Montag, 1. April 2013

Kulturgüter der Kirche

Hochaltar im Breisacher Münster
(Bild ist dankbar geklaut von Pro Spe Salutis
)
1994 verabschiedete die Deutsche Bischofskonferenz gemeinsam mit der "Päpstlichen Kommission für die Kulturgüter der Kirche" ein kleines nettes Papier das als "Charta der Villa Vigoni" bezeichnet wird und "Zum Schutz der kirchlichen Kulturgüter" dienen soll (als PDF hier zu finden).

Darin steht zu lesen: 

»1. Die Kufturgüter der Kirche sind der stärkste Ausdruck der christlichen Tradition, die von unzähligen Generationen von Gläubigen gelebt worden ist. Als solche stellen sie einen wesentlichen Teil des kulturellen Erbes der Menschheit dar. In gleicher Weise sind sie Manifestationen der Zuwendung Gottes zum Menschen wie des menschlichen Strebens zu Gott. Sie sind Zeugnisse der Identität und der Tradition der Völker.«

Und weiter unten:

»4. Insbesondere muß die Katholische Kirche ihre Kulturgüter als wesentliche Quelle und wichtiges Instrument ihrer pastoralen Tätigkeit zur Reevangelisierung der heutigen Welt betrachten.«

Das klingt schön. Und bedeutend.
Aber etwas juckt bei der Lektüre... und es kam mir gestern wieder in den Sinn, nachdem ich in einem schönen levitierten Hochamt gedient hatte:
Seit geraumer Zeit schon wurmt es mich, dass gerade die wohl begüterte Kirche in Deutschland so sehr bemüht ist, jede wahre liturgische Erneuerung nicht nur dergestalt zu deckeln, dass man die Einführung des neuen Messbuches künstlich bis in alle Ewigkeit verzögert und ein in dieser Hinsicht einfach nur peinliches halbgares und lächerlich zerstückeltes neues Gesangbuch herausbringt, sondern auch dahingehend, dass die nun wieder völlig freigestellte überlieferte Form des römischen Ritus in fast allen Diözesen totgeschwiegen oder sogar mehr oder minder offen gegängelt wird.

Ist denn nicht auch die Liturgie ein Kulturgut?
Da liegt der Hase im Pfeffer: Bei allem Gerede und allem Papier, in dem sich die deutsche Kirche mit "Kulturgütern" beschäftigt, redet sie, auch im oben zitierten Dokument, immer nur von "beweglichen und unbeweglichen Kulturgütern", niemals jedoch von immateriellen Kulturgütern. (2003 hat die UNESCO eine Konvention "Zum Schutz des immateriellen Kulturerbes" erlassen; hier zu finden.) Das hat man gar nicht auf dem Schirm und so ist klar, dass das keine Aufmerksamkeit bekommt. Dass gerade die Kirche, mehr noch als jedes Volk oder jede Nation, über ein schier unerschöpfliches und unermesslich wertvolles immaterielles Erbe verfügt (Strichwort: Tradition), scheint mir indes so selbstverständlich, dass ich mich doch sehr wundere, dass alles das nie irgendwo vorkommt.
Niemand würde ernsthaft einer reichen und anrührenden orthodoxen Liturgie absprechen, ein (immaterielles) Kulturgut zu sein... oder?
Warum ist das traditionelle Tanzen irgendwelcher Bajuwaren in Lederhosen um einen kahlen abgesägten Baum ein staatlich förderbares "Kulturgut", aber die uralte heilige Liturgie der Kirche dieser selben Kirche keinen Pfennig wert? 

Das ist leider kein deutsches Problem: Auch die oben erwähnte Päpstliche Kommission berücksichtigt nichts Immaterielles. In deren Profil (hier) werden als Gegenstand der Bemühungen genannt: "works of art, historical documents, books and everything kept in museums, libraries and archives"...
Mir ist schon klar, dass es Aufgabe der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung ist, über die Liturgie zu wachen. Aber wäre es nicht zumindest denkbar, dass das lebendige immaterielle Erbe der Liturgie eine gewisse Förderung im Sinne einer kulturellen Erschließung erhält, und so den Menschen innerhalb wie außerhalb der Kirche, gerade im Hinblick auf die Neuevangelisierung, wieder mehr ins Bewusstsein dringen kann? Dass also nicht nur Kelche, Patenen und kostbare Gewänder in Museen ausgestellt werden, sondern auch ihr tatsächlicher jahrtausendealter und ganz wundervoller Gebrauch anschaulich und im wahrsten Sinne erlebbar wird?

Oder anders: Ist die Transferleistung von der Pflege eines wunderschönen Hochaltars, der als beliebtes Fotomotiv auf Postkarten vermarktet und dementsprechend instand gehalten wird, hin zur Pflege und Vermittlung von dem, wozu dieser Gegenstand wohmöglich viele Jahrhunderte lang diente denn soo schwer?
Nur son Gedanke...




PS. Wenn man die "Reevangelisierung" (komisches Wort, der Begriff der "Neuevangelisierung" war doch 1994 schon lange in Gebrauch!) auch mit Hilfe der "Kulturgüter der Kirche" betreiben will, was hat man dann also vor? Will man die Leute mit Kirchtürmen, Heiligenstatuen und Brokatgewändern bewerfen? Naja... genug Munition gibt es ja, da es scheinbar nach wie vor (seit 50 Jahren...) zum guten Ton gehört, alle uns überkommene sakrale Kunst aus den sakralen(?) Räumen zu entfernen... Oder habe ich da etwas nicht verstanden?

1 Kommentar:

  1. Ich mußte gerade an die Mode denken, die in Alte-Musik-Zirkeln eine Weile angesagt: Die Rekunstruktionen von Gottesdiensten - auf der Klangbühne sozusagen, inklusive Gebeten und Lesungen. Das fing, glaube ich, hierzulande mit einer Christmette nach Praetorius an und ging mit einer Lutherischen Messe weiter, wie sie zu Bachs Zeiten in Leipzig hätte gefeiert werden können. Alsbald tauchten auch die ersten Rekonstruktionen der katholischen Totenliturgie auf mit Requiem-Vertonung der Renaissance. Bei einer dieser Einspielungen hat man sogar die Glockenzeichen zur Konsekration "eingespielt" ... ;-)

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