Freitag, 5. Juni 2020

Der Theologe und die gleichgeschlechtliche "Benediktion"

Der Ewald Volgger, der an der Linzer Katholischen Privat-Universität als Liturgiewissenschaftler tätig ist und von der österreichischen Bischofskonferenz damit beauftragt wurde, Möglichkeiten zur Segnung homosexueller Paare zu erarbeiten, durfte sich neulich auf katholisch.de (hier) ausführlich zu genau diesem Thema äußern. Erfreulicherweise nimmt er kein Blatt vor den Mund und legt ganz offen dar, dass seine Bestrebungen darauf abzielen, die Lehre der Kirche zu ändern und letztlich auch Homosexuellen die Möglichkeit zu geben, kirchlich (sakramental) zu heiraten. Letzteres natürlich nicht sofort: um das dumme Volk nicht zu verunsichern, soll dieses Ziel schrittweise umgesetzt werden, wozu er als Etappenziel eine ganz offizielle Benediktion (Segnung) durch die Kirche vorschlägt, die dann etwa ins Kirchenbuch eingetragen wird, nicht unähnlich einer Jungfrauenweihe. Sobald sich das dumme Volk daran gewöhnt hat, kann diese Sakramentalie dann zum Sakrament erklärt werden.
Natürlich, wie üblich, ist dabei jede menge Quatsch ausgesagt, der theologisch nicht tragfähig ist. Die Wünsche jenes Liturgiewissenschaftlers sind nur dies, seine persönlichen Träumereien, die mit der Lehre der Kirche völlig unvereinbar sind.

Was mich aber besonders stutzig/wütend gemacht hat, ist diese rhetorische Frage: "Können zwei gleichgeschlechtlich liebende Menschen ihre Taufberufung für ein gemeinsames Leben verfolgen und von der Kirche den Segen dazu erhalten?" Noch deutlicher wird es, wenn er meint, die Kirche müsse "gleichgeschlechtliche Beziehung als gemeinsame Entfaltung der Taufberufung" würdigen.
Die Berufung Gottes, die an jeden Getauften ergeht, ist die Berufung zur Heiligkeit: "Denn das ist der Wille Gottes, eure Heiligung, dass ihr meidet die Unzucht und ein jeder von euch verstehe, sein eigenes Gefäß in Heiligkeit und Ehre zu halten, nicht in gieriger Lust wie die Heiden, die von Gott nichts wissen." (1 Thess 4,3-5; vgl. Eph 1,4) Volgger verkehrt die Mahnung des Apostels in ihr genaues Gegenteil, und offenbar hat er überhaupt kein Problem damit. So wird heutzutage Theologie betrieben!

Für mein Verständnis ist das Ansinnen jenes Liturgiewissenschaftlers nicht nur häretisch, es ist insbesondere blasphemisch und gefährlich für das Seelenheil vieler. Für die Frage, ob praktizierte Homosexualität (nach dem biblischen Zeugnis) sündhaft ist, verweise ich auf einen früheren Beitrag HIER (vgl. die sehr klugen Worte von Wolfhart Pannenberg hier), wo ich u.a. frage: "Kann [die Kirche] etwas segnen - hier also einer Handlungsweise den Segen Gottes zusprechen - was Gott selbst nach seinem einmütigen Zeugnis in der ganzen Offenbarung als Gräuel und schwere Sünde verwirft? Würde die Kirche soetwas tun, müsste man mit dem Apostel ernsthaft fragen: 'ist dann Christus ein Diener der Sünde?' (Gal 2,17)" Zur Frage der grundsätzlichen Möglichkeit der Beurteilung der Sünde siehe HIER.
Wie gesagt, ich begrüße die seltene Ehrlichkeit des Mannes, aber das was er sagt, ist klar zu verurteilen... bedauerlich, dass meine Kirchensteuer auch dazu verwendet wird, dass den Menschen solches Gift verabreicht wird. Ich bin natürlich nicht dafür, dass wir Häretiker verbrennen. Diese Lösung war vielleicht mal zeitgemäß, aber heute wäre es schon hilfreich, wenn solche Leute nicht im Namen der Kirche und zumal in einer katholischen Einrichtung lehren dürften und ihr Gift nicht über kirchliche Medien wohlwollend verbreitet werden würde.

