Dienstag, 14. Januar 2020

Grenzen des Lehramts

Das Problem ist heutzutage nicht, dass man die Vollmacht des Lehramts in Glaubensfragen bestreitet. Das Problem ist, dass man dem Lehramt, insbesondere dem Papst, aber auch den einzelnen Bischöfen, viel zu viel Vollmacht zuspricht.

Aus der Einfügung von Joseph Ratzinger zu "Ordinatio sacerdotales" (JRGS 12, 144f.):

"Der Ausgangspunkt ist die Bindung an den Willen Christi. Der Papst wird so zum Garanten des Gehorsams. Die Kirche erfindet nicht selbst, was sie tun soll, sondern sie findet im Hören auf den Herrn, was sie tun und lassen muss. Dieser Gesichtspunkt ist für die Gewissensentscheidung jener anglikanischen Bischöfe und Priester entscheidend gewesen, die sich jetzt zum Übertritt in die katholische Kirche veranlasst wissen. Ihr Entscheid ist, wie sie deutlich genug erklärt haben, nicht ein Votum gegen die Frauen, sondern er ist ein Entscheid zu den Grenzen kirchlicher Autorität. Das kommt zum Beispiel sehr deutlich zum Ausdruck in dem Vorwort, das Bischof Graham Leonard der von Aidan Nichols geschriebenen theologischen Geschichte des Anglikanismus vorangestellt hat. Leonard spricht von vier neueren Entwicklungen, die das Gefüge auflösen, das für die Dialektik des anglikanischen Verständnisses von Kirche wesentlich ist. Die vierte dieser Entwicklungen sieht er in der »Macht, die der Generalsynode der Kirche von England gegeben worden ist, Fragen des Glaubens und der Sitte zu entscheiden und dies mit Mehrheitsvoten zu tun, als ob man Fragen dieser Art auf solchem Weg zur Entscheidung bringen könnte. Die Kirche von England weist die Lehrvollmacht des Papstes zurück, aber ihre Synode ist dabei, ein Lehramt auszuüben, das theologisch unbegründet ist und praktisch Anspruch auf Unfehlbarkeit erhebt.« Inzwischen sind ähnliche Stimmen auch in der Lutherischen Kirche in Deutschland laut geworden, wo sich zum Beispiel Professor Reinhard Slenczka nachdrücklich dagegen zur Wehr setzt, dass Mehrheitsentscheidungen kirchlicher Instanzen praktisch für heilsnotwendig erklärt werden und dabei vergessen wird, dass der »große Konsensus« in der Kirche, den die Reformatoren zur obersten Lehrinstanz erklärt haben, in der Übereinstimmung kirchlicher Lehre mit der Schrift und mit der katholischen Kirche besteht. Der Papst will mit dem neuen Dokument nicht eine eigene Meinungsäußerung durchsetzen, sondern gerade dafür einstehen, dass die Kirche nicht tun kann, was sie Will, und dass auch er, gerade er, es nicht kann. Hier steht nicht Hierarchie gegen Demokratie, sondern Gehorsam gegen Autokratie: In Glauben und Sakrament wie in den Grundfragen der Moral kann die Kirche nicht tun, was sie möchte, sondern sie wird Kirche gerade dadurch, dass sie in den Willen Christi einwilligt."

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