Freitag, 26. September 2014

Der ewige Plan Gottes


Für alles gibt es eine Zeit;
und jedes Vorhaben
hat unterm Himmel eine Stunde.

Für das Geborenwerden gibt es eine Zeit
und eine Zeit fürs Sterben,
fürs Pflanzen eine Zeit
und eine Zeit, Gepflanztes auszureuten.

Fürs Töten gibt es eine Zeit
und eine Zeit fürs Heilen,
fürs Niederreißen eine Zeit
und eine Zeit fürs Aufbauen.

Fürs Weinen gibt es eine Zeit
und eine Zeit fürs Lachen,
fürs Klagen eine Zeit
und eine Zeit fürs Tanzen.

Fürs Steinewerfen gibt es eine Zeit
und eine Zeit fürs Steinesammeln
und fürs Liebkosen eine Zeit
und eine Zeit für das sich Meiden.

Fürs Suchen gibt es eine Zeit
und eine Zeit, verloren zu gehen,
fürs Aufbewahren eine Zeit
und eine Zeit, sich nicht darum zu kümmern.

Fürs Reißen gibt es eine Zeit
und eine Zeit fürs Nähen,
fürs Schweigen eine Zeit
und eine Zeit fürs Reden.

Fürs Lieben gibt es eine Zeit
und eine Zeit fürs Hassen,
für Kriege eine Zeit
und eine Zeit für Frieden.

Was nützt es dem, der etwas tut,
daß er sich müht?

Ich hab den Gegenstand erkannt,
den Gott den Menschenkindern gab,
damit sich zu befassen.

Das All hat Er zu seiner Zeit so schön gemacht;
dazu die Welt in seine Mitte hingestellt;
doch nie begreift der Mensch vom Anfang bis zum Schluß
das Werk, das einst die Gottheit machte.

So komm ich zur Erkenntnis:
Nichts Besseres gibt's für sie,
als sich zu freuen
und gütlich sich zu tun im Leben.

Wo immer nur ein Mensch ißt oder trinkt
und sich an aller seiner Mühe freut,
ist's eine Gottesgabe.

Ich weiß,
daß alles, was die Gottheit je verhängt,
für immer Geltung hat.
man kann dazu nichts tun
und auch davon nichts nehmen.
Die Gottheit hat das so gemacht,
daß man sich vor ihr fürchte.

Was ist, war längst,
was sein wird, schon gewesen.
Die Gottheit sucht verwehte Spuren auf. 


(Koh 3,1-15; Foto: Aus dem Kreuzgang im Stift Heiligenkreuz)

Kosmas und Damian

Die beiden "wundertätigen Ärzte", Kosmas und Damian, starben für ihren Glauben dort, wo heute Nordsyrien ist. Bereits im vierten Jahrhundert gab es mehrere Kirchen zu ihren Ehren. Sie waren Ärzte im Dienste des endgültigen Arztes: Die Kirchenväter kannten schon den Christus medicus, in unseren Breitengraden auch als "Christus der Apotheker" geläufig.

Schon vor der eigentlichen Konstituierung des Bundesvolkes am Sinai, gibt sich Gott so zu erkennen: "ich bin der Herr, dein Arzt" (Ex 15,26).
Gemeint ist freilich nicht das, was wir unter einem Arzt verstehen. Der göttliche Arzt, der in Christus Mensch wurde, ist einer, der nicht bloß den Körper, sondern auch den Geist zu heilen imstande ist. Der nicht bloß den Leib, sondern auch die Seele, von der Sünde gedrückt, wieder aufrichtet. Die Sakramente sind seine Medizin, allen voran die Eucharistie. Speise zum ewigen Leben, Befreiung von jeder Krankheit, Heilung jeden Gebrechens.


Sancti Cosma et Damiano, orate pro nobis!

Donnerstag, 25. September 2014

Die Wahrheit

Peter bringt es wiedermal unvergleichlich auf den Punkt (hier; lesen!):
»Die Kirche versperrt dem zivilrechtlich Verheirateten nicht den Weg zur Kommunion. Jeder, der in dieser Situation ist, kann selbstverständlich in eine Kirche gehen und die Heilige Kommunion empfangen. Aber sie weist darauf hin, daß in der Lebensführung ein Widerspruch zum Sakrament besteht, das einen fruchtbaren Empfang verhindert – einfach weil nur eines wahr sein kann. Entweder ist Christus in der bestehenden Ehe gegenwärtig oder nicht. Ich kann nicht selektiv Christus in dem einen leugnen – der Ehe, und in dem anderen annehmen – der Kommunion. Das ist kein disziplinäres Problem, sondern ein Lebenswiderspruch.

[...]

Selbst wenn die Kirche wollte, könnte sie die sakramentale Ordnung für jemanden nicht wiederherstellen, der sie nicht akzeptiert. Das wäre ein Widerspruch, keine Barmherzigkeit. Äußerste Kaltblütigkeit wäre es hingegen, wenn die Bischöfe in dieser Situation einem Druck nachgäben, statt sich auf ihr Amt der Leitung und Heiligung zu besinnen.«

Danke!

Mittwoch, 24. September 2014

Och menno

Der Bischof von Cordoba, Demetrio Fernández González, hat uns den ganzen Spaß verdorben, indem er vor ein paar Tagen, in einem länglichen Interview über viele wichtige Themen, u.a. eine nette kleine Äußerung des Papstes anlässlich des Ad-limina-Besuchs der spanischen Bischöfe ganz ungeniert ausgeplaudert hat (s. hier; auch kath.net hat das inzwischen aufgegriffen: hier).

Auf die Frage des Reporters, was denn mit den getrennt Lebenden sei, die sich zuweilen ja auch von der Kirche abgewendet hätten, antwortete der Bischof (mein Spanisch ist rostig, daher ohne Gewähr):

»Die Kirche sagt uns unablässig, dass wir diese Menschen willkommen heißen sollen, dass die Menschen nicht das Gefühl haben dürfen, ausgeschlossen zu sein. Und diese Maßnahmen können immer erweitern werden. Wir haben den Papst danach gefragt, und er antwortete, dass eine kirchlich verheiratete Person, die geschieden und zivil wiederverheiratet ist, nicht die Sakramente empfangen kann. Der Papst sagte, "dies wurde von Jesus Christus so eingerichtet und [auch] der Papst kann es nicht ändern". Ich sage das, weil die Leute manchmal sagen "alles wird sich ändern", aber es gibt Dinge, die sich nicht ändern können. Die Kirche verdankt sich ihrem Herrn und ihr Herr ist lebendig.« 

Das Interview war vor drei Tagen (s. hier). Bisher gab es keine anderslautenden (etwa dementierenden) Wortmeldungen, weder aus dem Vatikan, noch von den übrigen Teilnehmern des Ad-limina-Besuchs.
Tja... das nimmt natürlich der ganzen Aufregung irgendwie die Luft aus den Segeln. Steht uns nun die Rückkehr der Langeweile bevor?... *gäähn*

Ok, soviel dazu. Da wir das jetzt also geklärt hätten, können wir uns jetzt vielleicht ENDLICH mal um das eigentliche Thema kümmern: Die allseitigen gesellschaftlichen Angriffe auf Ehe und Familie und deren Stellung im Kontext der Neuevangelisierung... Bitte? Danke.

