»Die Unterscheidung nach natürlicher und künstlicher Verhütung ist auch irgendwie künstlich. Ich fürchte, das versteht niemand mehr.« (Quelle)
"Künstlich" heißt "künstlich". Heißt, es wird mit technischen Mitteln gemacht. Konkret geht es darum, mit chemischen (z.B. Pille, Spirale) oder mechanischen (z.B. Kondom, Diaphragma) Methoden bewusst Unfruchtbarkeit vorzutäuschen bzw. die Befruchtung und/oder Einnistung einer bereits befruchteten Eizelle zu verhindern - Zustände also, die in einem Organismus eigentlich Symptome einer schwerwiegenden Störung oder Krankheit sind.
"Natürlich" meint "natürlich". Meint, es geschieht ohne technische Eingriffe, nämlich allein aufgrund der Beachtung der Biologie - wohingegen die "künstlichen" Methoden, s.o., eine regelrechte Vergewaltigung der Biologie sind, die v.a. bei den chemischen Methoden gravierende Schäden verursachen können. [Spaß am Rande: Welche dieser Methoden ist wohl als "leibfeindlich" zu charakterisieren...?]
Man spricht bei Letzterem auch nicht von "Empfängnisverhütung", sondern "Empfängnisregelung".
War das jetzt so schwer? Unvermittelbar? Ich weiß aus Erfahrung, dass man diesen Unterschied jedem der zuhört in unter drei Minuten verständlich machen kann.
Was mich an dieser Aussage aber besonders wurmt ist nicht die Banalität dessen, was angeblich "niemand mehr versteht", sondern die Behauptung, die Unterscheidung zwischen künstlicher Empfängnisverhütung und natürlicher Empfängnisregelung sei "künstlich". Das will doch nicht anderes besagen (mittels eines recht mageren Wortspiels), als dass diese Unterscheidung willkürlich sei. Das ist sie aber, wie ich zeigte, durchaus nicht.
Ich will den hochwürdigen Herrn Bischof nun aber mal an seinen eigenen Worten messen.
Zur Frage nach Sex vor der Ehe sagt der Bischof:
»Ich als Bischof sage nicht: Das ist in jedem Fall gut. Wir können die katholische Lehre an diesem Punkt nicht verändern, aber Kriterien erarbeiten, anhand derer man sagt: In diesem oder diesem konkreten Fall ist es verantwortbar.« (Quelle)
Wie viele andere Kommentatoren, habe auch ich schon bei meiner ersten Lektüre hier das "leider" im Subtext mitgelesen. Leider können wir die Lehre nicht verändern.
Aber: Wenn man hier "Kriterien" für Ausnahmen erarbeiten würde, woran sollen die gemessen werden? Soll der Sex dann erlaubt sein, wenn es auf jeden Fall zu einer Eheschließung zwischen den Beteiligten kommt? Wie ließe sich das denn bitteschön garantieren? Tatsächlich gibt es soetwas wie "vorehelichen Sex" überhaupt nicht. Es handelt sich dabei nur um ein Etikett, das man nach erfolgter Eheschließung dem vorher geschehenen Sex zwischen den nun Eheleuten geben kann. Jeder "voreheliche" Sex ist ganz einfach außerehelicher Sex, da diese Menschen Hellseher sein müssten um ganz sicher zu wissen, dass sie später dann auch ganz sicher heiraten... und wenn die beiden vorher so sicher wüssten, dass sie heiraten werden, warum heiratet sie dann nicht gleich?... dann würde sich das mit dem "vorehelichen" Sex auch erübrigen...
Völlig egal, was man hier für "Kriterien" erarbeiten würde, eines ist wohl sicher: Es wird immer eine "künstliche", eine "gemachte" Unterscheidung sein... und das soll man dann plötzlich den Leuten vermitteln können?
Nein. Die Wahrheit ist, dass jede Unterscheidung zwischen erlaubtem und unerlaubtem außerehelichem Sex sehr viel weniger vermittelbar wäre als jene andere Unterscheidung, die der Bischof für unvermittelbar hält. Der Druck des Faktischen würde hier im Nullkommanix sämtliche Barrieren fällen. [Der Unterschied zwischen außerehelichem und ehelichem Sex ist wiederum durchaus plausibel, denn das Sakrament der Ehe bewirkt, so glauben wir, eine ontologische Veränderung der Beteiligten ("sie werden ein Fleisch sein"), und dem Sex kommt, als konstituierendem Element einer gültig geschlossenen und vollzogenen (und nur dann wirklich "unauflöslichen") Ehe, dabei eine gewichtige Bedeutung zu (eine gültig geschlossene aber noch nicht vollzogene Ehe kann vom Papst wieder gelöst werden).]
