Mittwoch, 15. Oktober 2014

Geistliche Kommunion

verborgen anwesend
Blogger-Kollege Tarquinius hat einen zum Nachdenken anregenden Beitrag zur Frage der geistlichen Kommunion geschrieben (hier). (Ich war zu faul, die Anregung von Ed Peters selbst in die Tat umzusetzen, also: Danke dafür! ;))

Leider gibt es erstaunlich wenig Literatur zu diesem Thema, und die letzten 50 Jahre hat man offenbar gar nicht mehr darüber nachgedacht (die Gründe sind bekannt). Das ist mir schmerzlich aufgegangen in der Zeit zwischen meiner Bekehrung und meiner Taufe, als mir nunmal ausschließlich die geistliche Kommunion zur Verfügung stand.
Soweit ich das verstanden habe, ist die geistliche Kommunion stets auf die sakramentale hingeordnet, in der Art, wie ein Akt vollkommener Reue in Ermangelung eines Priesters auf den Empfang des Bußsakramentes hingeordnet ist. Heißt: Wenn es keine Möglichkeit zum Sakramentenempfang gibt (sei es aufgrund von äußeren oder inneren Faktoren), man diesen aber in der gleichen Gesinnung der Liebe und mit der gleichen Bereitschaft zur Bekehrung und Hingabe ersehnt, dann wird einem die sakramentale Gnade zuteil. Aber sobald die Möglichkeit des Empfangs sich ergibt, ist diese auch zu nutzen. Dies geschieht dann freilich nicht im Sinne eines "Nachholens" einer Pflichtübung, sondern als Realisierung dessen, was schon zuvor im Hinblick auf den tatsächlichen Empfang gewährt wurde.

Das Konzil von Trient wusste noch die drei Arten des Empfangs der heiligsten Eucharistie wohl zu unterscheiden:
»In bezug auf den Gebrauch aber haben unsere Väter richtig und klug drei Weisen, dieses heilige Sakrament zu empfangen, unterschieden.
Sie lehrten nämlich, daß manche es lediglich sakramental genießen als Sünder [d.h. sie machen sich eben dadurch schuldig!]; andere nur geistlich, nämlich jene, die, jenes vor Augen gestellte himmlische Brot dem Verlangen nach essend, mit lebendigem Glauben, "der durch die Liebe wirkt" (Gal 5,6), seine Frucht und seinen Nutzen verspüren; die dritten aber zugleich sakramental und geistlich; es sind aber diejenigen, die sich zuvor so prüfen und herrichten, daß sie, mit dem Hochzeitsgewande angetan, zu diesem göttlichen Tische hinzutreten (vgl. Mt 22,11f).«
(13. Sitzung, Kapitel 8; DH 1649)

Im Fall der geistlichen Kommunion wegen "Unwürdigkeit" (Paulus) bedeutet dies freilich einen Ansporn zur Bekehrung. Das wirft nun aber tatsächlich die Frage auf, wie das bei vorauszusehender und sogar beabsichtiger Dauerhaftigkeit des Zustandes ausschaut...
Ich nehme mir da die Worte Johannes Pauls II. zu Herzen, der am Ende des Abschnittes, der dieses leidige Thema behandelt, in FC schreibt:
»Die Kirche vertraut fest darauf; daß auch diejenigen, die sich vom Gebot des Herrn entfernt haben und noch in einer solchen Situation leben, von Gott die Gnade der Umkehr und des Heils erhalten können, wenn sie ausdauernd geblieben sind in Gebet, Buße und Liebe.«

Die Hinordnung der geistlichen Kommunion auf die sakramentale hat keine festen zeitlichen Parameter. Insofern spielt es keine Rolle, wie lange ich schmachte. Aber was Tarquinius schreibt stimmt natürlich: Ich kann nicht zugleich wahrhaft nach der Eucharistie verlangen und das Böse, das mich (objektiv!) davon abhält wollen. Eine, wie es der Römische Katechismus nennt, "Abscheu" gegen die Sünde ist eine notwendige Voraussetzung für die Hinwendung zu Gott. Ich kann nicht zugleich in zwei entgegengesetzte Richtungen blicken und nicht zugleich zwei Herren dienen. Die Internationale Theologische Kommission, die ich in meinem letzten Beitrag (hier) diesbezüglich bereits zu Wort kommen ließ, drückt das so aus: 
»Würde [die Kirche] wiederverheiratete Geschiedene zur Eucharistie zulassen, so würde sie diese Ehepartner glauben machen, sie könnten auf der Ebene der Zeichen mit dem kommunizieren, dessen eheliches Geheimnis sie auf der Ebene der Wirklichkeit ablehnen.«

Wir können den Menschen nicht ins Herz schauen. Und wir wissen nicht, was die Zukunft für den Einzelnen bringt. Was wir wissen ist, dass die Kirche der Gnade Gottes keine Grenzen setzen kann und dass der tatsächliche Verlauf dieser Grenzen, von der Hölle mal abgesehen, auch der Kirche letztlich unbekannt ist. Was die Kirche aber tut und was auch zu ihrem Daseinsgrund gehört ist, alles zu tun, um die Menschen sicher in das Vaterhaus zu bringen. Die Schafe ins Trockene, wie man so schön sagt.
Das kann man sich vielleicht in etwa wie bei einer herannahenden Flut vorstellen: Um nicht fortgerissen zu werden, kann es genügen, ein paar Meter den Hügel hinaufzugehen, so genau weiß man das nicht, bevor die Wellen tatsächlich kommen. Sicherer ist es aber, weiter hinaufzusteigen, zu versuchen, die höchste Stelle zu erreichen, solange noch Zeit bleibt.
Es ist die Aufgabe der Kirche den Leuten dieses klarzumachen: Die Gnade Gottes reicht immer weiter als wir denken. Aber wenn wir uns überhaupt nicht nach besten Kräften "nach oben" bewegen, dann dürfen wir uns hinterher nicht beklagen, wenn wir von den Wellen erfasst werden. Dass wir auch dann noch auf Rettung von Oben hoffen dürfen und auch unsere Mitbrüber nicht tatenlos rumstehen, ist urchristlich... sich aber sehenden Auges und trotz Warnungen mitreißen zu lassen, ist einfach nur dumm... und gefährlich!

Die geistliche Kommunion ist immer ein Weg, nie das Ziel. Ein Weg muss aber auch gegangen werden und führt notwendig vom Hier zum Dort und vom Jetzt zum Einst. Wer sich auf den Weg zu Gott begibt mag straucheln, immer wieder hängen bleiben, zurückfallen, ausrutschen, vom Bösen überfallen werden oder auch mal in die Irre gehen. Aber ich wage zu behaupten, dass es für jeden Hoffnung gibt und jeder sich immer und immer wieder auf diesen Weg begeben darf, egal wie klein sein Fortschritt ist. Und: Keiner ist dabei allein.

Dienstag, 14. Oktober 2014

Dürftige Theologie - 15 - Einzelfälle

Bitte die Einführung (hier) beachten!


Im Juli 1993 veröffentlichten die Bischöfe der oberrheinischen Kirchenprovinz (Saier, Lehmann und Kasper) ein Hirtenwort, in dem sie das, was Familiaris Consortio vorgibt (dass wiederverheiratete Geschiedene nicht zur Kommunion und zur Beichte zugelassen werden können), recht kreativ umdeuteten (siehe meine Befassung mit diesem Hirntenbrief hier). Den grottenschlechten "Katholischen Erwachsenenkatechismus" zitierend (man ist bei soetwas natürlich zur Selbstreferenz verdammt...) heißt es dort:
»Das kirchliche Recht kann aber "nur eine allgemein gültige Ordnung aufstellen, es kann jedoch nicht alle, oft sehr komplexen einzelnen Fälle regeln". Deshalb ist im seelsorgerlichen Gespräch zu klären, ob das, was im allgemeinen gilt, auch in der konkreten Situation zutrifft.«

Hier wird fälschlich suggeriert, dass "in der konkreten Situation" anders verfahren werden könnte, als FC dies "allgemein gültig" ausführt, sprich, dass man durchaus wiederverheiratete Gescheidene zu den Sakramenten zulassen könne...
Einzelfälle, individuelle Situationen, Ausnahmen... alles unter dem Banner der "Barmherzigkeit"... Also das, was Kardinal Kasper im Februar beim Konsistorium vorgeschlagen hat und was gegenwärtig auch an der Synode von manchem vorgebracht wird.