Freitag, 19. September 2014

Ratzingers Einwurf zur Debatte

eme|ri|tiert
Die Synode naht, die Lager bringen sich in Stellung, die Druckerpressen und Server laufen heiß.

Im Folgenden soll es kursorisch um einen Text von Joseph Ratzinger aus dem Jahre 1972 gehen, auf den sich Kardinal Walter Kasper in seinem "Evangelium von der Familie" ganz wesentlich stützen möchte (da hat er nahezu alle seine "Argumente" her - wobei er jedoch einiges verdreht). Ich habe diesen Text bereits in Teil 5 meiner kleinen Serie über "Dürftige Theologie" (hier) beiläufig erwähnt und wollte ihn, schon seit der Text von Kasper kurz nach dem Konsistorium öffentlich wurde, besprechen.
Ich will mich auf ein paar wichtige Punkte beschränken. [Leider ist der Text recht entlegen und sehr schwer zu bekommen, da er nur in einer einzigen Veröffentlichung zu finden und diese - natürlich - schon lange vergriffen und nie neu aufgelegt worden ist: J. Ratzinger, Zur Frage der Unauflöslichkeit der Ehe. Bemerkungen zum dogmengeschichtlichen Befund und zu seiner gegenwärtigen Bedeutung, in: F. Henrich/V. Eid (Hg.), Ehe und Ehescheidung, München 1972, 35-56.]

Kardinal Kasper hat es geschafft, das was Ratzinger aus Bibel und Väterzeit zusammengetragen hat, teilweise ins gefühlsmäßige Gegenteil zu verkehren oder zumindest arg zu beschönigen (weniger blumig ausgedrückt: Kasper verschweigt einiges!). So stellt Ratzinger etwa den Väterbefund wiefolgt dar: 
»Über die völlige Unmöglichkeit der Trennung einer christlichen Ehe, die zur Wiederverheiratung zu Lebzeiten des Gatten führen könnte, sind die Väter in Ost und West von Anfang an durchaus einig; irgendwelche Anzeichen für eine gegenteilige Auffassung in den beiden Hälften der Kirche lassen sich nicht finden. Das Zeugnis ist klar.«
Sogleich merkt der Theologe Ratzinger aber auch an: 
»Unterhalb der Schwelle der klassischen Lehre, sozusagen unterhalb oder innerhalb dieser eigentlich die Kirche bestimmenden Hochform, hat es offensichtlich immer wieder in der konkreten Pastoral eine geschmeidigere Praxis gegeben, die zwar nicht als dem wirklichen Glauben der Kirche ganz konform angesehen, aber doch auch nicht schlechthin ausgeschlossen wurde.« 

Interessant ist nun, dass Ratzinger sehr wohl um die Gefahr solcher "Geschmeidigkeit" weiß, wenn er über den Phänotyp der orthodoxen Praxis schreibt:
»Die Möglichkeit am Rande wird zu einer Alltäglichkeit und verdeckt damit in der Praxis, was in der Lehre als Hochform und Grundform weiterhin gilt.«
Zu Deutsch: Die "zweite Ehe" bleibt ein schweres Vergehen gegen göttliches Gebot (vgl. zur orthodoxen Praxis: hier). Außerdem betont Ratzinger wiederholt - im Einklang mit seiner wichtgsten Quelle: Origenes - dass solch eine Praxis schriftwidrig ist (was Kasper unredlicherwesie bei seinem Pochen auf Origenes verschweigt; siehe meine Behandlung von "Kaspers Origenes" hier).

Ratzinger vergisst auch nicht zu bemerken, dass die so genannte "Unzuchtsklausel" bei Matthäus (vgl. mein Text dazu hier) von niemand geringerem als Martin Luther, wohmöglich zum ersten mal überhaupt, als Legitimation einer Wiederheirat ausgelegt wurde.
Er stellt zwar summierend fest, dass die Kirche in ihrer Praxis zuweilen "unterhalb der Schwelle des Schriftwortes beginnen" müsse und spricht, wie dann später Kasper, von "Ausnahmen zur Vermeidung von noch Schlimmerem" - Ausnahmen freilich, die "den Charakter [...] der Hilfe in dringlicher Not" aufweisen, wie etwa "die missionarische Übergangssituation, aber auch die reale Notsituation der Kirchenunion" -, aber im Unterschied zu Kasper stellt Ratzinger durchaus kritisch fest:
»Damit aber entsteht die praktische Frage, ob man eine derartige Notsituation in der Kirche der Gegenwart benennen und eine Ausnahme beschreiben kann, die diesen Maßstäben genügt.«

Ratzingers Antwort auf diese kritische Anfrage ist im Wesentlichen das, was Kardinal Kasper vorschlägt (erste Ehe irreparabel, neue Verpflichtungen etc.), allerdings mit deutlich mehr Vorsicht formuliert. Und, wie gezeigt, gibt Ratzinger, anders als Kasper, den Väterbefund wahrheitsgetreu wider.

Das häufig vorgebrachte Argument des "Todes der Ehe" beschreibt Ratzinger in seinem Traktat als
»die Auflösung von Sein und Bewußtsein, bei der nur das im Bewußtsein des Menschen Anwesende auch als für ihn wirklich gilt (was aber praktisch einen Rückfall in die vorchristlich-römische Konsensualtheorie bedeutet: Wenn der Konsens zu bestehen aufhört, so sagt diese, dann hat die Ehe zu bestehen aufgehört). Theorien wie die, eine Ehe könne eben tot sein und existiere dann nicht mehr, sind Formen dieses Phänomenologismus, der den Menschen auf sein bewußtsein reduziert und ihm damit eben jene Tiefe verdeckt, die ihm der Glaube öffnen will.«

Demgegenüber stellt Ratzinger fest:
»Das Ja der Ehe hat in der Kirche teil an jener Endgültigkeit, die in der endgültigen Entscheidung Gottes für den Menschen zugleich als Möglichkeit des Menschen sichtbar geworden ist. [...] Die Ehe gehört zu jenen Grundentscheidungen menschlicher Existenz, die nur ganz oder gar nicht gefällt werden können, eben weil darin der Mensch als ganzer, als er selbst im Spiel ist, bis in jene Tiefe hinab, in der er von Christus angerührt, verwandelt, in sein am Kreuz geöffnetes und uns allen offenes Ich hineingenommen ist. Dies ist gemeint, wenn wir die Ehe "Sakrament" nennen.«


Es muss angemerkt werden, dass Joseph Ratzinger seit dieser Zeit das getan hat, wozu die meisten (v.a. deutschen) Theologen nicht in der Lage sind: Er hat dazugelernt. Er hat seinen Standpunkt seinem Erkenntnisfortschritt angeglichen und entsprechend geändert. Kurioserwesie wirft man ihm darum Inkonsistenz und Wankelmütigkeit vor, obwohl es eigentlich ziemlich klar ist: Er ist ein Mensch und hat sich irren können - und hat sich hi und da auch mal geirrt und seine Position in Verantwortung vor Gott, der Kirche und seinem Gewissen entsprechend geändert. Dass die meisten seiner Kollegen nicht den Mut haben, sich selbst (geschweigedenn anderen) dies einzugestehen, ist traurig. Das Hochhalten einer Idee bis zum Schluss, egal wie haltlos sie mit der Zeit wird (das Reiten toter Pferde), das ist, nicht nur unter Theologen, typisch deutsch.