Das passt aber natürlich auch mit den ackermannschen Aussagen zur Wiederheirat zusammen, die, ginge es nach Bischof Ackermann, auch keine (schwere) Sünde mehr sein soll... mit so einer Aussage ist allerdings entweder die Unauflöslichkeit der Ehe, oder die Sündhaftigkeit von Ehebruch aufgehoben, eine andere Möglichkeit sehe ich nicht. Entweder besteht die "erste" gültige Ehe nicht mehr, dann ist sie also nicht unauflöslich gewesen; oder sie besteht noch, aber Ehebruch ist keine Sünde mehr. Es gibt hier kein Zwischending.
Im übrigen würde freilich eine solche Zerstörung der kirchlichen Sexualmoral auch zur Folge haben, dass all diejenigen, die sich um ein den Geboten Gottes gemäßes Leben mühen (indem sie eben nicht technisch verhüten und keinen außerehelichen Verkehr haben, sowohl vor ihrer Eheschließung als auch nach dem Scheitern einer gültigen Ehe oder gar nachdem sie böswillig verlassen wurden), verraten und verkauft werden. Das wäre mehr als nur ein Schlag in die Magengrube, das wäre der blanke Hohn gegenüber all denen, die ihr Leid Tag für Tag Gott aufopfern.
Oder, wie es Prälat Imkamp neulich in seinem Standpunkt auf katholisch.de ausdrückte:
»Die Frauen und Männer - es sind gar nicht so wenige - die sich oft unter schweren Qualen entschieden haben, nach einer gescheiterten Ehe in Treue zu Gottes Geboten, so wie sie vom Lehramt der Kirche in eindeutiger Kontinuität vorgelegt werden, auf eine zweite Partnerschaft zu verzichten; häufig verlassen, oft alleinerziehend, haben sie "attraktive Angebote" abgelehnt! [...] Die Leidenserfahrung dieser tiefgläubigen Menschen wird durch das Schweigen und Beschweigen von Priestern, Moraltheologen, Religionslehrern und auch Bischöfen erheblich verstärkt.« (hier; siehe dazu auch hier den "Brief aus Siena" aus diesem Anlass)
Möchten Sie, Herr Bischof Ackermann, diesen Menschen sagen "Was ihr da tut, ist ab sofort nicht mehr von Bedeutung. Sorry wegen der Unannehmlichkeiten all die Jahre."?
Das wäre die wirkliche Grausamkeit und die Antithese von Barmherzigkeit (vgl. hier)!
In der schlimmsten Lage befinde ich mich Gott sei Dank nicht, aber ich merke auch als Junggeselle sehr deutlich, wie ich mich (mit zahlreichen anderen jungen Leuten!) mit meinem Willen zur Treue zum Lehramt und zum göttlichen Gebot automatisch in einer "Diaspora innerhalb der Kirche" wiederfinde, in der mir das Leben von meinen eigenen Hirten (Freiburger Handreichung! z.B. hier) schwer gemacht wird, weil ich treu zur Kirche stehe.
Wie gesagt (hier), ich glaube, dass Bischof Ackermann insofern zu danken ist, weil nun doch einigen seiner Mitbrüder im Amt bewusst geworden zu sein scheint, dass es nicht weitergehen kann wie bisher, dass dieser Weg der faktischen Kirchenvolksverdummung und Desavouierung der kirchlichen Lehre nur ein Irrweg sein kann.
Vielleicht wäre es ja ein Anfang, wenn die DBK oder die einzelnen Diözesen sich mal bequemen würden, die entscheidenden lehramtlichen Dokumente (Humanae Vitae, Familiaris Consortio, Veritatis Splendor) mal wieder aufzulegen und unters Volk zu bringen. Zwar haben wir heute Internet, aber die wenigsten Pfarrein können das Zeug immer in x-facher Ausführung auf eigene Kosten drucken lassen.