Mittwoch, 3. Juni 2020

Heiliges Haus

Es folgt ein aktueller Beitrag von katholisch.de mit dem Titel "Kirchengebäude: Versammlungshaus oder heiliger Ort?" (hier) mit meinen kritischen Anmerkungen. Wenig verschleiert steht der Verfasser dem sakralen Charakter katholischer Kirchen kritisch gegenüber, den er als eine Abkehr vom ursprünglich Christlichen auffasst, auf das es sich zurückzubesinnen gelte. Der Verfasser irrt sich jedoch in seiner historischen Grundlegung ganz gewaltig und widerspricht sich dabei auch selbst. Er möchte sich für seine These sogar auf Synagoge und Moschee stützen, was nur solange funktioniert, wie man nicht nachschaut, was Juden und Muslime selbst über ihre "Bethäuser" und über ihr jeweiliges größtes Heiligtum denken.


Dass Christen ihre Gottesdienste in Kirchen feiern, ist nicht selbstverständlich. Die frühen Christen wehrten sich noch dagegen. [Falsch. Die vorkonstantinischen Gottesdiensträume befanden sich zwar innerhalb des Komplexes antiker Wohnhäuser, waren aber oftmals eigens für den Gottesdienst reserviert und entsprechend (zuweilen mit feststehenden Altären) eingerichtet.] Erst ein verändertes Glaubensverständnis sorgte für den Aufschwung der Kirchenbauten – und legte die Grundlage für verschiedene Auffassungen über die Natur eines Kirchengebäudes. [Protestantisches und katholisches Verständnis sind demnach nur „verschiedene Auffassungen“, die auf der selben „Grundlage“ beruhen… dass der Protestantismus nach 1500 Jahren Christentumsgeschichte eine zuvor nie dagewesene „Neuerung“ brachte, wird mit keiner Silbe erwähnt. Der folgende Text lässt deutlich durchblicken, dass der Verfasser das protestantische Verständnis des Kirchengebäudes favorisiert.]

Die spitzen Türme stolzer Kathedralen und Dome recken heute überall auf der Welt Kreuze in die Höhe und prägen damit die Silhouette nicht nur europäischer Städte jeder Größe. Bei den Katholiken sind Kirchen sogar extra für ihren Zweck geweihte Gebäude; in ihnen läuft der Besucher nicht einfach in den Altarraum, der oft auch noch ein paar Stufen erhöht ist – denn das ist der heiligste Ort des Gebäudes. Anders in reformierten Kirchen: Wenn überhaupt steht dort ein bescheidener Tisch im Raum, an dem die Menschen einfach vorbeigehen. [Anders lutherische Kirchen mit durchaus üblichen Altarschranken. Kurios, dass bei diesem ökumenischen Vergleich die Ostkirchen mit ihren zahlreichen uralten Traditionen völlig außen vor bleiben… der Grund ist klar: Dort ist in zahlreichen verschiedenen Ausprägungen ein sehr viel stärkeres Bewusstsein vom Heiligen Bereich erhalten geblieben.] Kirchen werden hier schlicht in Dienst genommen – von Weihe keine Spur. Beide Verständnisse eines Kirchengebäudes sind durch ganz unterschiedliche Entwicklungen in der Geschichte entstanden. [Dass es auch theologisch-inhaltliche Gründe geben könnte, bedenkt der Verfasser an keiner Stelle.]