Es spricht im Übrigen nicht gerade für Walter Kasper, dass er einen großen Namen zur Unterfütterung seiner Thesen heranzieht in dem vollen Bewusstsein, dass dieser große Name seit langem und wohlbegründetermaßen von der herangezogenen Position abgerückt ist. [Hilfreich ist hierzu jener Text, den der damalige Präfekt der Glaubenskongregation 1998 einer von der Kongregation veröffentlichten Sammlung von Studientexten zum hier behandelten Thema einleitend beigefügt hat (hier nachzulesen), der bereits 2011 vom Osservatore Romano aus der Versenkung geholt wurde (siehe hier) und der auch seit Kaspers Referat wieder im Umlauf ist.] Auch die nunmehr drei Interviewbücher geben hilfreiche Auskünfte.
Die Tatsache, dass Joseph Ratzingers Denken eine deutliche und zugleich konsequente Entwicklung durchgemacht hat, wobei er sich selbst (und Gott und seiner Kirche) stets treu geblieben ist, ist der Hauptgrund, warum er ein so bedeutender und großartiger Theologe ist! Der oft behauptete radikale, fast pathologische Gesinnungswandel während der 68er ist eine (sehr gut vermarktete, und darum inzwischen leider fast zum common sense avancierte) Erfindung von Hans Küng (das weiß ich mit ziemlicher Sicherheit, weil ich mich im Rahmen einer wissenschaftlichen Arbeit eingehend mit Ratzingers Schriften vor diesem "Termin" befasst habe und auch ein großer Fan seines Schaffens seit dem bin).




Noch eine aktuelle Anmerkung dazu (und den Titel dieses Beitrags rechtfertigend): In Theologenkreisen wird bereits seit einigen Wochen geflüstert, dass in dem im November herauskommenden Band 4 der "Gesammelten Schriften" von Joseph Ratzinger (der u.a. seine "Einführung in das Christentum" enthalten wird, wovon der Band auch seinen Titel nimmt) auch der oben behandelte Text zum Problem der zivil Wiederverheirateten mit aufgenommen werden soll (der Untertitel des Bandes "Bekenntnis - Taufe - Nachfolge" weist darauf schon hin: Es werden auch Texte aufgenommen, die die christlichen Stände betreffen). Das Pikante an der Sache: Es heißt, der emeritierte Papst habe diesen Text (irgendwann zwischen Februar und August 2014) für die Neuveröffentlichung persönlich einer Bearbeitung unterzogen.

Das provoziert natürlich die Frage, wie das mit der Erklärung des emeritierten Papstes vereinbar ist, sich ganz dem Gebet zu widmen. Klar hat sich der Emeritus im vergangenen Jahr schon einmal in einen akademischen Diskurs mit einem bekannten italienischen Atheisten begeben, insofern ist er bereits aktiv gewesen. Aber diese Episode ist doch wohl eher als akademisches Geplänkel zu verbuchen. 
Es ist an sich schon fragwürdig, hier eine Bearbeitung vorzunehmen, denn akademisch gilt: quod scripsi, scripsi. Ob dann in dem Band - der akademischen Redlichkeit wegen - auch das Original von '72 beigegeben werden wird, ist mir nicht bekannt.  
Für problematisch halte ich das v.a. deshalb, weil es hier - im Unterschied zu dem philosophischen Geplenkel mit Odifreddi - um ein brandheißes Thema geht, das die Kirche in Aufruhr gebracht hat, weil es sie selbst in ihrem (sakramentalen) Kern betrifft (so absurd es auch ist, dass die Bischofssynode ständig darauf reduziert wird). Eine Bearbeitung einer früheren Wortmeldung dazu (noch dazu einer so heiklen und seit dem von interessierter Seite immer wieder gern instrumentalisierten) hat notwendig den Effekt, dass sie als eine Wortmeldung zur aktuellen Debatte wahrgenommen wird. Und das sollte aufhorchen lassen: Ein Einwurf eines emeritierten Papstes zu einer der entscheidenden und weitreichendsten doktrinellen Fragen, denen sich die Kirche derzeit in ihrem Ringen um die Wahrheit stellen muss. (So abstrus das auch ist... das eigetliche Problem ist nämlich kein lehrmäßiges, sondern ein pastoral-katechetisches.)

Auf den ersten Blick scheint das lehramtlich kein Problem zu sein: Benedikt XVI. ist nicht mehr Papst und seine Äußerungen zu diesem Thema haben für das Lehramt nicht mehr Gewicht als die irgendeines anderen Theologen im Kardinalsrang. Aber de facto ist er ja nicht nur ein Theologe im Kardinalsrang, sondern er ist jene theologisch und kanonistisch noch recht unbekannte Institution mit dem Namen "emeritierter Papst"; er trägt nach wie vor die weiße Soutane und den Papstnamen - kein Kardinal tut dies.
Zudem hat es einen merkwürdigen Beigeschmack, wenn der Emeritus in seiner Bearbeitung Walter Kasper, der von Papst Franziskus ja ausdrücklich gelobt wurde, mehr oder weniger direkt widersprechen sollte (wovon auszugehen ist; Kaspers Ideen stehen jedenfalls im krassen Widerspruch zu dem, wie sich Ratzinger die letzten 40 Jahre geäußert hat; zudem hat Kasper, s.o., auch Ratzingers damalige Überlegungen, auf die er sich eigentlich stützen will, durchaus entstellt).
Don't get me wrong: Ich bin gespannt auf das, was Benedikt zu sagen hat. Aber es bereitet mir dennoch Kopfweh...

we will see...

Donnerstag, 18. September 2014

Immer mit der Ruhe!

Die Synode steht bevor, und das Klima wird hitzig
Es zeigen sich divergierende Positionen und Einsprüche, Lagerbildung, Schnellschüsse, Emotionen.
Was im medialen Mainstream berichtet wird, kann man in aller Regel ausblenden, denn die haben entweder keine Ahnung oder ihre eigene allzu durchsichtige Agenda.

Wenn nun Kardinal Kasper schmollt, weil ihm einige Kollegen widersprechen, ist es sein Problem, wenn er sich dadurch unglaubhaft macht (bei mir hats bereits gewirkt).
Es werden nunmehr in immer größerem Maßstab Begriffe in Beschlag genommen und instrumentalisiert (jeder, der was gegen Kasper sagt, ist letztlich gegen Barmherzigkeit!), es werden Seilschaften konstruiert und der Papst ist wahlweise ein neuer Garibaldi oder das arme Opfer einer Schlägerbande in Purpur (jeder, der was gegen Kasper sagt, ist letztlich gegen den Papst!).

Dieses ganze Gezänk und die ideologische Lenkung durch die Medien, die bewusste Manipulation und Irreführung ist schmerzlich. Aber sie ist auch unvermeidlich. Das ist nunmal die Art und Weise, wie es zugeht! Oder habt ihr etwa allen Ernstes etwas anderes erwartet?
In der ganzen Kirchengeschichte, an allen Konzilien und um sie herum wurde heftig diskutiert, nicht selten wurde man sogar handgreiflich. Auch während des letzten Konzils wurden in den Medien viele irreführende Meinungen verbreitet und allerlei hirnrissige Maximalforderungen gestellt. Jeder Hanswurst mit einem Stift hat seine Ergüsse zum Besten gegeben. Es werden eben alle Register gezogen. Und niemanden interessiert es, dass in diesem speziellen Fall etwaige Entscheidungen sowieso erst in einem Jahr gefällt werden... Hauptsache, man hat Stimmung und Meinung produziert und kann sein Programm forcieren. Jeder tut es, nicht nur die "Liberalen".