Die Ausrede, diese Dokumente wiesen einen schulmeisterlichen Ton auf, kann wohl nur jemand bringen, der die Dokumente nicht gelesen hat... und selbst wenn: Diese Dokumente gelten für die ganze Weltkirche - eine "Inkulturation" durch die Zuständigen vor Ort ist eigentlich sebstverständliche Aufgabe dieser Zuständigen und durchaus kein Grund bockig zu werden! Das erinnert an die Klage, der Katechismus der Katholischen Kirche sei für eine bestimmte Schulklasse ungeeignet (vgl. dazu hier)... Ja! Weil der KKK der objektiv geltende Maßstab für alle Katholiken weltweit ist! Die Vermittlung im Einzelfall ist Aufgabe der dazu bestellten Glieder der Kirche; wäre es anders, bräuchte es keine Katecheten und Religionslehrer. Gleiches gilt für die kirchliche Morallehre: Die Dokumente des Lehramtes bieten die Inhalte und erste Erklärungen, die Vermittlung muss an Ort und Stelle geschehen.
Achja, eines dazu noch: 1996 verlegte die DBK unter den "Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls" auch die Nummer 127 dieser Reihe, die zwei Schreiben des Päpstlichen Rates für die Familie beinhaltet: "Menschliche Sexualität: Wahrheit und Bedeutung" und "Die Vorbereitung auf das Sakrament der Ehe". Man sollte meinen, da diese Themen für jede Generation von Heiratswilligen gleichermaßen wichtig sind, dass diese Dokumente ständig verfügbar und entsprechend bekannt und auch verbreitet sind. Sind sie nicht. Waren sie auch kaum jemals. Ich kenne es nur aufgrund meiner privaten intensiven Beschäftigung mit dem Thema, noch nie ist es mir auf pfarrlicher oder diözesaner Ebene, oder gar im Theologiestudium begegnet (sowenig wie die Enzyklika Veritatis Splendor, vgl. dazu hier).
Erschreckend viele Katholiken wissen nicht einmal, dass es einen "Päpstlichen Rat für die Familie" gibt, der auch noch mit zahlreichen Laien (Eltern!) besetzt ist; noch weniger wissen, dass dieser Rat sich auch des öfteren, nicht ohne eine gewisse Autorität, durchaus maßgeblich äußert. Hier (klick) findet sich immerhin eine PDF-Version dieser Dokumente. "Inkulturierende" Sekundärliteratur zu all den genannten und weiteren weltkirchlich relevanten Dokumenten und Verlautbarungen, oder auch offizielle Veranstaltungen zu ihrer Erschließung, gibt es in deutschen Landen bisher nahezu keine, was gewiss ein Grund für das "miserable" Umfrageergebnis ist (s. hier).
Der Fairness wegen ... die "irgendwie künstliche" Unterscheidung zwischen Empfängnisregelung und Empfängnisverhütung meint wahrscheinlich den Umstand, daß ein Ehepaar die Phasen sexueller Aktivität zwar auf den Zeitpunkt "berechnen" kann, zu dem eine Schwangerschaft kaum wahrscheinlich ist, und diesen Zeitpunkt nutzen darf, sexuell aktiv zu sein, ohne das "Risiko" einer - aus welchen Gründen auch immer nicht gewollten - Schwangerschaft eingehen zu müssen, es aber nicht erlaubt ist, einen solchen Zeitpunkt durch entsprechende Mittel aktiv herbei zu führen.
AntwortenLöschenEhm... ein Kondom oder die Pille "führen" aber nicht einen unfruchtbaren Zeitpunkt "herbei". Es ist ja keineswegs so, dass man ein Mittelchen nimmt oder eine mechanische Barriere aufbaut und dann "ist" die Frau unfruchtbar. Es wird bei der Verhütung ja gerade die natürliche Abfolge von "Zeitpunkten" zerstört: bei der Pille wird im grunde eine ständige Schwangerschaft simuliert und das Kondom fungiert als Barriere, die die Fruchtbarkeit ganz einfach aussperrt.
LöschenDas alles spielt sich in einer ganz anderen Kategorie ab als einfach nur den Zeitpunkt des Verkehrs auf den (unmanipulierten!) biologischen Zyklus abzustimmen.