Ursprünglich gab es bei den Christen keine speziellen Gottesdienstgebäude, man traf sich in Privathäusern. [Stimmt. Und zwar in eigens für den Gottesdienst vorgesehenen und eingerichteten Räumen.] Die Überlieferungen der Paulusbriefe und der Apostelgeschichte zeigen, dass Versammlungen an öffentlichen Treffpunkten die absolute Ausnahme waren. [Vielleicht lag das daran, dass die Christen verfolgt wurden? Oder daran, dass das, was die Christen feierten, von solcher Art war, dass es nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war – etwas „Heiliges“ gar?] Heilige Häuser gab es bei den Christen nicht – damit orientierten sie sich am Judentum. Für Juden gab es auf der ganzen Welt nur ein einziges heiliges Gebäude: den Tempel von Jerusalem. Nur hier durfte geopfert werden, nur hier fanden Kulte statt. [Demnach wäre der gänzliche Verzicht auf ein heiliges Gebäude aber gerade nicht Ausdruck einer Orientierung am Judentum!] Andere Häuser, die sie Synagogen (wörtlich "Versammlung") nannten, waren schlichte Versammlungsstätten der Gemeinden ohne sakrale Funktion [Ganz falsch. Die Synagogen entstanden nach der Zerstörung des ersten Tempels, weil es für das Gebet eines besonderen Ortes bedurfte. Es waren nicht einfach Versammlungen, sondern hier wurde das Gesetz verlesen und gebetet. Versammlungsorte und Begegnungsstätten der Gemeinde wurden sie erst sekundär. Es wurden sogar Elemente des Tempels für die Synagogen übernommen, insbesondere die Bima (etwa: Kanzel) und ein eigener Bereich (Balkon) für Frauen. Übrigens: Auch nichtjüdische Männer müssen in Synagogen (und auf jüdischen Friedhöfen) ihr Haupt bedecken; in manchen Synagogen zieht man sich sogar vor dem Betreten die Schuhe aus. Keine heiligen Stätten?] – das ist bis heute so. Tempel als wortwörtliche "Gotteshäuser", also Wohnhäuser von Gottheiten, gab es im Heidentum. Von diesem Verständnis wollten sich Christen wie Juden absetzen. [Nur ein Stichwort: Schechina. Zu Deutsche etwa: Wohnstatt (von hebr. schachan: wohnen, zelten; vgl. das lat. tabernaculum: Zelt). Im Tempel ist Gott wahrhaft gegenwärtig, deswegen ist es so ein heiliger Ort. Und er ist es bis heute, auch wenn er äußerlich zerstört ist. Der Unterschied zu den Heiden besteht darin, dass es sich hier nicht um einen Lokalgott oder eine mythologische Gottheit unter anderen Göttern handelt, sondern um den einzig wahren Gott.]

Doch die Welt änderte sich: Der große Tempel in Jerusalem wurde 70 n. Chr. von den Römern zerstört, Juden und Christen entwickelten sich auseinander. Außerdem verbürgerlichte sich das Christentum: Lebten die ersten Christen noch in der Erwartung, dass der Erlöser bald wieder auf die Welt kommen würde, verlegte sich der Fokus mit der Zeit mehr und mehr auf das Hier und Jetzt. Ämter und Rituale wurden deshalb immer stärker sakral aufgefasst: Aus dem gemeinschaftlichen (Sättigungs-)Mahl entwickelte sich die Eucharistie [Sehr falsch. Die Wahrheit ist: Die Eucharistie war von Anfang an vom Mahl unterschieden, anfangs jedoch mit einem solchen zeitlich und räumlich verbunden. Die Trennung der beiden aufgrund von Missbräuchen zeichnet sich schon bei Paulus deutlich ab.], der Posten des bisher nur symbolisch als Priester bezeichneten Gemeindevorstehers wandelte sich zu einem Weiheamt. [So „sympolisch“, dass es bei Paulus einen ganzen Kriterienkatalog für ihre Eignung gibt und es das Auflegen der Hände brauchte, um sie in ihr „symbolisches“ Amt einzuführen.] Gleichzeitig wurde aus einer verfolgten Gruppe von Christusanhängern die wachsende Staatsreligion des Römischen Reiches. Das führte zu einer weiteren Sakralisierung des Christentums und dem Bedürfnis nach öffentlichkeitswirksamen Bauten für Gemeinde und Gottesdienst.