Immer mit der Ruhe! 
Beten! Dass die Synodenväter sich von dem Lärm nicht beeindrucken lassen und es der Heilige Geist ist, der sie leitet.
Die Ehe und die Familie sind in unserer Gesellschaft das bevorzugte Schlachtfeld, auf dem sich der Vater der Lüge so richtig austobt. Betet, dass die Kirche diesem Angriff auf das sacramentum magnum (Eph 5,32) standhalten kann und den Feind zurückdrängt. Die eigentliche Herausforderung ist überhaupt nicht das, was gerade so hitzig diskutiert wird und was uns die Medien als das eigentliche "heiße Eisen", das an der Synode angepackt werden soll, verkaufen. Die eigentliche Herausforderung besteht darin, die Wahrheit und die Schönheit, die Würde und den Wert der Ehe und der Familie zu schützen, zu stärken und wieder neu fruchtbar zu machen.
Dass die Synodenväter, versammelt um Petrus, dies erkennen und betreiben, dafür sollten wir alle beten!

Und die Kirche wird auch nicht untergehen.

Schöne Maschine

Ich war immer schon etwas old-school... Ich bevorzuge Mechanik gegenüber Elektronik und "natürliche" Materialien (inkl. Glas, Keramik und Metall) über alles was "Kunststoff" ist.
Mechanik ist im Unterschied zu Elektronik haltbarer, weniger anfällig, intuitiver, "greifbarer" und nahezu unbegrenzt reparabel (wenn man weiß wie)...
Ich war stets misstrauisch gegenüber Geräten, deren Fehlfunktionen oder Nichtfunktion nicht mit Hammer und Schraubenzieher ("von Hand") repariert werden konnten.
 
Vor einer Weile bekam ich eine alte Schreibmaschine in die Hände - sie wurde jahrelang von Kindern als "Spielzeug" maltretiert und hat entsprechende "Aufhübschungen" erfahren - zur Reparatur (normalerweise hab ichs, was Reparaturen angeht, eher mit Holz). 

Nach ausgiebiger Säuberung (es war alles, was noch irgendwie in die Kategorie "Malutensil" fällt, darauf vertreten, dazu viel Staub, grober Dreck, Klebstoff u.a.) und einigen kleineren Reparaturen bzw. Justierungen an Bandlauf, Typen und Wagen, funktioniert sie inzwischen wieder tadellos und funkelt, als wäre sie fabrikneu (von zwei kleinen Macken an der Abdeckung abgesehen, weil der Vorbesitzer selbige beim Rollenwechsel - oder einfach aus Spaß an der Freude - ausgesprochen falsch gehandhabt hat).
Ich habe seit Kindertagen keine Schreibmaschine mehr verwendet (mich gleichwohl "theoretisch" damit befasst), darum hatte das einen besonderen Nostalgiebonus. Und mit ein wenig Feingefühl, Neugier und Ausprobieren, ist auch bald die Funktionsweise aller Hebelchen und Knöpfe klargeworden. Der Vorteil von Mechanik gegenüber Elektronik ist eben dies: Augen genügen um ein Problem zu finden und Hände/Werkzeug, um es zu beheben. Als Dank für meine Mühen, bekam ich die Maschine vom früheren Besitzer geschenkt, worüber ich mich sehr freue.

Die Maschine und ihr Koffer verraten: Es handelt sich um eine Hermes 3000 der schweizer Firma Paillard aus dem Jahr 1958. Bei meiner "Inspektion" wurde mir schnell klar, dass es eine enorm gut verarbeitete und robuste Maschine ist und dass sie eine (für die damalige Zeit) erstaunliche Fülle an Funktionen und Komfort bietet. Und sie ist auch Ästhetisch sehr ansprechend, nichts zuletzt wegen ihrer geschwungenen Formen (s. Bild). Sie kommt im schicken blass-grün der Zeit mit zahlreichen verchromten Elementen - très chic! Das komplette Gehäuse und die funktionalen Elemente sind aus Metall, nur einige Bedienelemente (Walzendreh- sowie Wagenlöseknöpfe und natürlich die Tasten) sind aus Plastik.

Das Internet hält noch einige interessante Informationen bereit: Bei ebay findet man diese Maschine, je nach Zustand, für 100 bis 400 Dollar zu kaufen (passende Farbbänder gibt es übrigens auch hierzulande bei entsprechenden Fachhändlern zu erwerben).
Wie sich herausstellt, ist es insofern eine ganz besondere Maschine, weil sie offenbar bei Nostalgikern einen ziemlichen Kultstatus hat, v.a. die Amerikaner fahren voll drauf ab. Wohl nicht ganz so kultig wie die zwei Jahrzehnte ältere "Hermes Baby", aber eine Bildersuche bei Google fördert dennoch Erstaunliches zutage... manch einer hat sich seine Hermes 3000 sogar vergoldet...

Man hört ja ab und an von dem ein oder anderen Schriftsteller, welch musische Eigenschaften so eine Old-School-Schreibmaschine habe... Nun, aus dieser Sparte fand sich in den Weiten des Netzes folgende Anekdote über die Hermes 3000 (klick):
»After winning a 2006 Golden Globe for his co-screenwriting on Brokeback Mountain, novelist Larry McMurtry caused a certain amount of confusion when his acceptance speech deviated from the familiar litany of award-show thank yous. Instead of acknowledging the usual suspects—mom, dad, husband, wife, agent, stylist, Jesus, etc.—McMurtry made the following statement: “Most heartfelt, I thank my typewriter. My typewriter is a Hermes 3000, surely one of the noblest instruments of European genius.”«

Soso, ein Golden Globe Gewinner ist der Meinung, dass die Hermes 3000 "surely one of the noblest instruments of European genius" ist. Na dann...

Ich weiß noch nicht, was ich mit der Maschine mache... vielleicht schreibe ich Briefe damit.

Mittwoch, 17. September 2014

Spielverderber

Lehrer der Weisheit
»Mit wem soll ich also die Menschen dieser Generation vergleichen? Wem sind sie ähnlich? Sie sind wie Kinder, die auf dem Marktplatz sitzen und einander zurufen: Wir haben für euch auf der Flöte gespielt und ihr habt nicht getanzt; wir haben Klagelieder gesungen und ihr habt nicht geweint.
Johannes der Täufer ist gekommen, er isst kein Brot und trinkt keinen Wein und ihr sagt: Er ist von einem Dämon besessen. Der Menschensohn ist gekommen, er isst und trinkt; darauf sagt ihr: Dieser Fresser und Säufer, dieser Freund der Zöllner und Sünder!« (Lk 7,31-34)

Jesus ist Realist. Er erzählt nicht nur das Gute, Heile, Schöne, sondern er kennt und benennt auch die Sünde, die Eifersucht, den Neid, die Intrigen der Menschen. Sein Realismus, und durchaus auch seine Beobachtungsgabe, geht so weit, dass er selbst die Welt der Kinder, die er andernorts selig preist ("Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder..."), nicht einfach rosafarben sieht und schildert.
Das Gleichnis von den spielenden Kindern (hier und in Mt 11,16-19 überliefert) ist einzigartig und in seiner Alltäglichkeit schon wieder ganz außergewöhnlich. Man hat es meist in eine von (mindestens) zwei verschiedene Richtungen ausgelegt: Einmal innerhalb des Volkes, sodann zwischen dem Volk und Gott.

