Montag, 23. Dezember 2013

Theologie der Befreiung

Weil das wohmöglich wieder Wellen schlägt (auf facebook geht's schon los), ein paar Worte zur Orientierung:

Erzbischof Müller hat dieser Tage vermelden lassen (hier), die Theologie der Befreiung gehöre zur Kirche. Und EB Müller hat recht! 

Tatsächlich hat die Kirche nie die Befreiungstheologie en bloc verurteilt, sondern, und das gehört sich so für eine Gemeinschaft, die keine Sekte ist, sie hat diese für uns Westler unvorstellbar vielseitige theologische Strömung immer sehr differenziert betrachtet. Die Instruktion Libertatis nuntius der Kongregation für die Glaubenslehre "über einige Aspekte der 'Theologie der Befreiung'" vom 6. August 1984 redet denn auch immer wieder von "manchen 'Befreiungstheologien'", bei denen Bedenken angebracht oder eine klare Ablehnung nötig ist. Außerdem muss berücksichtigt werden, dass sich auch diese Theologie in den letzten 30 Jahren gewandelt und differenziert hat; sie ist heute nicht mehr identisch mit dem, was damals in aller Munde war. Zwischen einem Leonardo Boff und einem Óscar Romero (dessen Seligsprechungsprozess noch immer läuft), liegen Welten!

Insofer ist die Nachricht über die Befreiungstheologie als Teil der Kirche so neu nicht. Zumal gerade EB Müller, der u.a. zusammen mit einem Begründer der Befreiungstheologie, Gustavo Gutiérrez, 2004 ein Buch dazu herausgebracht hat (im Sankt Ulrich Verlag, inzwischen sehr schwer zu kriegen), hier keineswegs ein Neuling ist. Benedikt XVI. war sich durchaus im Klaren, dass er mit Müller einen Theologen mit weitem Horizont in die Kurie beruft. Das mag auch der Grund sein (und eine nette Koinzidenz noch dazu), warum EB Müller und Franziskus so gut mit einander können: beide haben sich ausgiebig mit dieser Theologie befasst, beide wissen um ihre Grenzen aber auch um ihren Wert.

Generell positiv ist auch zu bewerten, dass nun wohl zunehmend genau das geschieht, was der Weltkirche wirklich auch Not tut, nämlich die Weitung der Perspektive, gerade auch in Rom, über Rom hinaus. Radio Vatikan (s. Link): "Wenn man vom 'Zentrum der Kirche' spreche, sei dies nicht nur Rom oder der Vatikan, so der Erzbischof weiter. Denn das Zentrum sei auch dort, wo die Kirche den Leidenden begegne."
So wie der deutsche Verbandskatholizismus nicht über seinen Tellerrand hinausblicken kann, so können auch oft die "Konservativen" nicht über Rom hinaus blicken.
Eine gute Entwicklung!

Libertatis consciencia, das Nachfolgedokument des oben erwähnten Libertatis nuntius, das ausdrücklich mit diesem zusammen gelesen werden soll, stellte 1986 fest:  
»Man muss durch eine tiefe Betrachtung des Heilsplans, wie er sich vor der Gottesmutter im Magnifikat ausbreitet, dem Glauben der Armen helfen, sich klar auszudrücken und sich im Leben zu verwirklichen. Hier liegt eine ehrenvolle kirchliche Aufgabe, die auf den Theologen wartet. Daher ist eine Theologie der Freiheit und der Befreiung, als treues Echo des Magnifikat Mariens, das im Gedächtnis der Kirche bewahrt wird, eine Forderung unserer Zeit.« (LC 98)

Gleichwohl muss, wie bei allen theologischen Schulen und religiösen Entwicklungen, das rechte Maß und die Orientierung an der Wahrheit behalten werden, weshalb sogleich klargestellt wird:  
»Es wäre aber eine schlimme Verkehrung, wollte man sich der Energien der Volksfrömmigkeit bemächtigen, um sie auf ein Projekt rein irdischer Befreiung umzuleiten, das sich sehr schnell als eine Illusion und als Ursache neuer Versklavungen offenbaren würde. Die also den Ideologien der Welt und der angeblichen Notwendigkeit der Gewalt nachgeben, werden der kühnen und mutigen Hoffnung untreu, wie sie der Hymnus auf Gottes Barmherzigkeit preist, den uns die Gottesmutter lehrt.« (LC 98)

Bleibt zu sagen:  
»Der Glaubenssinn erkennt die ganze Tiefe der Befreiung, die durch den Erlöser gewirkt worden ist. Er hat uns vom radikalsten Übel, der Sünde und der Macht des Todes, befreit, um der Freiheit ihre wahre Natur zu geben und ihr den Weg zu weisen. Dieser Weg ist vorgezeichnet durch das Hauptgebot, das Gebot der Liebe.« (LC 99)

Eine pauschale Polemik gegen jede Theologie der Befreiung, die immer wieder v.a. vom rechten Rand vorgebracht wird, ist weder hilfreich noch glaubwürdig. Eine ernsthafte Beschäftigung und (gerne auch kritische) Würdigung wäre eher sinnvoll und fruchtbar. Wenn ich die Zeit finde, schreibe ich demnächst vllt. auch hier mal was über Inhalt und Ziele der Befreiungstheologie... ma schaun...

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