Die Christen orientierten sich architektonisch bewusst an einem römischen Profanbau, der Basilika. Hier wurde Markt gehalten und fanden Gerichtsverhandlungen statt. In dieses weltliche Versammlungshaus stellten die Christen nun einen Altar. [Genau falsch herum: „Basilika“ ist ein Bautyp. Als Bautyp sagt er nichts über die Funktion des Gebäudes aus. Die Tatsache, dass ein Altar hineingestellt wurde, gibt die Funktion an: Sakralbau.] Altäre standen bei den Heiden vor den Tempeln [Manchmal. Manchmal auch drinnen.], deren Inneres war nur zur persönlichen Andacht vorgesehen. Im Christentum kommt die Gemeinde um den Ort des Kultes zusammen, heidnische und jüdische, profane und sakrale Vorstellungen finden sich hier also gleichermaßen wieder, wobei das sakrale Verständnis hinter dem Versammlungscharakter merklich zurücktritt. [Nein.]

Die Tendenz zur Sakralisierung [Schlimm!] wurde in den nun folgenden Jahrhunderten immer stärker. In die Kirchen wurden im Mittelalter sogenannte Lettner gebaut, also steinerne Schranken oder Wände, die den Bereich des Klerus von dem der Laien trennten. So manifestierte sich der immer stärker als heilig empfundene Charakter des Gebäudes mit dem Altarraum als geistlichem Zentrum. [Irreführend. Der Lettern wurde nicht zum Zwecke einer Trennung errichtet, sondern er ist eine Weiterentwicklung der frühchristlichen Cancelli (Kanzeln): Er diente dem Vortrag der Lesungen und der Gesänge (Lettner kommt von lat. lectiorum: Lesepult). Die „trennende“ Wirkung ist sekundär und keineswegs für einen Lettner charakteristisch: Ein Lettner ist keine Wand, sondern besteht aus (oft nach beiden Seiten hin offenen) Bögen/Gewölben. Die byzantinische Ikonostase hat eine gewollte trennende (aber auch zusammenführende) Funktion, der Lettner nicht.]

Einen Wendepunkt bildete die Reformation. Johannes Calvin (1509-1564) stand im Rückbezug auf die Bibel und das frühe Christentum für eine radikale Entsakralisierung des Kirchenraums. Er warf die Altäre aus den alten Kirchen, deren Platz am Ende des Raumes blieb demonstrativ leer. Bei Calvin gab es nur noch einfache Tische. [Auf den für das unterschiedliche Raumverständnis entscheidenden Unterschied, nämlich Sinn und Inhalt dessen, was in diesen Räumen geschieht und gefeiert/getan wird, geht der Verfasser überhaupt nicht ein. Die jeweiligen Räume werden unterschiedlich verstanden, weil in ihnen ganz unterschiedliche Dinge geschehen: Im einen Raum geschieht die sakramentale Vergegenwärtigung des Opfers unserer Erlösung, an dem die Gläubigen leibhaftig Anteil erhalten; das andere ist ein Predigtgottesdienst, bei dem die Belehrung und Ermahnung der Gläubigen im Zentrum steht. Aus dem gleichen Grund ist es auch falsch, eine katholische Kirche mit einer Synagoge zu vergleichen, eher müsste man sie mit dem Tempel in Jerusalem vergleichen  (Anwesenheit/Gegenwart Gottes).]  Die Kirchenräume in der Nachfolge von Martin Luther (1483-1546) standen hingegen für eine vermittelnde Position: Der Altar blieb zwar an seinem Ort, eine Sakralität des Raumes als Ganzes gab es allerdings nicht mehr.