1) Da sitzen Kinder auf dem Markt und wollen spielen. Die einen wollen etwas fröhliches Spielen, Musik machen und tanzen. Doch die anderen Kinder wollen nicht mitmachen. Dann wird vorgeschlagen, etwas trauriges zu Spielen, doch wiederum setzen sich die Spielverderber durch. Und am Ende spielt niemand, weil die Spielverderber allen das Spielen madig gemacht haben.
Es scheint sich darin der Widerstreit innerhalb des Volkes Israel gegenüber Jesus auszudrücken: Zuerst kommt Johannes der Täufer, doch den wollen nur wenige; dann kommt Jesus, doch den wollen noch weniger. Die Parteiungen verderben sich gegenseitig das "Spiel" und Jesus gerät in die Mühlen zwischen den einen die etwas wollen und den anderen, die nicht wollen. Und am Ende sind alle die Verlierer.
Also: Lassen wir uns nicht von den Spielverderbern reinreden, sondern halten wir uns an Gott und seine Kirche!

2) Die einen Kinder wollen etwas tun und sie verlangen, dass die anderen Kinder mitmachen. Wenn sie sich weigern, dem Willen und den Launen der Ersteren nachzukommen, werden sie gescholten. Nie kann man es ihnen recht machen, immer haben sie etwas auszusetzen und verweigern sich.
So in etwa gehen die Kinder Israels mit den Gnaden Gottes um: Sie wollen selbst bestimmen, sie wollen, dass Gott im wahrsten Sinne nach ihrer Pfeife tanzt. (Die redensart leitet sich hiervorn allerdings nicht ab; die geht auf das Motiv des "Totentanzes" zurück.) Konkret: Sie wünschen sich einen politischen Messias, der tut, was SIE im Sinn haben. Wird ihr Wille nicht erfüllt, gibt es Rüge. So wie das störrische Kind im Zorn sein Spielzeug zerbricht, wurde auch Jesus "zerbrochen".
Also: Seien wir keine Spielverderber und suchen wir nicht alles unter unseren Willen zu zwingen!

»Und doch hat die Weisheit durch alle ihre Kinder Recht bekommen.« (Lk 7,35)
Gott versucht es mit verschiedenen Mitteln. Johannes der Täufer tat es mit Furcht, rief zur Umkehr; Jesus ruft zum Glauben. Johannes sagte: "fleht um Erbarmen!" Jesus sagt "dankt für das Erbarmen!" Das Volk aber verschränkte sich in sich selbst, suchte und fand vermeintlich die Schuld bei dem, der gesandt wurde es zu erlösen.
Am Ende setzt sich die Weisheit durch. Es sind die Kinder der Weisheit, die am Ende mit dem Herrn siegen werden.

Dienstag, 16. September 2014

Unwohlsein bei der Kritik

Bin ich der Einzige, dem es so geht? Ein Gedanke.

Wenn geweihte Amtsträger, Bischöfe zumal, sich dem theologisch Gebildeten als theologische Banausen zu erkennen geben, weil sie Aussagen tätigen, für die jeder noch so wohlwollende Prüfer einen Theologistudenten ohne jegliche Bedenken durch die Prüfung rasseln lassen würde, bekomme ich jedesmal durchaus eine Art Unwohlsein, das nur schwer in Worte zu fassen ist.

Ich frage mich dann immer, wenn ich etwa (siehe z.B. hier oder hier) die Äußerungen eines Bischofs zerpflücke - nachdem ich mich eine ganze Weile in Grund und Boden geschämt und geärgert habe, weil er solchen Mist verzapft hat - welches Recht ich eigentlich habe, dies zu tun. Und ich frage nach mehr als Recht: Habe ich die Kompetenz? Steht es mir, einem Laien, einem Studenten, einem winzigen Glied am Leibe Christi, überhaupt zu, hier Kritik an einem rechtmäßig bestellten Nachfolger der Apostel zu üben?
Ich fühle mich nicht wohl dabei, einen geweihten Amtsträger als entweder inkompetent oder, was Gott verhüten möge, als Lügner zu entlarven. (Wobei ich stets nach dem Prinzip lebe, nie Böswilligkeit anzunehmen, wo Dummheit als Erklärung ausreicht.)
Warum fühlt sich das komisch an? Ist es, weil ich Laie bin und er Bischof? Ist es, weil ich von einem Bischof zu viel erwartet habe? Ich weiß aber doch, dass die Wirkung des Weihesakramentes nicht darin besteht, den Intellekt oder gar die Heiligkeit zu erhöhen.
Schon vor einer ganzen Weile fand ich heraus, dass mein Unwohlsein durchaus berechtigt ist. Es finden sich interessante Paralllen, wenn man sich mal die Rechtslage dazu anschaut. Meinungsfreiheit besteht nämlich in der Kirche nicht derart, wie dies im Staat der Fall ist.

Entscheidend ist hier der Canon 212 im Codex Iuris Canonici:
»Can. 212 — § 1. Was die geistlichen Hirten in Stellvertretung Christi als Lehrer des Glaubens erklären oder als Leiter der Kirche bestimmen, haben die Gläubigen im Bewußtsein ihrer eigenen Verantwortung in christlichem Gehorsam zu befolgen.«

Das ist zunächstmal nicht so schlimm, finden sich doch die meisten hier relevanten Entgleisungen der Amtsträger nicht in lehramtlicher Form, sondern in Interviews und Vorträgen. Schwierig wird es, wenn, wie in deutschen Landen nicht selten der Fall, der eigene Hirte sich ganz offiziell in einen eklatanten Widerspruch zur Gesamtkirche setzt.
Aber lesen wir mal weiter:
»§ 2. Den Gläubigen ist es unbenommen, ihre Anliegen, insbesondere die geistlichen, und ihre Wünsche den Hirten der Kirche zu eröffnen.«
Ich habe also, auch als Laie, soetweas wie Meinungsfreiheit gegenüber den Hirten. Ich darf den Hirten meine "Anliegen" "eröffnen". Wohlgemwerkt: Dass hier gebrauchte Verb patefacere bedeutet offenlegen, enthüllen. Es handelt sich nicht um eine Kundgabe oder eine Unterbreitung, und noch weniger um eine Forderung. Der, dem ich meine Anliegen eröffne, ist zu keiner irgendwie gearteten Reaktion verpflichtet. Er könnte sich schweigend abwenden und seinem Tagwerk nachgehen. Als Laie habe ich demnach zunächst noch nicht einmal ein "Recht" darauf, auch nur angehört zu werden. 
Wichtig: In diesem Paragraphen geht es um das Verhältnis des Gläubigen zum Hirten, die Richtung ist daher sehr eng geführt und es findet, wie in einem vertraulichen Gespräch oder einem Brief, keine Auffächerung auf eine "breite Basis" (Dialogprozess?) statt.