Die Antwort auf jenes oberrheinische Hirtenwort blieb jedenfalls nicht aus. Sie kam 1994 von der Kongregation für die Glaubenslehre (hier nachzulesen) und in diesem Dokument wird u.a. kurz und knapp die Vorgabe von Familiaris Consortio deutlich charakterisiert und somit der Winkelzug der oberrheinischen Bischöfe ausgehebelt:
»Die Struktur des Mahnschreibens und der Tenor seiner Worte zeigen klar, daß diese in verbindlicher Weise vorgelegte Praxis nicht aufgrund der verschiedenen Situationen modifiziert werden kann [immutari non posse ob differentes condiciones]

Die Vorschriften gelten. Eine Anpassung an Einzelfälle wird ausgeschlossen. Der Grund ist eigentlich offensichtlich: Es geht hier nicht um das "Privatproblem" der Betroffenen, sondern es betrifft die soziale und sakramentale Struktur der Kirche, was hier geschieht. Im Einzelfall etwas zu tun, was dem allgemeinen Gesetz widerspricht, ist schlicht ein Rechtsbruch. Mord ist, weil es "allgemein" verboten ist, auch im Einzelfall nicht erlaubt! Wieso sollte das mit kirchlichen Gesetzen anders sein?
Die Kirche kann die Sünde nicht gutheißen, und sie darf sie erst recht nicht befördern - nicht allgemein, nicht in "Situationen".
Natürlich geht es bei alledem letztlich darum, dass die "Pastoral" als Quelle für "neue Normen" angesehen wird und folglich die Lehre entsprechend den menschlichen Erfahrungen modifiziert werden soll. Nicht mehr das göttliche Gebot, das die Kirche verkündet, soll Maßstab des Handelns sein, sondern die Bedürfnisse der Menschen.

Im Jahre 1977 veröffentlichte die Internationale Theologische Kommission (die gewissermaßen für das Lehramt des Papstes einen theologischen Unterbau schafft und mit internationalen Experten besetzt ist) eine umfassende Arbeit über die katholische Lehre vom Sakrament der Ehe (hier nachzulesen), dem "sechzehn christologischen Thesen" über die Ehe des Anfang dieses Jahres verstorbenen Jesuiten Gustave Martelet als gebilligt angefügt wurden. These 12 befasst sich mit dem Thema "Ehescheidung und Eucharistie" und enthält das folgende sehr aufschlussreiche Statement:
»Ohne die mildernden Umstände und zuweilen auch die Qualität einer auf die Ehescheidung folgenden Zivilehe zu verkennen, bleibt der Zugang von wiederverheirateten Geschiedenen zur Eucharistie unvereinbar mit dem Geheimnis, dessen Dienerin und Zeugin die Kirche ist. Würde sie wiederverheiratete Geschiedene zur Eucharistie zulassen, so würde sie diese Ehepartner glauben machen, sie könnten auf der Ebene der Zeichen mit dem kommunizieren, dessen eheliches Geheimnis sie auf der Ebene der Wirklichkeit ablehnen.
Die Kirche würde sich in diesem Fall ferner mit Getauften in dem Moment einverstanden erklären, wo diese sich in einen objektiven und klaren Widerspruch zum Leben, Denken und Sein des Herrn als Bräutigam der Kirche begeben oder darin verbleiben. Könnte sie das Sakrament der Einheit jenen spenden, die in einem wesentlichen Punkt des Geheimnisses Christi mit ihr gebrochen haben, wäre sie nicht mehr Zeichen und Zeugin Christi, sondern vielmehr sein Gegenzeichen und seine Gegenzeugin. Dennoch rechtfertigt diese Ablehnung kein entehrendes Vorgehen, denn das würde zugleich der Barmherzigkeit Christi mit den Sündern, die wir selber sind, widersprechen.«

Die Kirche wird letztlich auch in Mitleidenschaft gezogen, wenn sie ihre Glieder nicht ermahnt und zur Umkehr ruft, sondern sie stattdessen gewähren lässt und ihr Tun folgenlos lässt. Der Päpstliche Rat für die Interpretation der Gesetzestexte erklärte im Jahr 2000 über den canon 915 CIC, der festlegt, wer vom Empfang der Eucharistie ausgeschlossen ist, Folgendes (hier nachzulesen):
»In der Tat ist es ein objektiver Schaden für die kirchliche Gemeinschaft, wenn jemand, der öffentlich als unwürdig bekannt ist, den Leib des Herrn empfängt; es ist ein Verhalten, das die Rechte der Kirche und aller Gläubigen verletzt, in konsequenter Weise den Ansprüchen dieser Gemeinschaft entsprechend zu leben. Im konkreten Fall der Zulassung der geschiedenen und wiederverheirateten Gläubigen zur hl. Kommunion betrifft das Ärgernis - verstanden als ein Handeln, das die andern zum Schlechten bewegt - zugleich das Sakrament der Eucharistie und die Unauflöslichkeit der Ehe. Ein solches Ärgernis besteht auch dann, wenn ein derartiges Verhalten leider keine Verwunderung mehr hervorruft; ja, gerade angesichts der Verformung der Gewissen wird ein geduldiges und zugleich entschiedenes Handeln der Seelsorger umso notwendiger, zum Schutz der Heiligkeit der Sakramente, zur Verteidigung der christlichen Moral und zur richtigen Unterweisung der Gläubigen.«
 
Sehr erhellend bei der Frage nach den "Einzelfällen" ist aber m.E. vor allem etwas, was Papst Benedikt XVI. 2012 zur Eröffnung des Gerichtsjahres der Römischen Rota sagte (hier; sehr lesenswert!) und worin sehr präzise aufgedeckt wird, was die Folgen einer solchen Überbetonung der "individuellen Situation" sind:
»[...] Dies hat zu einer Kreativität im rechtlichen Bereich geführt, bei der die einzelne Situation zum entscheidenden Faktor bei der Feststellung der wahren Bedeutung der Rechtsvorschrift im konkreten Fall wird. Barmherzigkeit, Gerechtigkeit, "oikonomia" – sehr geschätzt in der östlichen Tradition – sind einige der Begriffe, auf die man bei dieser Auslegungstätigkeit zurückgreift. Es muß sofort gesagt werden, daß dieser Ansatz den Positivismus, den er anklagt, nicht überwindet, sondern sich darauf beschränkt, ihn durch einen anderen zu ersetzen, in dem die menschliche Auslegungstätigkeit sich zum Protagonisten aufschwingt bei der Bestimmung dessen, was rechtlich ist. Es fehlt das Bewußtsein für ein objektives Recht, nach dem gesucht werden muß, denn dieses bleibt Spielball von Überlegungen, die den Anspruch erheben, theologisch oder pastoral zu sein, am Ende jedoch der Gefahr der Willkür ausgesetzt sind. Auf diese Weise wird die Rechtshermeneutik ausgehöhlt: Im Grunde besteht kein Interesse daran, die Gesetzesweisung zu verstehen, da sie jeder Lösung dynamisch angepaßt werden kann, auch wenn diese dem Buchstaben des Gesetzes widerspricht.«

