Samstag, 1. März 2014

Der Zorn Gottes

In den vergangenen zwei Wochen hat die Kirche den Jakobusbrief gelesen, in dem es eine ganze Anzahl von Mahnungen und Warnungen gibt ob des rechten Tuns und der Möglichkeit der Verdammnis beim Tun des Bösen (s. hier). Es ist ja doch so, dass uns heute "aus pastoralen Gründen" und als (irgendwie verständliche) extreme Reaktion auf das früher gängige andere Extrem, oft die "linke Seite" von Jesu Gerichtswort vorenthalten wird.
»Dann wird der König denen auf der rechten Seite sagen: Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid [...]
Dann wird er sich auch an die auf der linken Seite wenden und zu ihnen sagen: Weg von mir, ihr Verfluchten« (Mt 25,34.41)

Die Bibelstelle um die es hier gehen soll, erscheint erst in eineinhalb Jahren wieder in der Leseordnung, aber ich möchte sie dennoch "aktuell" anführen. Und v.a. möchte ich einen Auszug aus dem Kommentar dazu von meinem Lieblingsexegeten, Erik Peterson (hier), in die Runde werfen. Der Zorn Gottes ist das, worum es geht... ein Kapitel Heilsgeschichte, das heute zu gerne aus dem Blick gerät.

Man spielt ja gerne Paulus gegen Jakobus, Römerbrief gegen Jakobusbrief, Gerechtigkeit "aus Glaube" und aufgrund von Werken gegeneinander aus. Fakt ist aber, dass Paulus auch sehr deutlich die Notwendigkeit der Werke und das Gericht "nach den Taten" lehrt! Das findet sich im corpus paulinum immer wieder, ebenso in den katholischen Briefen, ebenso in den Evangelien: Werke sind wichtig.

- Der Bibeltext (Röm 2,5-8):
»Weil du aber starrsinnig bist und dein Herz nicht umkehrt, sammelst du Zorn gegen dich für den «Tag des Zornes», den Tag der Offenbarung von Gottes gerechtem Gericht. Er wird jedem vergelten, wie es seine Taten verdienen: denen, die beharrlich Gutes tun und Herrlichkeit, Ehre und Unvergänglichkeit erstreben, gibt er ewiges Leben, denen aber, die selbstsüchtig nicht der Wahrheit, sondern der Ungerechtigkeit gehorchen, widerfährt Zorn und Grimm

- Aus Petersons Kommentar zum Römerbrief:
»Wer nur mit Gottes zeitloser Güte rechnet, der häuft sich den Zorn Gottes für den "Tag des Zornes" an. Darum gilt es, rechtzeitig seinem Zorn in der μετάνοια zu begegnen. Der Mensch, der sein ganzes Leben lang nur an den "lieben" Gott geglaubt hat, wird am Jüngsten Tag erschrecken, wenn er sieht, daß Gott gar nicht so "lieb" ist, wenn er erkennt, welch ein Maß an Zorn sich bei Gott gerade gegen ihn aufgespeichert hat, der er doch stets nur an die Güte Gottes geglaubt hatte.
Wir können in einem gewissen Sinne an die zeitlose Güte einer Mutter, eines Vaters oder einer Frau glauben, wir können jedoch nicht an Gottes Güte wie an irgendeine menschliche Güte glauben. Niemals wird eine Güte des Menschen durch das gerechte Gericht eines Jüngsten Tages abgelöst. Wir bleiben vielmehr stets dem Menschen durch unsere adamitische Abkunft verbunden, auch da, wo er uns tadelt. Güte ist keine Eigenschaft Gottes in dem Sinne, wie sie eine Eigenschaft des Menschen ist. Gott hat überhaupt nicht in demselben Sinne Eigenschaften wie irgend ein Mensch. Er bleibt Gott noch in der ganz anderen Art, wie die sogenannten Eigenschaften zu ihm gehören. Dem Menschen inhärieren die Eigenschaften. Gott aber inhärieren sie nicht, weder die Güte noch der Zorn. 
Daß Gott nicht wie ein Mensch zürnt, ist ein unendlich oft ausgesprochener Satz; daß er auch nicht wie ein Mensch liebt, wird so sehr viel schwerer verstanden. Hier ist unser Interesse bedeutend stärker beteiligt. Wir möchten, es wäre so, daß Gott eine zeitlose Güte inhärierte, die es uns erlaubte, ohne Furcht vor seinem Zorn ein verhältnis privater Innerlichkeit und Herzlichkeit für immer mit ihm zu pflegen, ohne Rücksicht darauf, ob unsere Werke nun gut oder ob sie böse sind. Aber Gott ist Gott und er ist kein Mensch; darum inhärieren ihm auch keine Eigenschaften, so daß es nun möglich wäre, aus der Aufzählung seiner Eigenschaften etwa sein Wesen oder gar seinen Charakter bestimmen zu wollen. Es wäre blasphemisch, von einem Charakter Gottes zu sprechen; aber weil Gott nun in diesem Sinne gar keinen Charakter hat, kann man sich auf ihn auch nicht wie auf einen Menschen verlassen und kann man ihm auch nicht wie einem Menschen trauen.
Das ist eben die Unsicherheit, die uns Gott nicht ersparen kann, wenn er nicht aufhören will, Gott zu sein; aber wie könnte er jemals aufhören, Gott zu sein? Ausdruck dieser Unsicherheit, die uns Gott nicht ersparen kann, ist nun, daß wir nicht nur mit seiner Güte, sondern auch mit der Strenge seines Zornes zu rechnen haben, daß wir an eine Enthüllung seines gerechten Urteilsspruches und nicht an eine sich stets gleichbleibende Eigenschaft zu denken haben, daß demnach nicht nur die Forderung gläubigen Vertrauens an uns ergeht, sondern daß auch gute Werke von uns für den Tag der Enthüllung dieses seines gerechten Urteilsspruches verlangt werden, wo Gott einem jeden von uns nach seinen Werken vergelten wird. [Hier kommt noch eine längere Fußnote, die in der Formulierung gipfelt: "Die Güte Gottes ist ein Prädikat der natürlichen Theologie, nicht der eigentlichen Offenbarungstheologie. Sie hat ein Ende mit dem natürlichen Bestand der Welt. Wenn die Welt aufhört, hört auch die Güte und die Langmut Gottes auf, und es bleibt nur noch die δικαιοκρισία (das gerechte Gericht) mit ihrer ὀργὴ (der Zorn)."]«

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