»§ 3. Entsprechend ihrem Wissen, ihrer Zuständigkeit und ihrer hervorragenden Stellung haben sie das Recht und bisweilen sogar die Pflicht, ihre Meinung in dem, was das Wohl der Kirche angeht, den geistlichen Hirten mitzuteilen und sie unter Wahrung der Unversehrtheit des Glaubens und der Sitten und der Ehrfurcht gegenüber den Hirten und unter Beachtung des allgemeinen Nutzens und der Würde der Personen den übrigen Gläubigen kundzutun.«
Wichtig ist hier: Dieser Paragraph befasst sich mit zweierlei Verhältnis, nämlich dem der Gläubigen zu den Hirten und zu anderen Gläubigen.
Wir lernen: Das Zur-Geltung-bringen oder Wahrnehmbar-machen eines Anliegens (im Lateinischen: manifestare gegenüber den Hirten und notam facere gegenüber den Gläubigen), besonders gegenüber anderen Gläubigen, im Unterschied zum obigen "Eröffnen", ist an Bedingungen geknüpft. Es kann nicht einfach jeder zu allem seine Wünsche herumposaunen und Gehör verlangen, sondern nur, wie es ihm zukommt. Aufgrund der von Christus eingesetzten ständehierarchischen Verfasstheit der Kirche (vgl. meine Ausführungen dazu hier) ist solch eine Gesetzgebung durchaus sinnvoll. 
Also: Wissen (scientia), Zuständigkeit (kompetentia), Stellung (praestantia) entscheiden darüber, ob sich jemand äußern darf. (Was das für die in deutschen Landen sehr gerne, oft und lauthals zu allen erdenklichen Themen sich zu Wort meldenden kirchensteuerunterfütterten Laienverbände und ihre Wortführer bedeutet, lasse ich hier mal unkommentiert.)

Diese Vorgaben bringen mich in eine gewisse Bredouille: Zwar könnte ich mir, aufgrund meines (noch nicht abgeschlossenen) Studiums, ein bescheidenes Wissen attestieren lassen (wobei freilich nochmal zu unterscheiden wäre zwischen Wissen und Verständnis... Letzteres geht gerade auch unter Theologen mit Ersterem nur erstaunlich selten einher), aber objektiv betrachtet, habe ich weder irgendeine Zuständigkeit, noch irgendeine Stellung, die es rechtfertigen würde, mich, wie hier auf diesem Blog, öffentlich kritisch (und zuweilen auch cum ira et studio) über die fragwürdigen Äußerungen (m)eines Bischofs auszulassen.
Meine festverdrahtete Ehrfurcht vor den Amtsträgern, die bisher auch von theologischen Ofenschüssen nicht gelockert wurde, und die Tatsache, dass ich mich in diesem Blog ja primär an andere Laien wende, kollidieren irgendwie mit c. 212 §3.
Natürlich hat dieses Gesetz hier keinen dogmatischen Rang und die apostolische Sendung auch innerhalb der Kirche gilt letztlich jedem Getauften. Der Canon spricht schließlich auch von der "Pflicht" des einzelnen Gläubigen! Ein gewisses Unwohlsein bleibt. Und die prophetische Gabe einere Caterina von Siena maße ich mir nicht an.

Ich musste mir (leider) schon sehr bald nach meiner Taufe mit einer Entscheidung behelfen: Wenn und insofern(!) der für mich zuständige Hirte ungehorsam gegenüber dem für ihn zuständigen Oberen ist (und - und das muss man heutzutage in Deutschland leider dazusagen - bei einem jeden Bischof ist dies der Papst bzw. die in seinem Namen agierenden Dikasterien der römischen Kurie, nicht die "Bischofskonferenz" oder ihr Vorsitzender!), hat er meinen Gehorsam verwirkt. 
Ich weiß, dass das Glatteis ist, auf das ich mich da begebe. Mein Unwohlsein ist irregulär. Will sagen: Dass ich mich in der Lage finde, manche Äußerungen (m)eines Bischofs nicht guten Gewissens kritiklos stehen lassen zu können, ist eine irreguläre Situation. Dass jemand seinem Bischof den Gehorsam versagen muss, im Gehorsam gegen Gott, Seine (ganze!) Kirche und das eigene Gewissen, ist an sich schon eine zutiefst zu bedauernde Notsituation.
[Natürlich nehmen auch die ZdK, BDKJ und kfd'ler dieser Welt ein ziemlich gleichlautendes Argument in Anspruch. Der Unterschied ist aber doch der, dass ich als Maßstab für meine Beurteilung den KKK und das sonstige Lehramt der Kirche nehme, nicht meine eigene Meinung oder die irgendwelcher "Theologen". (Für Katholiken gibt es nämlich einen objektiven und für jeden feststellbaren gültigen Maßstab: das Lehramt der Kirche - wer das nicht anzuerkennen gewillt ist, hat meiner bescheidenen Meinung nach die falsche Religion.)]


Lange Rede kurz: Ich fühle mich nie recht wohl bei meiner vielfach geübten Kritik.
Und auch auf die Gefahr hin, dass das jetzt pathetisch rüberkommt: Ich übe sie trotzdem, backe meine kleinen Brötchen (mit putzigen kleinen Kreuzchen drauf!), weil ich einen noch so bescheidenen Beitrag leisten will zum Wohl der Kirche. Und weil mir noch etwas anderes nicht nur Unwohlsein, sondern regelrechtes Leiden bereitet: Die absichtliche oder unabsichtliche Verblödung und Verblendung derer, die, mangels besseren Wissens und mit oder ohne eigene Schuld, den "Urhebern" und Multiplikatoren schlechter/falscher Theologie Glauben schenken. 
Liebe Bischöfe, hört auf mit dem Mist! Wie dankbar bin ich da einem Bischof Stefan Oster, dem als Hirte natürlich Wissen, Zuständigkeit und Stellung in umfassender Weise zukommen - und der unermüdlich für die Wahrheit eintritt!

Punkt

Zurück aus dem (Heimat)Urlaub.

Was es mit dem Foto auf sich hat, wird zu gegebener Zeit (sobald ich sie finde) näher erläutert. ;)

Samstag, 6. September 2014

Donnerstag, 4. September 2014

Dürftige Theologie - 13 - Bischof Johan Bonny

Bitte die Einführung (hier) beachten!


Mit dem reißerischen Titel "Bischof Bonny stellt päpstliche Weisungen in Frage" beglückte gestern Daniel Deckers die FAZ.de-Leser (hier). Ich will mich mit Deckers nicht befassen. Mir geht es um die "dürftige Theologie" des Antwerpener Bischofs Johan Bonny, wie sie in seiner "Denkschrift" mit dem Datum vom 1. September 2014 zum Vorschein kommt (hier nachzulesen).

Vorweg: Der Bischof macht es sehr deutlich, dass er mit Blick auf die kommende Synode in Rom "einige persönliche Erwartungen formulieren" möchte: "Ich tue das in meinem eigenen Namen." Sein Amt als Bischof setzt er hier dennoch sehr betont ein, und er nutzt auch die kirchlichen Strukturen seiner Diözese, um dieser seiner Privatmeinung möglichst große Verbreitung zu sichern (inklusive der zeitnahen Übersetzung in andere Sprachen).
Es gibt ein paar durchaus richtige und schöne Passagen in dem Text, aber leider auch einiges, das es zu hinterfragen gilt. Das sind manche z.T. gravierende theologische Schnitzer, die ich von einem Bischof, der auch im Vatikan eine gewisse "Karriere" gemacht hat, nicht erwarte. Vor allem kamen bei mir aber sehr schnell Zweifel an der Redlichkeit des Autors auf, weil er zuweilen eine etwas merkwürdige Verdrehung von Tatsachen vollzieht.

