Sonntag, 23. Februar 2014

Unerfüllbare Gebote!!

»Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen« (Mt 5,43-44)

Liebe wie auch Abneigung und sogar Hass, sind Emotionen, die zu uns Menschen dazugehören, weil wir Menschen nunmal notwendig in irgendeine Beziehung zu anderen Menschen treten, egal was wir tun. Auch Schweigen ist eine Form der Kommunikation, auch Ablehnung ist ein Setzen in Beziehung. Mehr noch: Es gibt diese Emotionen, diese Haltungen in der Beziehung zu anderen, für uns nur im Kontrast mit ihren Gegensätzen: Wenn ich niemals Abneigung oder Gleichgültigkeit empfinde, wie kann ich Zuneigung spühren? Dass ich jemanden aus ganzem Herzen liebe merke ich ja gerade daran, dass ich sehr viel mehr für ihn empfinde, als für alle oder die meisten anderen, mit denen ich zutun habe. Wir haben nicht nur eine einzige Emotion, sondern ein ganzes Spektrum, das bis in Gegensätze reicht.

Die Forderung, den Feind zu lieben, ist ein hölzernes Eisen, es ist ein Widerspruch in sich. Mein Feind ist doch gerade dadurch definiert, dass ich ihn nicht Liebe, wie meine Freunde gerade dadurch meine Freunde sind, dass freundschaftliche Liebe (philia) in der Beziehung herrscht. Den Feind kann ich nicht lieben, denn in dem Moment, wo ich ihn liebe, hört er auf, für mich Feind zu sein.
Nun kann man diesen unerfüllbaren, weil widersprüchlichen Anspruch auf ein "erträglicheres" Maß herunterzubrechen versuchen, und die Aussage Jesu als ein Hendiadyoin verstehen: Den Feind lieben und für die Verfolger beten, das meint eigentlich das selbe, also besteht die Erfüllung darin, für die Feinde zu beten. Aber eine solche Lösung ist wohlfeil. Beten kann ich auch für jemanden, der mir fernsteht. Beten kann ich sogar für jemanden, den ich hasse. Für jemanden zu beten kommt ohne eine direkte menschliche Beziehung aus; ich muss denjenigen, für den ich bete, nicht kennen, muss ihm nicht in die Augen sehen, mich nicht auf ihn einlassen. Liebe hingegen, verlangt genau dies!

Es gibt keine Lösung.
Dass dieser Anspruch Jesu letztlich unerfüllbar ist, war für die, die Jesus hörten, durchaus klar, zumal Jesus das auch in aller Deutlichkeit zum Ausdruck bringt:
»Ihr sollt also vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist.« (Mt 5,48)

Es geht bei dem Anspruch Jesu, den Feind zu Lieben, nicht um irgendeine Kasuistik. Jesus schlüsselt dieses "Gebot" nicht auf, sowenig wie er das Gebot der Nächstenliebe aufschlüsselt. Es geht nicht um die Frage, bis wohin das reicht, oder was im Einzelfall "praktisch" oder "taktisch" zu tun ist. Darum kann Jesus eine bunte Auswahl lebensnaher Beispiele nennen (Mt 5,39-42.46-47) ohne jeden Anspruch auf "Rechtssicherheit". Die Rechtssicherheit, das war genau das, was Jesus hier abschafft, nämlich das "(Ein) Auge für (ein) Auge und (ein) Zahn für (einen) Zahn". Es geht nicht um die "rechnerische" (adäquate) Erfüllung eines Gebotes.
Es geht hier um eine grundlegende Gesinnung. Eine Gesinnung die gerade darum gewährleistet und immerzu ein Anspruch und ein Ansporn bleibt, weil das ihr zugrundeliegende "Gebot" letztlich unerfüllbar ist! Wir können nicht vollkommen sein, aber wir können und sollen immerzu danach streben! [Siehe auch hier.]

Es ist traurig zu sehen, dass man diesen unlösbaren Anspruch des Evangeliums sogar in der bischöflichen Verkündigung gegenwärtig meist völlig verwässert hat. Ist etwas schwer und anspruchsvoll, scheint es gar unerfüllbar, knickt man ein und erklärt es für nicht lebensnah, nur für einige wenighe Hochleistungsspirituelle gedacht, und überhaupt und sowieso haben wir soetwas doch schon längst überwunden!
"Zurück zu Jesus" wird gerufen; "mehr Barmherzigkeit" fordert man. Man meint aber gerade nicht den Jesus, der uns vor unlösbare, ja geradezu anmaßende Ansprüche stellt. Man meint auch nicht den Jesus, für den Barmherzigkeit gegenüber dem Sünder nie um ihrer selbst willen oder gar zur Ruhigstellung des Gewissens da ist, sondern stets nur den einen Sinn hat, eine Änderung im bisherigen Leben und Verhalten (metanoia, Umkehr!) zu ermöglichen.
Aber das ist der einzige Jesus, einen anderen gibt es nicht. Es ist der Jesus, der alle an sich ziehen und zum Vater bringen will.

Wenn man die Ziele so steckt, dass sie für jeden erreichbar sind, gerät man in einen gravierenden Widerspruch zur Botschaft Christi. Wer so vorgeht, der strebt nicht zum "Haus des Vaters" (vgl. Joh 14,2) und zu seiner (wenn auch auf Erden unerreichbaren) Vollkommenheit, sondern der bastelt im gemütlichen kleinen Maßstab seine eigene Puppenstube und gibt sich zufrieden mit status quo der Sünde. Eine solche Verkündigen ist reine Selbstgerechtigkeit; was man dann Barmherzigkerit nennt, ist nicht anderes als Gönnerhaftigkeit.

»Keiner täusche sich selbst. Wenn einer unter euch meint, er sei weise in dieser Welt, dann werde er töricht, um weise zu werden. Denn die Weisheit dieser Welt ist Torheit vor Gott. In der Schrift steht nämlich: Er fängt die Weisen in ihrer eigenen List.« (1Kor 3,18-19)

1 Kommentar:

  1. Nicht in 10000 Jahren könnte ein Mensch
    - seine Feinde lieben
    - auf sein Recht verzichten
    - vollkommen werden
    - Gott mehr lieben als sich selbst
    wenn
    - Gott nicht seinen einzigen Sohn auf die Erde gesandt hätte
    - Jesus nicht für unsere Sünden gestorben wäre
    - wir nicht in Leib und Blut Jesu Anteil an ihm haben könnten

    Doch weil das alles so ist, gibt es auch keine Ausrede.
    Wenn wir jeden Tag unser Bestes versuchen, kommen wir vorwärts.
    Grüße Uli

    AntwortenLöschen

Ich freue mich über Meinungen, (sinnvolles) Feedback und Hinweise aller Art. Fragen sind auch immer willkommen, eine Garantie ihrer Beantwortung kann ich freilich nicht geben. Nonsens (z.B. Verschwörungstheorien, atheistisches Geblubber und Esoterik) wird gelöscht. Trolle finden hier keine Nahrung.