Montag, 29. März 2021

Entmündigte Theologen

Das aktuelle Aufbäumen zahlreicher Theologen gegen die römische Feststellung der immer schon geltenden Lehre bezüglich der Segnung nichtehelicher Verbindungen hat mich einmal mehr zu einem Gedanken zurückgeführt, der mich spätestens seit der Zeit meiner Diplomprüfungen in selbigem Fach immer wieder mal behelligt.

Die Theologen hierzulande, auch die „anständigen“, nicht nur der breite liberale Mainstream, sind bis auf wenige Ausnahmen in erschütternder Weise unfrei. Ich meine jene Freiheit der Kinder Gottes, von der Paulus in Paarung mit der Herrlichkeit spricht (vgl. Röm 8,21), und die zugleich jene Freiheit ist, wegen der wir „umkehren und wie die Kinder werden“ sollen (vgl. Mt 18,3). Gemeint ist die Freiheit des Bekenntnisses zu dem einen wahren Gott in drei Personen, der sich offenbart hat, der uns erlöst hat, der uns in seiner Kirche – insbesondere in den Sakramenten – leiblich, geistig und seelisch nahe ist. Ohne jetzt herablassend klingen zu wollen: Sie tun mir Leid.

Vor kurzem las ich in der Einführung zu einem Sammelband eines namhaften amerikanischen Theologen (den man hierzulande natürlich nicht kennt, weil man sich i.d.R. mit deutschsprachiger Literatur begnügt) das mit völliger Selbstverständlichkeit dargelegte Zeugnis, dass er seine (Jahrzehnte umfassende) theologische Arbeit als einen Teil seines Weges der Jüngerschaft betrachtet und als einen Weg, zu immer größerer Klarheit im Glauben zu gelangen. Von einer winzigen Anzahl abgesehen, kenne ich im deutschen Sprachraum niemanden in dem Fachbereich, der sein Wirken auch nur annähernd so zu charakterisieren in der Lage wäre – schon gar nicht öffentlich.

Soetwas tut man nicht. Das steht einem Theologen nicht gut an, denn das ist nicht „wissenschaftlich“. Nein, Theologie muss „wissenschaftlich“ sein (fatal, dass wir sprachlich nicht so schön wie im Englischen zwischen science und humanities unterscheiden können!), daher darf sie keinen freimütigen Bekenntnischarakter haben – noch nicht mal im Vorwort. Das ist keine Selbstzensur, es ist geradezu eine organisch vorgegebene Notwendigkeit, dass dies nicht geht.

Den Grund für diese Unfreiheit – die übrigens das genaue Gegenteil christlicher (erlöster) Gelassenheit ist – vermute ich in der seit Jahrzehnten alles Theologietreiben durchsäuernden Indeologisierung. In dem krankhaften Bestreben sich „wissenschaftlich“ zu geben, hat man die eigene wissenschaftliche Grundlage (= die Wahrheit der biblischen Offenbarung, wie sie vom authentischen Lehramt verbindlich vorgelegt wird, vgl. Dei verbum 10) aufgegeben, mit dem Ergebnis, dass nur noch Ideologie in Reinform übrig geblieben ist, deren Fachvertreter sich nun vorrangig mit anderen (gesellschaftlich relevanten) Wissensgebieten (stets ideologisch voreingenommen) beschäftigen müssen, um noch zumindest das Gefühl einer Daseinsberechtigung zu erzeugen. Soziologie, Psychologie, Marketing, Politik...

Vor allem aber dies schmerzt: Von einer lebendigen und heilig(end)en Liebe zu Jesus Christus und seiner Kirche ist weit und breit nichts zu spüren – überhaupt nichts.

Und selbst diejenigen, die ich als „anständige“ Theologen bezeichnet habe, betreiben zwar tatsächlich Theologie mit der ihr zukommenden wissenschaftlichen Grundlage (darum sind sie keine Häretiker), aber selbst diese Theologen gelangen nur in seltenen Ausnahmefällen zu jener Gelassenheit und Freiheit, dass sie sich freimütig zu dem, was sie beschreiben, erklären und verteidigen, bekennen können. Und noch seltener geschieht dies in einer Sprache, die inspiriert und wiederum andere zum Bekenntnis ermutigt.

Natürlich ist das religiöse und gesellschaftliche Umfeld hierzulande ein ganz anderes als in den USA, wo es sehr viel mehr Fluktuationen im religiösen Leben gibt und die US-amerikanische Zivilreligion das religiöse Bekenntnis konstant im öffentlichen Raum präsent hält. Nichts desto trotz halte ich diese Freimütigkeit, die begeistert, für genuin christlich und nötig. Andernfalls wird die Theologie nur noch bedeutungs- und v.a. fruchtloser, als sie es ohnehin schon längst ist (was aber die Herren und Damen Theologen zumeist noch nicht bemerkt haben, weil sie zu sehr mit sich selbst befasst sind).

Das gleiche Phänomen gibt es auch bei den Bischöfen zu beobachten. Bei denen ist es nochmal deutlicher, dass die übergroße Mehrheit unserer Hirten alles Mögliche sind (Bürokraten, Technokraten, Politiker etc.), aber sie sind, von wenigen Ausnahmen abgesehen, keine Zeugen für Christus. Alle salbungsvolle Rede dieser Welt kann nicht das kürzeste Bekenntnis (Jesus Christus ist der Herr!) ersetzen.

So durch ihr eigenes Tun der christlichen Freiheit beraubt, sind sie wahrhaft entmündigte Christen, sie sind faktisch nicht zum Bekenntnis in der Lage, ihr Berufsethos (wie sie es verstehen) steht dem im Wege.

Sehr schade.

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