Ich habe nicht die Zeit den ganzen Text (26 Seiten!) Punkt für Punkt durchzugehen und greife nur mal die m.E. entscheidenden Punkte heraus:


1) Sehr zutreffend bemerkt der Bischof recht zu Beginn seines Textes dieses:
»Zur Vermeidung zunehmender Spannungen entscheid man sich in den 80er und 90er Jahren immer mehr für den Weg des Verschweigens [der kirchlichen Lehre].
[...]
Das schien die geeignete Karte zu sein, die sie [Bischöfe, Theologen, kirchliche Mitarbeiter] ziehen konnten, um ihre Aufgabe als "Hirten" mit gutem Gewissen und effizient auszuüben.«

Das ist insofern hilfreich, weil es seine hauptsächlichen Argumente völlig aushebelt, wenn er etwa im direkt folgenden Satz die "wachsende Kluft zwischen der sittlichen Unterweisung der Kirche und der moralischen Einsicht der Gläubigen" beklagt, die es zu überwinden gelte.
Also: Die Hirten verschweigen jahrzehntelang die Lehre der Kirche und das zu lösende Problem ist heute die Kluft zwischen der Lehre der Kirche und der Einsicht der Gläubigen. Nun, vielleicht wäre diese Kluft bedeutend kleiner, wenn die Hirten nicht die Lehre verschwiegen hätten? Aber nein, zu dem Schluss kommt Bischof Bonny nicht; die Lehre muss geändert werden!

Der Bischof betont sehr stark einen bei den Hirten entstandenen Gewissenskonflikt nach der Erscheinung von Humanae Vitae. Er meint, dass die Bischöfe zwar gerne dem Papst gehorscht hätten, sie sich aber stattdessen "der Wahrheit" verpflichtet fühlten. Das wird dann noch unterfüttert mit einer rührseligen Anekdote eines weinenden Bischofs in Audienz bei Paul VI. und mit einem angedeuteten Aristoteleszitat ("Amicus Plato..." und so angedeutet zitiert es auch Bonny!) das unmissverständlich klarstellt: Hier haben sich gestandene Männer mutig gegen den Papst gestellt, allein der Wahrheit verpflichtet!! Dass sich Paul VI. mit seiner Entscheidung geirrt habe, sagt Bonny nicht explizit... er sagt bloß, dass sich halt die Bischöfe zwischen dem Papst und der "veritas" hätten entscheiden müssen... und sie entschieden sich gegen den Papst (s.o.). Die meisten Bischöfe, so Bonny, zogen es vor zu schweigen.

Sehr befremdlich mutet der durchaus scharfe Vorwurf des Bischofs an, der Katechismus der Katholischen Kirche würde in den Abschnitten, die die Sexualmoral der Kirche behandeln (sechstes und neuntes Gebot), die Bedeutung des Gewissens in diesen Bereichen sträflich verschweigen: "Diese Auslassung ist eine Verfehlung gegenüber der Fülle des katholischen Denkens."
Dem aufmerksamen Leser des KKK fällt jedoch schnell auf, dass in keinem der Abschnitte, die die Gebote behandeln, die Rolle des Gewissens extra angesprochen wird. Der Grund ist simpel: Das Thema Gewissen (Gewissensurteil, Gewissensbildung, Entscheidung nach dem Gewissen, das irrende Gewissen) wird in aller Ausführlichkeit in einem eigenen Abschnitt, der den Abschnitten über die Gebote vorgelagert ist, behandelt (Nr. 1776-1802). Das erwähnt der Bischof natürlich nicht. Fragt sich, wer sich hier durch Auslassung verfehlt...

Ansonsten bleibt bzgl. des Gewissens alles beim Alten: Das übliche Missverständnis von der Autonomie und die Ausklammerung des kirchlichen Lehramtes (vgl. dazu meine ausführlicheren Darlegungen hier und, in lang, hier).


2) Nach dem "Gewissen" sind die nächsten Punkte, die der Bischof behandelt: Das Naturrecht a), der "Sensus fidei" b) und die "Komplementarität theologischer Modelle" c).

a) Mit dem Naturrecht will ich mich in dieser Serie noch ausführlicher befassen, darum lasse das hier aus.

b) Das mit dem sensus fidei hat der Bischof, wie oben gezeigt, eigentlich ja schon selbst ausgehebelt. Im Grunde versucht er es mit einer Demokratisierung der Wahrheit und betont, gestützt auf das Instrumentum Laboris für die kommende Synode, dass die kirchliche Lehre "von einer großen Mehrheit der gut informierten und loyalen Christen nicht mehr geteilt oder sogar abgelehnt" wird (zur Demokratie in der Kirche, siehe hier). Stellt sich nur die Frage, wer hier "gut informiert" sein soll, wenn, wie Bischof Bonny gleich mehrfach betonte, Bischöfe, Theologen und kirchliche Mitarbeiter jahrzehntelang die Lehre der Kirche verschwiegen haben. Auch fragt es sich, was hier das Wort "loyal" bedeuten soll, wenn bereits die kirchlichen Verantwortungsträger ihrer Dienstpflicht nicht nachgekommen sind und von allen Gläubigen gesagt werden kann, dass "eine große Mehrheit" die Lehre der Kirche "nicht mehr geteilt oder abgelehnt" hat... Wie kann ich loyal zur Kirche stehen, aber ihre Lehre ablehnen?
Bischof Bonny will sich auf das dieses Jahr erschienene Dokument der Internationalen theologischen Kommission über den "Sensus fidei im Leben der Kirche" stützen, aber er zieht daraus sinnwidrig den Schluss einer Demokratisierung der Wahrheit und lässt völlig unerwähnt, welche Kriterien jenes Dokument nennt, um diesen Glaubenssinn überhaupt feststellen zu können (dann würden nämlich seine "große Mehrheit" und die schweigsamen Verantwortlichen schonmal aus dem Raster fallen).

