die Messe Luthers und, vonwegen Zelebrationsrichtung, die "treuen" Lutheraner zelebrieren heute noch am Hochaltar, empfangen das Abendmahl in den Mund und an der Kommunionbank. Warum zum Henker soll es der Ökumene abträglich sein, wenn nun Katholiken in ähnlicher Weise voll Ehrfurcht dem Herrn begegnen?
Garnicht anzufangen brauch ich eigentlich bezüglich der Kirchen des Ostens, in denen niemand je auf die Idee kam, den Zelebranten umzudrehen oder gar die Sakralsprache(!) nach belieben zu übersetzen und die lex orandi dabei aus Geratewohl zu "interpretieren".
Ein Hindernis für die Ökumene? Für die Ökumene mit irgendwelchen Evangelikalen: sicherlich. Aber warum soll das der Maßstab sein? Viel naheliegender wäre es doch, sich an den getrennten Brüdern zu orientieren, die uns noch am nächsten stehen, sowohl im Glauben wie im Vollzug desselben... und dafür ist die "alte" Messe sehr viel besser geeignet, als ihre ordentliche Form!
Long story short: Wieso soll eine Besinnung auf das gemeinsame Erbe aller Christen ein Hemmnis für die Ökumene sein? Es ist doch das Erbe auch derer, die sich, aus welchen Gründen auch immer, davon abgewandt haben! Ist es dann im Umkehrschluss also richtiger, sich gleichfalls so weit wie möglich vom Erbe der Tradition abzuwenden?
PS. Die wirklichen Konservativen sind heute die, die sich mit Händen und Füßehn dagegen wehren das (an einigen Stellen wirklich hanebüschen oder zumindest stink langweilig übertragene) Messbuch einer Revision zu unterziehen. Alles soll so (medioker) bleiben wie es ist. Einen so energischen und emotionsgeladenen Konservativismus hat es im ganzen zwanzigsten Jahrhundert nicht gegegen.
Nicht nur für die Ökumene ist die Alte Messe eine großartige Brücke, sondern auch gegenüber dem Judentum. Während man die jüdische Opfertheologie komplett aufgegeben hat, findet sie sich im 1962er Messbuch selbst im Canon wieder....
AntwortenLöschenMoooment:
AntwortenLöschen1) Was im Dialog mit dem Judentum von Bedeutung ist, ist v.a. die Sprache des Kanons (und der "alten" Liturgie überhaupt), nicht so sehr der "Inhalt". Diese Ebenen gilt es zu unterscheiden. Der katholische Opferbegriff im Hinblick auf die Eucharistie ist ein anderer, als der jüdische Opferbegriff. Allein schon, dass hier darbringender Priester und dargebrachte Gabe identisch sind, bezeugt, dass es um etwas gänzlich anderes geht. Die alttestamentlichen Opfer waren (nur) Vorbilder und Typen des Opfers Christi und der Eucharistie. Die Eucharistie ist ein Opfer sui generis. Darum kann auch Joseph Ratzinger feststellen, dass die Einsetzung der Eucharistie durch Jesus beim letzten Abendmahl ein theologisch wie religionsgeschichtlich einzigartiger Vorgang war (vgl. Jesus von Nazareth II, 137).
2) Ich schätze den römischen Kanon ungemein. Der Opfergedanke ist aber nach wie vor präsent, auch in den neuen Hochgebeten (v.a. III und IV). Und auch wenn er, wie in Hochgebet II, nicht expliziert ist, mindert das nicht seine Realität: Das Fehlen des Opferbegriffs schmälert nicht die Opferwirklichkeit des eucharistischen Geschehens. Joseph Pascher hält, nachdem er die das Opfer Christi gegenwärtig setzende Wirkung des Kanons festgestellt hat, fest: »Das wäre selbst in einer Liturgie der Fall, die nicht, gleich der römischen, mit eigenen Worten den Opfergedanken in den Kanon einbaute«. (Eucharistia, 1953, 123)
3) Der Opfergedanke wurde nicht aufgegeben, sondern er ist in der Pastoral leider viel zu sehr untergegangen... "wurde aufgegeben"... von wem denn? In den Büchern und Formularen ist er nach wie vor überall da (s. Messbuch, AEM/GORM, CIC...). So heißt es etwa im Gabengebet zum ersten Fastensonntag: »Herr, unser Gott, wir bringen Brot und Wein für das heilige Opfer, das wir zum Beginn dieser Fastenzeit feiern. Nimm mit diesen Gaben uns selbst an und vereine unsere Hingabe mit dem Opfer deines Sohnes...«