Dazu ist eigentlich nicht viel zu sagen... Wenn die Einzelfälle darüber bestimmen, was erlaubt ist, dann wird das ganze Gesetz ausgehöhlt. Die Antwort des Papstes ist hier ebenso klar wie einleuchtend: Es geht um das "höhere Gesetz", das alleine jedem "Einzelfall" gerecht werden kann.
»Es gibt einen anderen Weg, auf dem das angemessene Verständnis des kirchlichen Gesetzes den Weg öffnet für eine Auslegungstätigkeit, die in die Suche nach der Wahrheit über Recht und Gerechtigkeit in der Kirche eingebunden ist. Wie ich vor dem Bundestag meines Landes im Berliner Reichstagsgebäude erläutert habe, ist das wahre Recht untrennbar von der Gerechtigkeit. Dieses Prinzip gilt natürlich auch für das kirchliche Gesetz, in dem Sinne, daß es nicht in ein rein menschliches Normensystem eingeschlossen werden kann, sondern mit der rechten Ordnung der Kirche verbunden sein muß, in der ein höheres Gesetz gilt. Unter diesem Gesichtspunkt verliert das positive menschliche Recht die Vorrangstellung, die man ihm zuerkennen möchte, da das Recht nicht mehr einfach mit ihm gleichgesetzt wird; das menschliche Gesetz erhält dadurch jedoch Wertschätzung als Ausdruck der Gerechtigkeit, zunächst einmal für das, was es zum göttlichen Gesetz erklärt, aber auch für das, was es als rechtmäßigen Beschluß des menschlichen Rechts einführt.
Auf diese Weise wird eine Rechtshermeneutik ermöglicht, die wirklich rechtlich ist, in dem Sinne, daß man in Übereinstimmung mit der wirklichen Bedeutung des Gesetzes die entscheidende Frage stellen kann nach dem, was in jedem einzelnen Fall rechtmäßig ist. In diesem Zusammenhang sollte Folgendes angemerkt werden: Um die wirkliche Bedeutung des Gesetzes zu erfassen, muß man stets auf die Wirklichkeit blicken, die geregelt wird, und zwar nicht nur dann, wenn das Gesetz vorwiegend das göttliche Recht zum Ausdruck bringt, sondern auch dann, wenn es in konstitutiver Form menschliche Regelungen einführt. Diese müssen nämlich auch im Licht der Wirklichkeit ausgelegt werden, für die die Regelungen gelten und die stets einen Kern des Naturrechts und positiven göttlichen Rechts enthält, mit dem jede Norm im Einklang stehen muß, um vernünftig und wirklich rechtlich zu sein. Aus einer solchen realistischen Perspektive heraus erhält das – zuweilen sehr schwierige – Bemühen um Auslegung einen Sinn und ein Ziel.«

Es bleibt bei dem, was ich schon zuvor in Teil 9 und 10 dieser Serie schrieb (hier und v.a. hier):
»"[Kasper] spricht von einer kleinen Zahl, für die eine eventuell neue Lösung in Frage käme. Was wird die riesige Anzahl der anderen Geschiedenen, was werden die kritischen bis feindlichen Medien angesichts dieser "Privilegierten" sagen? [...]"
Wie bei jeder "Ausnahmeregelung", wird auch hier sehr schnell der Druck von außen (und innen) so groß sein, dass man ausweitet und verallgemeinert, bis alle zufrieden sind. (...) Die Ausnahmen werden nicht vermittelt werden können, weil sie von der Masse ganz einfach nicht rezipiert werden wollen! Und weil diese Vermittlung ja auch tatsächlich nicht einfach wäre. (...) Man wird sich einfach, schon aus Trotz!, diskriminiert fühlen. Basta! Da kann man noch so viel die inzwischen abgedroschene Vokabel "Barmherzigkeit" im Munde führen, man wird es als Diskiminierung auffassen und "wahre Barmherzeigkeit (für alle!)" fordern.
Man wird sich Kaspers eigener Argumentstionsweise bedienen und sagen, eine "Weiterentwicklung" von bereits Erreichtem sei "möglich"; man wird seinen Vorschlag als Türöffner begreifen... Norbert und Renate Martin haben das sehr gut erfasst, wenn sie sagen, es ginge darum, "die Tür wenigstens einen Spalt weit [zu] öffnen und ein Signal der Hoffnung [zu] geben"... ja, und andere werden kommen und diese Tür, von der auch Kasper spricht, ganz aufstemmen! Der Lärm wird unerträglich sein, bis das geschieht.
Die Beteuerung, auch noch so eng umgrenzte Ausnahmen zu ermöglichen, wird einen Dammbruch nicht verhindern. Der mag schrittweise erfolgen, aber er ist unvermeidlich. Es wird umgehend einen öffentlichen Aufschrei geben und jeder, der nicht zu den "Wenigen" zählt, wird sich eine Kamera und ein Mikrophon suchen, das ZdK wird großflächige Plakate ausrollen und alle werden im Chor ein Ende dieser unverständlichen, menschenfeindlichen Diskriminierung fordern.«

»Wobei ich mich eh frage, wie man denen, die nicht zu den wenigen "Privilegierten" gehören, das dann zu erklären gedenkt... "Ihr seid leider nicht fromm genug." oder "Ihr engagiert euch leider nicht genug." oder, um mal veralteten Jugend-Jargon zu bemühen, "Das ist halt pP [persönliches Pech]." Wo, bitte, soll bei solchem Gebaren Barmherzeigkeit sichtbar werden? Darf bzw. kann man Barmherzeigkeit überhaupt derart selektiv üben? Ist es barmherzig, die Barmherzigkeit anhand eines Eignungskatalogs zu verwalten?«

Montag, 13. Oktober 2014

Aufreger: Lösungen in Sicht?

katholisch.de titelt (hier, siehe Bild) "Familiensynode erwägt neue Lösungen" und schreibt darunter: "Die Bischofssynode im Vatikan sieht Möglichkeiten einer Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen zu den Sakramenten."
Der große Artikel (hier) ist etwas ausgeglichener, aber ein gewisses G'schmäckle bleibt.

Bevor jetzt gleich das Heulen und Zähneknirschen losgeht: Es gibt keinen Grund zur Sorge. Keep cool.
Worum es geht ist die "Relatio post disceptationem" (zu Deutsch: "Bericht nach der Diskussion"), die unter der Leitung des Generalrelators der Synode, Kardinal Péter Erdő, erarbeitet wurde. Und hier könnte ich eigenrtlich schon aufhören zu schreiben, denn auch wenn diese Relatio jetzt sicherlich von vielen gepusht wird um weiter idiotische Hoffnungen zu schüren, so ist sie doch den Atem nicht wert. Wie Kardinal Tagle in der heutigen Pressekonferenz (hier anzusehen) erklärte (etwa bei Minute 6): Die Relatio 
»darf nicht als ein endgültiges Dokument der Synode betrachtet werden. Sie ist sehr provisorisch in dem Sinne, dass sie uns sagt: Bis hierhin sind wir gekommen [d.i. in den Beratungen] und die Synodenteilnehmer sind angefragt zu schauen: was muss vertieft werden, was muss geklärt werden, welche anderen Themen müssen noch vorgebracht werden, die bisher nicht vorgebracht wurden. [Scherzend:] Das Drama geht also weiter.«

Die Relatio ist nur eine Zusammenfassung dessen, was bisher an der Synode diskutiert wurde, sie spiegelt nur wider was bisher war. Und sie dient als Basis für die kommenden Diskussionen. Dass bei den bisherigen Diskussionen auch dieses heikle Thema vorkam, ist wenig überraschend. 
Der Passus um den es geht, ist die Nr. 47, dieser Relatio. Der Kontext ist dabei wichtig, denn das Thema wird ganz systematisch angegangen. In Abschnitt 45 werden die zivilrechtlich Geschiedenen behandelt, die keine zweite Zivilehe eingegangen haben. Diese sollen an den Sakramenten teilnehmen und müssen pastoral begleitet werden. In Abschnitt 46 wird für die Geschiedenen, die eine neue Zivilehe eingegangen sind, ebenfalls eine umfassende pastorale Begleitung erwähnt. Erst in Abschnitt 47 kommt die Realtio auf die Frage des Sakramentenempfangs für diese Letztgenannten zu sprechen. In Abschnitt 48 wird sodann die Frage nach der geistlichen Kommunion gestellt und es wird mit Nachdruck angeregt, dass eine vertiefte theologische Reflektion erforderlich ist über den Zusammenhang der Sakramente der Ehe und der Eucharistie und ihren Bezug zum "Sakrament", das die Kirche ist (das wird z.B. von Kardinal de Paolis in dem inzwischen auf Deutsch verfügbaren "Buch der fünf Kardinäle" sehr gut behandelt: klick). Auch eine Gewissensbildung bei den Betroffenen wird erwähnt.
Im Abschnitt 47 heißt es (eigene Übersetzung ad hoc und ohne Gewähr, das italienische Original ist hier zu finden):
»In Bezug auf die Möglichkeit des Zugangs zu den Sakramenten der Buße und der Eucharistie haben einige [Synodenteilnehmer] zu Gunsten der gegenwärtigen Disziplin, kraft ihrer theologischen Grundlage, argumentiert, andere [Synodenteilnehmer] haben sich für eine größere Offenheit unter genau definierten Bedingungen ausgesprochen, wo es sich um Situationen handelt, die nicht gelöst werden können ohne neue Ungerechtigkeiten und Leiden zu verursachen. Für einige [Synodenteilnehmer] würde der mögliche Zugang zu den Sakramenten einen vorangestellten Weg der Buße notwendig machen - unter der Verantwortung des Diözesanbischofs - mit einem klaren Bekenntnis zu Gunsten der Kinder. Es würde sich hierbei nicht um eine allgemeine Möglichkeit handeln, sondern um das Ergebnis einer Unterscheidung die von Fall zu Fall vorgenommen wird, nach einem Gesetz der Gradualität, und die eine Unterscheidung gewahrt zwischen einem Zustand der Sünde, einem Zustand der Gnade und mildernden Umständen.«

Was wir vor allem aus diesem Text lernen können ist wohl dies: Nichts Neues.
Das sind halt eben die unterschiedlichen Positionen die es gibt und die seit Monaten bekannt sind und diskutiert werden. Auch auf der Synode... Wer die Pressekonferenzen der letzten Woche verfolgt hat weiß, dass das Thema immer wieder mal vorkam, wie zu erwarten war. Das Thema wird zudem auch nicht über gebühr betont, befasst sich doch nur einer von 58 Abschnitten damit.
Die Schlagzeile von katholisch.de, derzufolge "die Synode" "Möglichkeiten" sieht, ist also irreführend... die Synode sieht gar nichts... "einige Teilnehmer" der Synopde wollen hier "Möglichkeiten" sehen!
Keine Schlagzeile und v.a. keine Aufregung wert.

