Immer wieder traurig, wenn man einen Theologen erlebt, der offenbar seine Arbeit ausschließlich am Schreibtisch tätigt. Positiv dabei ist die Klarheit: dass er einer klaren Agenda folgt, so abstrus diese auch sein mag.
Hans Reinhard Seeliger ist Patrologe und er hat für katholisch.de einen kleinen Artikel geschrieben, in dem er uns den Zölibat als "auf miesen Prämissen entstanden" madig zu machen versucht, indem er zeigt, dass das Christentum in seinen ersten Jahrunderten nämlich echt total familienfeindlich war, ey! (Ein ungewohnt niedriges Niveau für die ansonsten sehr zu empfehlende offizielle Nachrichtenseite der DBK...)
Natürlich ist der Artikel sehr kurz und daher schwerlich erschöpfend. Dennoch scheint mir der Makel zu gravierend: Im Wesentlichen hängt sein ganzes Argument an einem Zitat aus der Offenbarung: "Sie sind es, die sich nicht mit Weibern befleckt haben; denn sie sind jungfräulich." (Offb 14,4a; ein halber Vers!) Er unterfüttert das dann noch mit zwei sicherlich überaus sorgsam ausgewählte Kirchenväterzitaten (freilich ohne Quellenangabe).
Das ist sehr traurig.
Nicht, weil jeder gescheite Neutestamentler ihm erzählen könnte, dass jene Stelle sich nicht gegen Familien richtet, sondern gegen das Nachgeben bei Versuchung und "geteilte Liebe". Es geht dabei um Keuchheit und Reinheit vor Gott, nicht um eine Verdammung von Sexualität oder Familie (vgl. Offb 21,6; der Kontext und die zweite Hälfte des Verses sind auch bereits sehr aufschlussreich). Es ist auch nicht darum traurig, weil es viele Zeugnisse im NT gibt, die eine regelrechte Hochachtung für Sexualität und Familie ausdrücken (vgl. etwa die Anweisungen an die Familien in Eph 6,1-4 oder die Anforderungen an einen Bischof in 1Tim 3,1-5; vgl. z.B. auch die hohe Wertschätzung der Familie in 1Kor 7,14 uvm.).
Nein, es ist v.a. darum so traurig, weil damit wieder einmal jedem "Feind" der Kirche billige (niveau- und realitätsferne) Munition gegeben wird: "Seht, sie sehen endlich selber ein, dass ihre Religion menschenverachtend ist." Ganz zu schweigen davon, dass es nicht stimmt, da sich mit Leichtigkeit viele Väterzeugnisse erbringen lassen, die ein ganz anderes Bild zeigen (v.a. bei Johannes Chrysostomus, Tertullian und Ambrosius, ja sogar bei Augustinus, wenn dieser etwa seine Mutter lobt).
Gerade Johannes Chrysostomus hatte auch mit solchen Vorurteilen zu kämpfen (die es ja auch nicht grundlos gab, sie stimmten halt nur nicht mit der Wirklichkeit "des Christentums" überein), wenn er sein Gegenüber fast schon rhetorisch fragt: "Was sagst du da, Mensch? Haben denn die Mönche allein das Privileg des göttlichen Wohlgefallens?" (Homilie zur Genesis, 21)
Dass die Schlussfolgerung (würde es stimmen, was er sagt), darum sei der Zölibat schlecht, davon unabhängig ziemlich hanebüchen ist, behandle ich vllt. ein andres Mal...
PS. Ich empfehle zum Thema Zölibat diesen sehr guten Vortrag von Dr. Johannes Kreier in Saarbrücken:
http://gloria.tv/?media=262069
http://gloria.tv/?media=263723
http://gloria.tv/?media=264992
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