Das unterschiedliche Verständnis von Kirchengebäuden [Irreführend. Es geht nicht um das „Verständnis von Kirchengebäuden“, sondern um das Verständnis dessen, was in diesen Gebäuden geschieht!] spiegelte sich auch in deren architektonischer Gestaltung wider: Katholische Bauten lenkten den Blick des Besuchers auch künstlerisch gleich in Richtung des Altars, mit jedem Schritt in seine Richtung wird die Stimmung feierlicher und erfurchtseinflößender. Diesen Effekt vermieden die Protestanten [Weil es nichts Ehrfurchteinflößendes gab, auf das man zuging; anders in einer katholischen Kirche.]: Der die Fallhöhe von Heiligkeit und Weltlichkeit zelebrierende Barock blieb im Calvinismus auf Einzelfälle beschränkt, auch die Lutheraner gingen mit ihm sparsam um, die Kirchen sind schlichte Häuser des Zusammenkommens. [Ich kenne viele Protestenten, die dem widersprechen würden.] Wesentlich beliebter war im Protestantismus der Klassizismus als Bauform – obwohl der sich auf die Formen antiker Tempel bezog, die ein ganz anderes Sakralverständnis hatten.

Die nichtsakrale Grundeinstellung teilen die evangelischen Kirchen bis heute mit den Bauten der anderen abrahamitischen Religionen. Synagogen sollen im orthodoxen Judentum einfache Versammlungshäuser sein, die sich in ihrer Gestaltung nicht von ihrem Umfeld abheben. [Der Verfasser hat offenkundig noch nie eine orthodoxe Synagoge betreten. Es würde ihn gewiss überraschen, dass es auch in Synagogen ein „ewiges Licht“ (hebr. ner tamid) gibt, nahe beim mit kostbaren Stoffen verhängten Thoraschrein, das auf die Tempelmenora verweist und den unsterblichen Glauben Israels symbolisiert. Die im Schrein aufbewahrten Thorarollen, die nicht mit bloßen Händen berührt werden sollen, sind mit kostbaren Stoffen bekleidet, die vor der Lesung geküsst werden. Die Synagoge wird im Judentum ausdrücklich auch als „kleines Heiligtum“ oder „kleiner Tempel“ (hebr. mikdasch me‘at) bezeichnet (vgl. Hesekiel 11,16).] Die prächtigen Synagogen des 19. Jahrhunderts entstehen im assimilierten liberalen Judentum der Städte und orientieren sich in ihrer auf den Effekt setzenden Gestaltung an katholischen Gotteshäusern. Auch Moscheen sind keine Sakralräume [Weshalb auch niemand die Schuhe ausziehen muss, um hineinzugehen…]: Hier können außerhalb des Gebets auch Kinder gestillt oder Tee getrunken werden. [Aus dem Qur‘an, 24. Sure, Verse 16-17: „In den Häusern, deren Errichtung Allah erlaubt hat, damit dort Seines Namens gedacht werde, preisen Ihn des Morgens und des Abends Männer, die weder Handel noch Geschäft abhält von dem Gedenken an Allah und der Verrichtung des Gebets und dem Entrichten der Steuer.“ Der heiligste Ort der Muslime ist übrigens, ähnlich dem Judentum, ein Gebäude: Die Ka'ba.]

Doch auch die christlichen Kirchen sind mehr als nur Gottesdienstorte: Da in calvinistischen Gottesdiensten die Orgel nicht erklingen durfte, wurde sie seit dem 16. Jahrhundert außerhalb der Liturgie gespielt, die Kirchen wurden zusätzlich zum Ort für Konzerte. Auch die Bewegung der bürgerlichen Gesangsvereine und Kirchenchöre machte die Gotteshäuser aller Konfessionen auch zu Orten der Musik.