Das Dokument ist übrigens sehr lesenswert und enthält viele schöne und wichtige Gedanken. Ich freue mich schon auf das Nachsynodale Schreiben im nächsten oder übernächsten Jahr!

Weitermachen! 

Sonntag, 12. Oktober 2014

Dürftige Theologie - 14 - Wahr oder Falsch

Bitte die Einführung (hier) beachten!

Nur son Gedanke...

Angenommen, es gibt im Anschluss an die Synode im kommenden Jahr eine vatikanische Verlautbarung, die es ganz offiziell gestattet, dass Personen, die, getrennt von ihrem sakramental angetrauten Partner, in einer Zivilehe mit einem neuen Partner leben, die Sakramente der Buße und der Eucharistie empfangen dürfen (unter welchen Voraussetzungen und ob das "Einzelfälle" sein sollen, spielt dabei keine Rolle; vgl. dazu hier und hier).
Eine solche Erklärung seitens des Heiligen Stuhls hätte einen ganzen Rattenschwanz an redaktioneller Arbeit zur Folge: Es kann nämlich keine gültige lehramtliche Verlautbarung geben, die etwas anordnet oder (unter welchen Bedingungen auch immer) für erlaubt erklärt, was dieweil von den zentralen Dokumenten des Lehramtes explizit verboten wird (und zwar ohne jede Ausnahme!).

Zunächstmal müssten die folgenden Canones des kirchlichen Gesetzbuches (CIC) an den hervorgehobenen Stellen inhaltlich massiv geändert werden (am CIC wird eh immer wieder mal was verändert, das klingt also irgendwie machbar...):
»Zur heiligen Kommunion dürfen nicht zugelassen werden Exkommunizierte und Interdizierte nach Verhängung oder Feststellung der Strafe sowie andere, die hartnäckig in einer offenkundigen schweren Sünde verharren (Can. 915)
»Im Sakrament der Buße erlangen die Gläubigen, die ihre Sünden bereuen und mit dem Vorsatz zur Besserung dem rechtmäßigen Spender bekennen, durch die von diesem erteilte Absolution von Gott die Verzeihung ihrer Sünden, die sie nach der Taufe begangen haben; zugleich werden sie mit der Kirche versöhnt, die sie durch ihr Sündigen verletzt haben.« (Can. 959)
(Denn ein Vorsatz zur Änderung des Verhaltens ist, sofern die Betroffenen nicht aufrichtig bekunden, in Zukunft wie Bruder und Schwester zusammenzuleben [s.u.], nicht gegeben.)


Sodann müssten auch folgende Abschnitte aus dem Katechismus der katholischen Kirche an den hervorgehobenen Stellen geändert werden (was eher nich geht... zumindest gibt es keine Präzedenzfälle für eine inhaltliche Überarbeitung eines Weltkatechismus, sei es der Catachismus Romanus oder der KKK... es bräuchte dann vermutlich einen neuen Katechismus; vgl. dazu hier):
»Unter den Akten des Pönitenten steht die Reue an erster StelÜberarbeitungle. Sie ist "der Seelenschmerz und der Abscheu über die begangene Sünde, verbunden mit dem Vorsatz, fortan nicht zu sündigen".« (Nr. 1451)
»In vielen Ländern gibt es heute zahlreiche Katholiken, die sich nach den zivilen Gesetzen scheiden lassen und eine neue, zivile Ehe schließen. Die Kirche fühlt sich dem Wort Jesu Christi verpflichtet: "Wer seine Frau aus der Ehe entläßt und eine andere heiratet, begeht ihr gegenüber Ehebruch. Auch eine Frau begeht Ehebruch, wenn sie ihren Mann aus der Ehe entläßt und einen anderen heiratet" (Mk 10, 11–12). Die Kirche hält deshalb daran fest, daß sie, falls die Ehe gültig war, eine neue Verbindung nicht als gültig anerkennen kann. Falls Geschiedene zivil wiederverheiratet sind, befinden sie sich in einer Situation, die dem Gesetze Gottes objektiv widerspricht. Darum dürfen sie, solange diese Situation andauert, nicht die Kommunion empfangen. Aus dem gleichen Grund können sie gewisse kirchliche Aufgaben nicht ausüben. Die Aussöhnung durch das Bußsakrament kann nur solchen gewährt werden, die es bereuen, das Zeichen des Bundes und der Treue zu Christus verletzt zu haben, und sich verpflichten, in vollständiger Enthaltsamkeit zu leben.« (Nr. 1650)
»Somit ist es falsch, bei der Beurteilung des sittlichen Charakters der menschlichen Handlungen einzig die ihr zugrunde liegende Absicht oder die sie begleitenden Umstände (wie Milieu, gesellschaftlicher Druck, Zwang oder Notwendigkeit zu handeln) zu beachten. Es gibt Handlungen, die wegen ihres Objekts in schwerwiegender Weise, unabhängig von den Umständen und den Absichten, aus sich und in sich schlecht sind, z. B. Gotteslästerung und Meineid, Mord und Ehebruch. Es ist nicht erlaubt, etwas Schlechtes zu tun, damit etwas Gutes daraus entsteht.« (Nr. 1756)
»Die Ehescheidung ist ein schwerer Verstoß gegen das natürliche Sittengesetz. Sie gibt vor, den zwischen den Gatten freiwillig eingegangenen Vertrag, bis zum Tod zusammenzuleben, brechen zu können. Die Ehescheidung mißachtet den Bund des Heiles, dessen Zeichen die sakramentale Ehe ist. Das Eingehen einer, wenn auch vom Zivilrecht anerkannten, neuen Verbindung verstärkt den Bruch noch zusätzlich. Der Ehepartner, der sich wieder verheiratet hat, befindet sich dann in einem dauernden, öffentlichen Ehebruch.« (Nr. 2384)


Eine "Änderung der Lehre" wird dieser Tage auch von Theologen an allen Ecken und Enden beschworen. Die Redlichen sind dabei noch die, die eingestehen, dass eine Änderung der "Praxis" eine Änderung der Lehre (wie sie v.a. in CIC und KKK dargelegt ist) voraussetzt. Aber glaubt denn wirklich jemand, dass dieser ganze Aufwand getrieben werden wird, nur um es einer doch wohl eher kleinen Zahl von Leuten recht zu machen? (Die Katholiken, denen es wirklich was ausmacht wie sie leben und wie die Kirche das beurteilt, sind die Wenigsten derer, die so leben - den meisten ist es egal.)
Nochmal: Die Kirche kann sich in ihrer Verkündigung in Glaubens- und Sittenfragen nicht widersprechen. Die Kirche kann nicht ein und die selbe Sache zugleich als wahr und als falsch verkündigen. Entweder der CIC und der KKK enthalten in diesen Punkten außerordentlich gravierende Fehler (der Wahrheit widersprechende Inhalte), oder sie stimmen.
Ich will nicht behaupten, das sei unmöglich... eine Revision des CIC, ein neuer KKK...  ich sage nur: es ist absolut nicht plausibel. Und die Theologen sollten das wissen. Zumindest sollte man dann von offizieller Seite so ehrlich sein und klar benennen, dass die bisherige Lehre der Kirche an dieser Stelle falsch ist, anstatt faule Kompromisse zu machen und von einer "Vertiefung" oder einer "Interpretation" zu sprechen. Die zitierten Canones und Katechismusnummern lassen keine Vertiefung oder Interpretation zu, die eine Zulassung solcherart Lebender zu Beichte und Eucharistie ermöglicht.

Vor allem aber wird durch die angeführten Stellen einsichtig, dass es hier nicht um eine Lappalie geht. Diese Frage geht an die Substanz des Glaubens der Kirche (Sakramente, Kirchenverständnis, Sünde, Rechtfertigung) und des Wortes Gottes in der Heiligen Schrift (Zehn Gebote, Jesu Verschärfung der bis dato geltenden Ehegesetze im Volk Gottes).
Praktisch liefe es bei so einer "neuen Lehre" am Ende wohl darauf hinaus, unseren Begriff von "Ehebruch" zu entleeren oder irgendwie kreativ umzumodeln (oder, frei nach Kasper, einfach abzuschaffen, weil anstößig, vgl. hier), damit klar ist, dass Ehebruch eigentlich folgenlos bleibt, keine schwere Sünde ist, etc... Was uns dann aber Probleme mit der Bibel einbrächte, in der zwar bekanntlich nichts über Sakramentenausschluss bei Ehebruch steht, aber dafür einiges über den Ehebruch selbst.
In den Zehn Geboten heißt es: "Du sollst nicht die Ehe brechen." (Ex 20,14) Und in der Weisheitsliteratur sind die harschen Worte zu lesen: "Wer Ehebruch treibt, ist ohne Verstand, nur wer sich selbst vernichten will, lässt sich darauf ein." (Spr 6,32)

Wir müssten uns dann jedenfalls überlegen, wie wir die Worte des Apostels Paulus diesbezüglich in Zukunft auffassen wollen:
»Wisst ihr denn nicht, dass Ungerechte das Reich Gottes nicht erben werden? Täuscht euch nicht! Weder Unzüchtige noch Götzendiener, weder Ehebrecher noch Lustknaben, noch Knabenschänder, noch Diebe, noch Habgierige, keine Trinker, keine Lästerer, keine Räuber werden das Reich Gottes erben.« (1 Kor 6,9-10)
»Den Verheirateten gebiete nicht ich, sondern der Herr: Die Frau soll sich vom Mann nicht trennen - wenn sie sich aber trennt, so bleibe sie unverheiratet oder versöhne sich wieder mit dem Mann - und der Mann darf die Frau nicht verstoßen.« (1 Kor 7,10-11)
Und worauf bezieht sich dann eigentlich noch die Warnung (vor den möglichen Folgen: Krankheit und Tod!) des Paulus im Bezug auf die Eucharistie, wenn sogar Ehebruch (als ein Sein in der Sünde) hier "nicht mit gemeint" ist?
»Wer also unwürdig von dem Brot isst und aus dem Kelch des Herrn trinkt, macht sich schuldig am Leib und am Blut des Herrn. Jeder soll sich selbst prüfen; erst dann soll er von dem Brot essen und aus dem Kelch trinken. Denn wer davon isst und trinkt, ohne zu bedenken, dass es der Leib des Herrn ist, der zieht sich das Gericht zu, indem er isst und trinkt. Deswegen sind unter euch viele schwach und krank und nicht wenige sind schon entschlafen.« (1 Kor 11,27-30)

Schließlich und endlich müssten wir uns Gedanken machen, wie wir die außerordentlich klaren und unmissverständlichen Worte Jesu verstehen wollen, die uns so oft und so übereinstimmend überliefert sind, wie kein anderer Ausspruch des Herrn (offenbar ist das etwas Wichtiges!):
»Ich aber sage euch: Wer seine Frau entlässt, obwohl kein Fall von Unzucht vorliegt, liefert sie dem Ehebruch aus; und wer eine Frau heiratet, die aus der Ehe entlassen worden ist, begeht Ehebruch.« (Mt 5,32)
»Ich sage euch: Wer seine Frau entlässt, obwohl kein Fall von Unzucht vorliegt, und eine andere heiratet, der begeht Ehebruch.« (Mt 19,9 - bzgl. dieser "Unzuchtsklausel" vgl. meine Ausführiungen hier.)
»Er antwortete ihnen: Wer seine Frau aus der Ehe entlässt und eine andere heiratet, begeht ihr gegenüber Ehebruch. Auch eine Frau begeht Ehebruch, wenn sie ihren Mann aus der Ehe entlässt und einen anderen heiratet.« (Mk 10,11-12)
»Wer seine Frau aus der Ehe entlässt und eine andere heiratet, begeht Ehebruch; auch wer eine Frau heiratet, die von ihrem Mann aus der Ehe entlassen worden ist, begeht Ehebruch.« (Lk 16,18)
Auch diese (neben vielen anderen):
»Wenn du aber das Leben erlangen willst, halte die Gebote [...]: Du sollst nicht töten, du sollst nicht die Ehe brechen, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht falsch aussagen; ehre Vater und Mutter! Und: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst!« (Mt 19,17b-19)
»Da brachten die Schriftgelehrten und die Pharisäer eine Frau, die beim Ehebruch ertappt worden war. Sie stellten sie in die Mitte und sagten zu ihm: Meister, diese Frau wurde beim Ehebruch auf frischer Tat ertappt. [...] Da sagte Jesus zu ihr: Auch ich verurteile dich nicht. Geh und sündige von jetzt an nicht mehr!« (Joh 8,4.11b)

Also, wat nu?

Donnerstag, 9. Oktober 2014

Barmherzigkeit und Wahrheit

Nachdem ich gestern bereits (hier) aus dem Apostolisches Schreiben Reconciliatio et Paenitentia zitiert habe, hier noch ein Nachschlag dazu:



»Ich erachte es als meine Pflicht, hier wenigstens kurz auf einen pastoralen Fall einzugehen, den die Synode, soweit es ihr möglich war, erörtert und auch in den Schlußvorlagen berücksichtigt hat. Ich meine gewisse, heute nicht seltene Situationen, in denen sich Christen befinden, die weiterhin am sakramentalen Leben teilnehmen möchten, aber daran gehindert sind durch ihre persönliche Situation, die in Widerspruch zu ihren vor Gott und der Kirche freiwillig übernommenen Verpflichtungen steht. Diese Situationen erscheinen als besonders schwierig und fast unentwirrbar.

Im Verlauf der Synode haben eine Reihe von Wortmeldungen, welche die allgemeine Ansicht der Väter hierzu zum Ausdruck brachten, hervorgehoben, daß es angesichts dieser Fälle zwei Grundsätze gibt, die zusammen gelten, gleich wichtig sind und sich gegenseitig bedingen. 
Der erste ist der Grundsatz des Mitgefühls und der Barmherzigkeit, nach welchem die Kirche, die in der Geschichte die Gegenwart und das Werk Christi fortsetzt, der nicht den Tod des Sünders, sondern dessen Bekehrung und Leben will, darauf bedacht ist, das geknickte Rohr nicht zu brechen oder den glimmenden Docht nicht zu löschen. Sie ist vielmehr immer darum bemüht, soweit es ihr möglich ist, dem Sünder den Weg der Rückkehr zu Gott und zur Versöhnung mit ihm zu weisen
Der andere ist der Grundsatz der Wahrheit und Folgerichtigkeit, aufgrund dessen die Kirche es nicht duldet, gut zu nennen, was böse ist, und böse, was gut ist. Die Kirche, welche sich auf diese beiden sich ergänzenden Grundsätze stützt, kann ihre Söhne und Töchter, die sich in jener schmerzlichen Lage befinden, nur dazu einladen, sich auf anderen Wegen der Barmherzigkeit Gottes zu nähern, jedoch nicht auf dem Weg der Sakramente der Buße und der Eucharistie, solange sie die erforderlichen Voraussetzungen noch nicht erfüllt haben.
Zu diesem Problem, das auch unser Herz als Hirten schwer bedrückt, habe ich mich verpflichtet gefühlt, im Apostolischen Schreiben Familiaris Consortio ein deutliches Wort zu sagen, was den Fall der wiederverheirateten Geschiedenen betrifft [FC 84] oder allgemein jener Christen, die unrechtmäßig zusammenleben. [...]
Für alle diejenigen, die gegenwärtig die objektiven Bedingungen nicht erfüllen, die vom Bußsakrament gefordert sind, können die Beweise der mütterlichen Güte von seiten der Kirche, die Übung anderer Formen der Frömmigkeit als die der Sakramente, das aufrichtige Bemühen um Verbundenheit mit dem Herrn, die Teilnahme an der heiligen Messe, die häufige Erneuerung von möglichst vollkommenen Akten des Glaubens, der Hoffnung, der Liebe und der Reue den Weg bereiten zur vollen Versöhnung in einer Stunde, die nur der göttlichen Vorsehung bekannt ist.«


(hl. Papst Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben im Anschluss an die Bischofssynode:
"Reconciliatio et Paenitentia" vom 2. Dezember 1984, Nr. 34; klick.)