Besonders deutlich wurde die Mehrfachfunktion von Kirchen vor allem im Protestantismus in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts: Zum Teil wurden Gemeindezentren gebaut, deren Räume auch für Gottesdienste genutzt werden. Im Katholizismus blieb die Kirche dagegen auch nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) ein heiliger Ort, der nicht einfach so zum Raum für Feiern oder Gruppenstunden umfunktioniert werden kann. [Was der Verfasser offenbar bedauert.]

Die fortschreitende Säkularisierung stellt an die Kirchengebäude nun wieder neue Fragen: Die großen Kirchen der Vergangenheit werden in den bisherigen Dimensionen nicht mehr gebraucht [… und das soll sich auch nicht ändern…?], neue Raumkonzepte müssen her. Gegen die Doppelnutzung der Protestanten setzen katholische Gemeinden zum Teil die Aufteilung bestehender Räume – das Heilige und das Profane bleiben getrennt.
Als Räume [und mehr nicht!] bleiben Kirchen aber weiterhin gefragt, auch von Menschen außerhalb der Institution Kirche. Beispielsweise in Ostdeutschland engagieren sich auch Konfessionslose in Initiativen zur Rettung historischer Kirchen im ländlichen Raum. Denn von einer pluralen Gesellschaft werden Kirchen heute vielfältig genutzt: Die einen schätzen sie als Raum der Kultur, wieder andere als Ort der persönlichen Einkehr und der Begegnung mit dem Übernatürlichen und Heiligen – auch abseits spezifisch christlicher Frömmigkeitsformen. [Wir lernen: Im Christentum darf es das „Heilige“ (sakrale) in einem Gebäude nicht geben, es stellt eine mittelalterliche Fehlentwicklung dar, gegen die sich die frühe Christen sogar zur Wehr gesetzt haben (diese Behauptung aus dem Einleitungstext hat der Verfasser nicht einmal versucht zu belegen); aber für nichtchristlich-außerkirchliche „persönliche Einkehr“ ist es im Kirchenraum willkommen. Die Anbetung des in seinem Leib und Blut real gegenwärtigen Gottessohnes soll der esoterischen „Begegnung mit dem Übernatürlichen“ weichen.] Besonders auf dem Land sind sie zudem Identifikationsmerkmal und ein Sinnbild für Heimat in einer von Digitalisierung und Globalisierung geprägten Gegenwart. Als Zeichen für Gemeinschaft und Orientierung gelten sie also auch den Kirchenfernen etwas.
Die vom Mitgliederschwund gezeichneten Kirchen werden also auf lange Sicht nicht mehr allein Herren in ihren Häusern sein. Die Allgemeinheit wird Wünsche an die Kirchen und deren Gebäude herantragen. Die spirituelle Dimension wird aber zentral bleiben: Denn auch touristische Besucher schätzen Kirchen, die nicht nur steinerne Museen sind, sondern noch für Gottesdienste genutzt werden. [Die Touristen! Das ist doch mal ein Argument...] Wo Kirchen zunehmend vielzweckige Gebäude werden, könnten sich Gläubige auf ein altes Konzept zurückbesinnen: Die Hauskirche. [Die mit dem eigens für die Feier des Herrenmahls reservierten und eingerichteten Raum?] Schon Luther sah die Trias aus lateinischer, deutscher Messe und dem Hausgottesdienst. Als hyperlokale Gemeinschaft in einer von Individualisierung und einer wachsenden Zahl von Single-Haushalten geprägten Gesellschaft neue Impulse für Gemeinschaft und Spiritualität geben. Auch das 21. Jahrhundert wird Kirchen also neu für sich definieren. [Schade, dass die Christen die Definitionshoheit über ihre eigenen Gebäude an das Jahrhundert, (lat. saeculum, daher das Wort „Säkularisation“: weltlichmachung, der Welt angleichen), abtreten mussten...]



Das ist die Qualität des kirchensteuerfinanzierten katholischen Journalismus. Die Agenda ist klar: weg von allem, was "Heilig" ist, Sakramente spielen keine Rolle mehr, weshalb sie gleich gar nicht erwähnt werden.