Mittwoch, 8. Oktober 2014

Sündenbewusstsein

»Das Sündenbewußtsein schwindet auch leicht infolge einer Ethik, die sich aus einem gewissen Geschichtsrelativismus herleitet. Das geschieht auch durch eine Ethik, die die moralische Norm relativiert und ihren absoluten, unbedingten Wert leugnet und folglich bestreitet, daß es Akte geben könne, die in sich unerlaubt sind, unabhängig von den Umständen, unter denen der Handelnde sie setzt. Es handelt sich dabei um einen wahren "Umsturz und Verfall der moralischen Werte"; "das Problem ist dann nicht so sehr die Unkenntnis der christlichen Ethik", sondern "vielmehr des Sinnes, der Grundlagen und der Kriterien einer moralischen Haltung". Die Wirkung eines solchen Umsturzes der Ethik ist stets eine derartige Schwächung des Sündenbegriffes, daß man bei der Behauptung endet, die Sünde sei wohl vorhanden, aber man wisse nicht, wer sie begehe. 

Schließlich schwindet das Sündenbewußtsein, wenn es - wie es in der Unterweisung der Jugend, in den Massenmedien, ja selbst in der Erziehung zu Hause geschehen kann - fälschlicherweise mit einem krankhaften Schuldgefühl gleichgesetzt oder mit einer bloßen Übertretung von gesetzlichen Normen und Vorschriften verbunden wird.

[...]

Selbst im Bereich des kirchlichen Denkens und Lebens begünstigen einige Tendenzen unvermeidlich den Niedergang des Sündenbewußtseins. Einige zum Beispiel neigen dazu, übertriebene Einstellungen der Vergangenheit durch neue Übertreibungen zu ersetzen: Nachdem die Sünde überall gesehen wurde, gelangt man dazu, sie nirgendwo mehr zu sehen; von einer Überbetonung der Furcht vor den ewigen Strafen kommt man zu einer Verkündigung der Liebe Gottes, die jede für Sünde verdiente Strafe ausschließt; von der Strenge im Bemühen, irrige Gewissen zu bessern, gelangt man zu einer scheinbaren Achtung des Gewissens, derentwegen man sogar die Pflicht, die Wahrheit auszusprechen, unterdrückt. Warum sollte man nicht hinzufügen, daß die Verwirrung, die in den Gewissen vieler Gläubigen durch unterschiedliche Meinungen und Lehren in Theologie, Verkündigung, Katechese und geistlicher Führung zu schwerwiegenden und heiklen Fragen der christlichen Moral geschaffen worden ist, auch dazu führt, das echte Sündenbewußtsein zu mindern und nahezu auszulöschen? Es sollen auch nicht einige Mängel in der Praxis des Bußsakramentes verschwiegen werden: so zum Beispiel die Tendenz, die kirchliche Dimension von Sünde und Bekehrung zu verdunkeln, indem man sie zu rein individuellen Angelegenheiten macht, oder umgekehrt die Tendenz, die personale Tragweite von Gut und Böse aufzuheben, indem man ausschließlich ihre gemeinschaftliche Dimension beachtet; solcherart ist auch die nie ganz gebannte Gefahr eines gewohnheitsmäßigen Ritualismus, der dem Bußsakrament seine volle Bedeutung und seine formende Kraft nimmt. 

Das echte Sündenbewußtsein wieder neu zu formen, das ist die erste Weise, um die schwere geistige Krise, die den Menschen unserer Zeit bedrückt, anzugehen. Das Sündenbewußtsein stellt man aber nur durch eine klare Berufung auf unaufgebbare Prinzipien der Vernunft und des Glaubens wieder her, wie die Morallehre der Kirche sie immer vertreten hat.«

 

(hl. Papst Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben im Anschluss an die Bischofssynode:
"Reconciliatio et Paenitentia" vom 2. Dezember 1984, Nr. 18; klick.
Vgl. auch JPII über das Gewissen, hier.)

Dienstag, 7. Oktober 2014

Die Synode der Medien

Vor gerademal etwas mehr als einem Monat habe ich hier einen kleinen Text von Benedikt XVI. über das "Konzil der Medien" eingestellt. Es sei auf diesen Text nun wieder verwiesen - KLICK -, mit dem Hinweis: Wenn man das Wort "Konzil" durch das Wort "Synode" ersetzt, könnte der Text ebensogut aus der nahen Zukunft stammen und die aktuelle Situation beschreiben (vgl. dazu auch Guido Horst gestern in der Tagespost: hier). Also: Alles bleibt beim Alten.

Sonntag, 5. Oktober 2014

Die Wahrheit über das Gewissen

Eigentlich wollte ich eine Weiterführung und Auffächerung meiner vorherigen Ausführungen über das Gewissen (hier und v.a. hier) anlässlich des Starts der außerordentlichen Versammlung der Synode in Rom schreiben, da dieser Themenkomplex bei allen "heißen Themen" immer wieder gerne heranzitiert wird.
Ich fand aber schnell, dass meine noch so wohl reflektierten Worte nur Staub und Schatten sind im Vergleich mit den eher grob behauenen Gedankenfragmenten, die Ida Friederike Görres kurz vor ihrem Tod aufgezeichnet hat (sie starb, bevor sie die Manuskripte für die Drucklegung redigieren konnte).
Darum lasse ich statt meiner Wenigkeit, diese große Frau sprechen (vgl. dazu auch die weiterreichende Analyse der Görres hier). Im übrigen zeigen die einzelnen Aspekte eines sehr gut auf: Seit über 40 Jahren drehen sich die Aufbrüchler und Forderer innerhalb wie außerhalb der Kirche im Kreis... es gibt nichts Neues zu vermelden, die Irrtümer sind noch die selben.
Über das Gewissen:  
»"Das verantwortliche, reife, wohlinformierte, alle Umstände berücksichtigende, den Mahnworten und Ratschlägen des wahren Freundes immer offene Gewissen..." las ich kürzlich. O, daß wir es besäßen! Aber wie kommen wir eigentlich dazu? Wächst es uns wie Nägel und Haar? Finden wir unser "inneres Auge" so natürlich vor wie das leibliche Augenpaar und funktioniert es so von selbst wie dieses?
Wer sich selbst und andere nur ein wenig nüchtern betrachtet, merkt bald, daß das angeborene und von der Umwelt bestimmte Gewissen bei vielen Menschen an einen Stadtplan erinnert, auf dem ganze Viertel, viele Straßennamen einfach fehlen. Das heißt: wir reden meist von einem kompletten und tadellos funktionierendem Idealgewissen; aber das wirkliche reagiert sehr oft nur stück- und strichweise. [...]
Sigrid Undset, die geniale Psychologin, läßt in ihrem Roman "Ida Elisabeth" eine gescheite junge Frau bemerken: "Ungefähr alle Menschen, die ich kennengelernt habe, sagten, man müsse seinem Gewissen folgen. Und ich habe nie gesehen, daß sie es ernstlich gehindert hätte, den weg zu gehen, den sie gerne gehen wollten. Nur mein Vater, glaube ich, bekam nicht die richtige Zustimmung von seinem Gewissen - darum setzte er es auch unter Alkohol".
John Henry Newman, so gerne als Herold des "freien und mündigen" Gewissens zitiert, mahnt uns in seinem ganzen Werk immer zur Redlichkeit in diesem Punkte und betont, wie schwer die innerliche Wahrheitsfindung uns fällt. [...]

Newman würde sich, wie man sagt, im Grabe umdrehen, wenn manche Leute ihn heute als Vorkämpfer eines gegen kirchliche Autorität stolz protestierenden Gewissens im Munde führen: Er, dessen ganze Gewissens-Theologie darin wurzelt und gipfelt, daß es eben die Eintritts-Pforte einer Autorität außerhalb meiner ist, des Ganz Anderen, des Höchsten Herrn, des göttlichen Gesetzgebers, der in meinem Bewußtsein einen Gehorsam fordert, strenger und genauer als irgend ein Mensch es dürfte; daß ich im Spruch meines Gewissens gerade NICHT meine eigene Stimme vernehme, die meiner Wünsche, Sehnsüchte, Ängste und Proteste, sondern eine andere, die ALS andere, ja oft schrecklich fremde, unbegreifliche in meiner Herzmitte kund wird, ein Gesetz verkündend, das nicht von mir gesetzt ist und an dem ich deshalb nicht rütteln und biegen und dehnen darf, bis es mir paßt.

Die Kirche: in unserem Zusammenhang hier also das Lehramt, die offizielle Moraltheolgie, hat dem Gewissen seine Magna Charta geschenkt: "Auch dem irrenden Gewissen ist jederzeit zu folgen" - ein Eckstein unseres Glaubens, für den wir nicht dankbar genug sein können. Aber - so ist nun einmal der Mensch: er kann dem redlich, naiv, aus echter unverschuldeter Unwissenheit oder Fehl-Erziehung irrenden Gewissen etwas ganz anderes Unterschieben: nämlich ein künstlich irrendes, dessen Irrtum ich selber still und heimlich erzeuge, indem ich an dieser zartesten Waage solange mit Gründen und Einwänden bei Zwielicht herumbastle, bis es endlich nach meinem Wunsch ausschlägt. Ja, das gibt es. Das freie und mündige Gewissen ist ein göttliches Ur-Geschenk, das hohe kostbare Organ der Wahrheitsfindung, durch viele Generationen geschult und verfeinert, damit auch der Einzelne in seiner Einsamkeit oder bei allgemeiner Verwirrung sein Tun in Einklang zu bringen vermöge mit dem göttlichen Gesetz, so gut er es eben kann. Aber: die Anlage kann auch leise und listig umgemodelt werden zu einem raffinierten Winkeladvokaten meiner Selbstsucht, einem dressierten Sklaven, der mich in jeder peinlichen Lage möglichst vom Gesetz zu dispensieren hat, mich mit höchst einleuchtenden Entschuldigungen zu versorgen und schließlich in hundert Variationen den einen, nie ausgesprochenen Grundsatz zu verwirklichen: im Zweifelsfall ist stets das richtig, was ich lieber möchte.
Ist nicht jeder von uns ein Genie der Ausrede, Frauen wie Männer, wenn es ernstlich darauf ankommt?«


Oft hört man (auch von Kardinal Kasper in dem hier verlinkten Interview) das Mantra von "aber wenn sie sich doch lieben"... dann soll auch das, was Jesus unmissverständlich "Ehebruch" nennt (s. Link), legal sein. Dazu wiederum die Görres:
»In [Sigrid Undsets] prachtvollen Roman-Trilogie, "Kristin Lavranstocher", einer der bedeutendsten Liebes-Dichtungen der Weltliteratur, bedenkt Kristin: "... alle die Sünden, die im Wesen der Liebe liegen: Trotz und Ungehorsam, Härte und Unversöhnlichkeit, Eigensinn und Hochmut..." Und an anderer Stelle: "Sie hatte gefühlt, wie ihre Liebe ihren Willen verhärtete, bis er scharf und hart war wie ein Messer, bereit, alle Bande der Verwandtschaft, des Christentums, der Ehre zu zerschneiden..." Diese Stelle hat mich schon beim ersten Lesen sehr betroffen. Denn seine kühle Nüchternheit hebt sich verblüffend ab gegen eine der weitest verbreiteten Aussagen des Zeitgeistes: daß nämlich, was immer ein Mensch "aus Liebe" (im Eros-Sexus-Sinn) tut, schon deshalb gerechtfertigt sei, schon deshalb kein Unrecht mehr sein könnte. Tragische Wunschvorstellung! Die Verharmlosung der Liebe zu einem puren Ausdruck der schönen Seele ist ein unbewußtes Erbe einer Späterfindung des neunzehnten Jahrhunderts mit seinem Hang zur Schönfärberei. Die Gegenwart, so stolz auf ihre Redlichkeit vor dem Wirklichen, sollte sich endlich wieder davon freimachen. Schon die Griechen haben es anders gewußt: "Kein Wunder ist's, wenn Eros Menschen tötet und grause Wunden schlägt wie in der Schlacht -"
Nicht einmal der ernsthafte Anlauf zur Gottesliebe, den wir Frömmigkeit nennen, macht den Menschen sofort und unmittelbar gut. Wissen wir denn nicht, was aus echter, nicht heuchlerischer, religiöser Leidenschaft schon verbrochen worden ist? Und im Streben nach Freiheit und Gerechtigkeit? Wundert uns das? Die großen Leidenschaften: des Geschlechts, der Liebe, der Heimatliebe, der Religion erschüttern uns eben "bis auf den Grund". Aber in dieser Tiefe finden sich eben nicht nur Perlen, sondern auch Schlamm und Ungetüme.«


Über die Bequemlichkeit, auch der kirchlichen Morallehre gegenüber, schreibt sie:
»"Nur das Mögliche verpflichtet" ist ein andrer trostvoller Eckstein katholischer Moraltheologie, auf den wir uns gegen Überforderung stützen dürfen. Aber wie erkenne ich, wo für mich die Grenze des wirklich Unmöglichen liegt? In der Forschung, in der Technik, im Sport wird sie durch Versuch, durch Übung, durch Beharrlichkeit und Hoffnung immer weiter vorgerückt. Nie liegt sie auf der Linie der Bequemlichkeit, des Ausweichens, des geringsten Widerstandes.«

(Quelle: I. F. Görres u.a., Der gewandelte Thron; Hervorhebungen im Original)

Freitag, 3. Oktober 2014

Jesuanische Verbalinjurien

Kardinal Kasper sagte kürzlich in einem Interview (hier ist ein Ausschnitt zu sehen) das Folgende, was m.E. sein unermüdliches Verkündigenden des Evangeliums nach Kasper Bewerben seines "Evangeliums von der Familie" in den letzten Monaten wunderbar zusammenfasst: Würden wir Menschen, die nach einer Scheidung in einer zweiten Zivilehe leben, sagen, dass sie dabei Ehebruch (eine Todsünde und damit eine ernste Gefährdung des Seelenheils!) begehen, würden diese sich davon beleidigt fühlen (im Video ab 1:10). Folglich sollten wir das unterlassen.

»Wer seine Frau aus der Ehe entlässt
und eine andere heiratet,
begeht ihr gegenüber Ehebruch.
Auch eine Frau begeht Ehebruch,
wenn sie ihren Mann aus der Ehe entlässt
und einen anderen heiratet.«
(Jesus von Nazareth)


Von der Todsünde lehrt die Kirche: "Sie setzt das Wissen um die Sündhaftigkeit einer Handlung, ihren Gegensatz zum Gesetz Gottes, voraus." (KKK 1859) Bezüglich "Gesetz Gottes" vgl. obiges Zitat und das 6. Gebot des Dekalogs.
Die Lösung ist so simpel, dass man sich wundert, warum da bisher noch niemand drauf gekommen ist: Man muss nur das Wissen um die Sündhaftigkeit des jeweiligen Tuns ausrotten und schwupps, begeht niemand mehr eine Todsünde. Sünde nicht mehr Sünde nennen, dann sündigt niemand mehr.
Die Sache nicht mehr beim Namen zu nennen, die Wahrheit nicht mehr sagen zu dürfen, das erinnert nicht nur sehr stark an Orwells 1984, es erklärt auch, warum die "Diktatur des Relativismus" wirklich eine Diktatur im wahren und eigentlichen Sinne ist.

Der Kardinal erzählt uns so gerne, man dürfe das Evangelium nicht auf einen einzigen Satz (nämlich das mit dem Ehebruch) reduzieren. Richtig. Aber was, wenn solch ein Satz exemplarisch für einen entscheidenden Aspekt der Wahrheit über den Menschen steht? Man zeige mir die Stelle, an der Jesus die Sünde nicht Sünde nennt und es bei einem "ist schon ok" bewänden lässt. Jesus sagt: Ich verurteile dich nicht. Aber er sagt auch: Sündige von jetzt an nicht mehr.
Wir können nur spekulieren, was geschehen wäre (oder: ist?), wenn die ertappte Ehebrecherin trotz dieser Mahnung wiederum (und ständig) sündigte...

»Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer Sünde tut, der ist der Sünde Knecht.« (Joh 8,34)

Donnerstag, 2. Oktober 2014

J. Ratzinger und die nachkonziliaren Irrwege

Gedanken von Joseph Ratzinger, 1975.

»Das Zweite Vatikanische Konzil steht heute im Zwielicht. Von sog. progressiver Seite wird es seit geraumer Zeit als vollständig überholt und so als eine jetzt nicht mehr belangvolle Sache der Vergangenheit betrachtet. Von der Gegenseite wird es umgekehrt als Ursache des gegenwärtigen Verfalls der katholischen Kirche angesehen und als Abfall vom Vaticanum I wie vom Tridentiner Konzil gewertet. Es steht unter Häresieverdacht. Konsequenterweise wird seine Rücknahme oder eine Revision verlangt, die der Rücknahme gleichkommt.
 

1) Beiden Richtungen gegenüber ist zunächst festzustellen, daß das Vaticanum II von derselben Autorität getragen ist wie das Vaticanum I und das Konzil von Trient, nämlich dem Papst und dem ihm verbundenen Bischofskollegium; daß aber auch in haltlich das Zweite Vaticanum sich engstens an die beiden vor ausgegangenen Konzilien anschließt und sie an entscheidenden Punkten wörtlich übernimmt. Daraus ergeben sich zwei Thesen:
a) Es ist unmöglich, sich für das Vaticanum II und gegen Trient und Vaticanum I zu entscheiden. Wer das 2. Vaticanum bejaht, so wie es sich selbst eindeutig geäußert und verstanden hat, der bejaht damit die gesamte verbindliche Tradition der katholischen Kirche, insonderheit auch die beiden vorangegangenen Konzilien.
b) Es ist ebenso unmöglich, sich für Trient und Vaticanum I, aber gegen das Vaticanum II zu entscheiden. Wer das Vaticanum II verneint, verneint die Autorität, die die beiden anderen Konzilien trägt und hebt sie damit von ihrem Prinzip her auf. Jede Auswahl zerstört hier das Ganze, das nur als unteilbare Einheit zu haben ist.

2) Es ist unbestreitbar, daß die letzten zehn Jahre für die katholische Kirche weitgehend negativ verlaufen sind. Statt der erhofften Erneuerung haben sie einen fortschreitenden Prozeß des Verfalls mit sich gebracht, der sich weitgehend im Zeichen der Berufung auf das Konzil abgespielt und dieses damit immer mehr diskreditiert hat. Es muß klar gesagt werden, daß eine wirkliche Reform der Kirche eine eindeutige Abkehr von den Irrwegen voraussetzt, deren katastrophale Folgen mittlerweile unbestreitbar sind. Was das Vaticanum II anbelangt, so kann es in seinen amtlichen Aussagen nicht für diese Entwicklung haftbar gemacht werden, die ihm vielmehr von Grund auf widerspricht und sehr komplexe Ursachen hat. Richtig ist allerdings, daß sich schon während des Konzils ein Konzils-Ungeist zu entwickeln begann, der vom Konzil zu trennen und ebenso zu verabschieden wie dieses zu behalten ist. Die Erfahrungen des nachkonziliaren Jahrzehnts können so dazu verhelfen, Geist und Ungeist deutlicher zu scheiden, als es damals geschah; sie können dazu helfen, das Konzil auf seine spirituelle und theologische Mitte hin zu leben und zu vertiefen.
 

3) Was dieser notwendige Prozeß einer vertiefenden Aufnahme des Konzils durch die Kirche bedeutet, soll an drei Brennpunkten des nachkonziliaren Dilemmas verdeutlicht werden.
a) Die Öffnung der Liturgie für die Volkssprachen war begründet und berechtigt; sie ist auch vom Tridentiner Konzil, als Möglichkeit ins Auge gefaßt. Ebenso ist es schlechthin unwahr, zu behaupten, die Ausbildung neuer Kanon-Formulare widerspreche dem Tridentiner Konzil. Wie weit die einzelnen Schritte der Liturgiereform wirkliche Verbesserungen oder eher Banalisierungen waren, wie weit sie pastoral 'klug oder töricht oder rücksichtslos waren, muß hier dahingestellt bleiben. Klar ist, daß auch bei der Vereinfachung und bei der möglichst verständlichen Fassung der Liturgie das Mysterium des Handelns Gottes im handeln der Kirche und damit die unmanipulierbare Vorgegebenheit des Kerns der Liturgie für Priester und Gemeinden wie ihr gesamtkirchlicher Charakter unangetastet bleiben müssen. Daher muß weit entschiedener als es bisher geschehen ist, rationalistischer Verflachung, geschwätzigem Zerreden und pastoraler Unreife entgegengetreten werden, die die Liturgie zum Gemeindekränzchen degradiert und sie auf Bild-Zeitungs-Verständlichkeit herunterschrauben will. 
Auch die geschehenen Reformen, besonders im Bereich des Rituale, werden unter solchen Gesichtspunkten überprüft werden müssen.
b) Die starke Betonung des Bischofsamtes durch das Vaticanum II entsprach ebenso der gesamtkirchlichen Tradition wie den Absichten des Vaticanum I (vgl. DS 3112-3116). Aber es wird darauf zu achten sein, daß die zunehmende Institutionalisierung der Bischofskonferenzen nicht die persönliche Verantwortung des Bischofs für die ihm anvertraute Teilkirche erdrückt. Diese persönliche Verantwortung ist der kirchlichen Verfassung von Anfang an wesentlich; die Konferenz hat nur praktische, aber keine eigentlich theologischen Gründe. Das Wesen der Kirchenverfassung würde verfälscht, wo an die Stelle der persönlichen Verantwortung des Bischofs ein System träte, das ihn zum Vertreter der Konferenz degradiert und die Verantwortung auf anonyme bürokratische Institutionen übergehen läßt. Ebenso muß entschieden dem Einbruch nationalistischer Tendenzen bzw. überhaupt der Gefahr neuer Kollektive und ihrer gegenseitigen Abschließung entgegengetreten werden, die sich im Gefolge der nachkonziliaren Dezentralisierung an vielen Stellen abzeichnet. Der antirömische Affekt ist ein schlechter Ratgeber; die konkrete Einheit mit Rom ist nach dem Aufbau der Bischofskonferenzen noch wichtiger als zuvor. 

c) Das Konzil war im Recht, als es eine Revision des Verhältnisses von Kirche und Welt erstrebte. Dieses Verhältnis war zum Teil noch durch mittelalterliche Entwürfe bestimmt, die in einer tief gewandelten Welt längst nicht mehr der Wirklichkeit entsprachen. Aber eine konfliktlose Verschmelzung von Kirche und Wel zu erstreben, heißt das Wesen von Kirche und Welt verkennen. Das Christsein kann sich nicht dem Annehmbarkeitsdenken einer jeweiligen Epoche einordnen; der Christ muß sich gerade heute darauf einstellen, daß er einer Minderheit zugehört und daß er weitgehend im Widerspruch steht zum „Schema dieser Welt", wie Paulus sagt (Röm 12,2). Der Annehmbarkeit für die Welt setzt der Christ die Urteilsfähigkeit der gläubigen Vernunft entgegen. Fähigkeit und Mut zum Widerspruch, Kraft zum Annehmen einer Minderheitssituation einzuüben, wird zu den dringendsten Aufgaben des christlichen Weltverhältnisses in den nächsten Jahren gehören — in Abkehr von dem Trend der nachkonziliaren Euphorie, der gerade hier sich besonders gründlich verirrt hatte.«

Thesen zum Thema: Zehn Jahre Zweites Vatikanisches Konzil. —
(Vorgetragen als Gesprächsgnmdlage bei der Podiumsdiskussion
der internationalen katholischen Zeitschrift „Communio" am
21.9.1975 in München, und entnommen dem „Regensburger
Bistumsblatt" vom 9.X1 75, Nr. 45, S. 7.) 

Zitiert aus: Theologisches, Nr. 69 (Januar 1976), S. 6f. Klickmich (PDF). Hervorhegungen von mir.


PS. Ja, liebes kath.net, ihr dürft, wie ihr das schon das letzte Mal getan habt, als ich einen größeren Text von J. Ratzinger zitiert habe (nämlich hier), gerne diese Umbruch- und Scan-Fehler-bereinigte Version kopieren und bei euch reinstellen, diesmal habe ich auch keine erläuternden Anmerkungen eingefügt, die ihr vergessen könntet, herauszunehmen. ;)