c) Bischof Bonny möchte Dialog und theologische Buntheit, und drückt dafür nochmal auf die Tränendrüse, wenn er einige ganz schrecklich zur Seite gedrängte und regelrecht verfolgte Moraltheologen benennt, denen es nach Humanae Vitae nicht so gut erging... Da ich nur einen von diesen genauer kenne, sei nur zu ihm ein Wort gesagt: Er bezieht sich u.a. auf den Moraltheologen Bernhard Häring.
Bereits 1968, kurz nach Erscheinen von Humanae Vitae, veröffentlichte Häring eine Erklärung, in der er, ein durchaus namhafter Moraltheologe, die Leute dazu anhielt: 
»Wer aber nach ernster Überlegung und Gebet überzeugt ist, daß in seinem Fall ein solches Gebot [d.i. das Verbot künstlicher Empfängnisverhütung] nicht der Wille Gottes sein könne, soll in innerem Frieden seinem Gewissen folgen und sich dabei nicht als Zweiter-Klasse-Katholik fühlen.«
Das ist natürlich eine individualistische und relativistische Haltung, die mit dem Katholischsein unvereinbar ist. Und sie nimmt im Grunde alles schon vorweg, was dann spätere Initiativen auf diözesaner Ebene propagieren. Häring unterlässt es auch nicht, später zu erwähnen, dass diese Stellungnahme "auf der ersten Seite der 'New York Times' und der meistgelesenen Zeitungen vieler Länder" veröffentlicht wurde. 1975 begann gegen Häring ein Lehrverfahren, in dem auch seine Haltung zu Humanae Vitae eine wichtige Rolle spielte, das aber 1979 versandete, da sich Häring hinter den Beschlüssen gewisser Bischofskonferenzen wohl zu verstecken wusste. Er unterstellte der Kongregation schließlich sogar eine "pathologische Situation". (Zitate aus: Bernahrd Häring, Meine Erfahrung mit der Kirche, Freiburg 1989)
Ob es wirklich klug war von Bischof Bonny, sich auf einen Theologen zu stützen, der in Rom definitiv eine persona non grata ist? Ich meine... wer würde z.B. in Rom ernsthaft zuhören, wenn er sich auf Hans Küng beziehen würde? Der Unterschied ist so groß nicht.
Der Ruf nach "Komplementarität theologischer Modelle" heißt für Bischof Bonny letztlich nichts anderes als dies: Das Lehramt hat seine Position, aber das ist ja nur eine mögliche Positionen... es gibt noch so viele andere!


3) In den weiteren Abschnitten wird es konkreter und Bischof Bonny erzählt einige Episoden, die ihm in seinem bischöflichen Dienst begegnet sind. Das meiste davon hat keinen wirklchen Bezug zum Thema, bei manchem kann man dezent erhaschen, dass es ihm offenbar auch um eine Anerkennung gleichgeschlechtlicher "Ehen" geht. Zum Lachen brachte mich jedoch diese Klage angesichts von römischem Einschreiten gegen Vorstöße mancher Bischöfe gegen die kirchliche Lehre:
»Wenn Bischöfe daran gehindert werden, ihren Mitarbeitern im Umgang mit unregelmäßigen Situationen verbindliche Leitlinien zu geben, werden diese verunsichert. Nicht selten werden Priester oder pastorale Mitarbeiter mit unregelmäßigen Situationen konfrontiert, in denen ein wohlüberlegtes Urteil notwendig ist. Mit Recht erwarten sie dabei von ihrem Bischof Kriterien und Leitung. Das Fehlen solcher Leitungsverantwortung kann aber zu noch größerer Verwirrung führen und die Autorität des Bischofs als ‚Hirte‘ des ihm anvert rauten Gottesvolkes weiter unterminieren.«

Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Wenn Rom Initiativen von Bischöfen, die der kirchlichen Lehre widersprechen, zurückpfeift, dann, sagt Bischof Bonny, werden dadurch die Bischöfe daran gehindert, ihren Mitarbeitern "verbindliche Leitlinien zu geben". Weil die Bischöfe daran gehindert werden, der kirchlichen Lehre widersprechende Initiativen zu ergreifen, schwindet ihre Leitungsvollmacht, was dann wiederum Verwirrung stiftet.
Mir verknotet sich dabei ein wenig das Gehirn: Hatte nicht Bischof Bonny vorher schon mehrfach gesagt, dass die Verantwortlichen den Gläubigen die kirchliche Lehre (und die damit verbundenen "verbindlichen Leitlinien"!) verschwiegen hätten? Wieso ist denn dann aber jetzt auf einmal Rom schuld? Können Bischöfe ihre Leitungsvollmacht etwa nur ausüben, wenn sie gegen die kirchliche Lehre verstoßen?
Sehr verwirrend das ist...

Zuzustimmen ist diesem Satz über die kirchenrechtliche Begrifflichkeit von regulären und irregulären Lebensumständen:
»Die Wirklichkeit ist oft viel komplexer, als es zwei begriffe wiedergeben können: gut oder schlecht, wahr oder unwahr, recht oder unrecht. Diese Art des zweipoligen Denkens wird selten der ganzen Lebensgeschichte von menschen und ihrer Situation gerecht.«
Mir scheint jedoch, dass es ohnehin ziemlich widersinnig wäre, den Leuten in der konkreten Pastoral den CIC um die Ohren zu hauen... wer tut das denn? Wäre es nicht die Aufgabe der Verantwortlichen (die es ja leider vorgezogen haben zu schweigen...), die kirchliche Lehre und ihre (sprachlich eher kruden) Gesetze pastoral angemessen zu übersetzen und umzusetzen? Kein Pfarrer sagt zu einem Verzweifelten Sünder im Beichstuhl "sie leben irregulär"... und wenn er es tut, dann ist er ein schlechter Seelsorger. Das ändert aber nichts an der Nützlichkeit kirchenrechtlich klarer Termini (die auch Bonny dann doch wiederum würdigt!).

Dann nennt der Bischof doch noch drei sehr konkrete Beispiele, die zum Thema passen. Verwunderlich ist jedoch, dass die Kirche zwar bereits für alle drei "Fälle" Lösungen parat hat, Bischof Bonny sie aber als ungelöst darstellt... diese Lösungen gehören eben dooferweise zu dem Fundus, den die Verantwortlichen so gerne verschwiegen haben...

Definitiv zurückzuweisen ist Bischof Bonnys Bemerkung, wonach die Unauflöslichkeit der Ehe dem Befinden der Eheleute anheimgestellt sei, wenn er schreibt:
»Wie Menschen an ihrer Beziehung arbeiten, wann sie sich für Kinder entscheiden, wie und wann sie eine Beziehung als 'unauflöslich' betrachten und erfahren: Es handelt sich um menschliche Wirklichkeiten, geprägt von Zeit und Kultur, von Herkunft und Bildung, von wechselnden Einsichten und Gefühlen.«

Seine Behauptung, das Ehesakrament sei erst im 12. Jahrhundert "definitiv in die Liste der sieben Sakramente aufgenommen" worden, ist zudem äußerst irreführend, denn es gibt nicht den geringsten Zweifel, dass die Ehe zwischen Christen auch schon von den Kirchenvätern als Sakrament (im engeren Sinne) betrachtet wurde. Das ist in etwa das gleiche Spielchen wie mit dem Kanon der Heiligen Schrift: Wann wurde der zum ersten Mal verbindlich festgelegt? Auf dem Konzil von Trient! Aber das bedeutet ja nicht, dass bis Trient alles beliebig war (war es auch nicht)!

Zu diesen abstrusen/falschen Auffassungen über das Sakrament passt es denn aber auch ganz gut, wenn Bonny späterhin Sakramente als bloße "Zeichen" definiert. Die Exklusivität der Ehe sei nur ein "Zeichen" für das "Bezeichnete", nämlich die Exklusivität der Liebe zwischen Christus und der Kirche.
Ist dann also nach dieser Logik die Taufe nur ein "Zeichen" für die "bezeichnete" Wiedergeburt in Christus zum ewigen Leben? Ist die Firmung nur ein "Zeichen" für die "bezeichnete" Gabe des Heiligen Geistes? Ist die Eucharistie bloß ein "Zeichen" für das "bezeichnete" Opfer am Kreuz? Ist die Vergebung der Sünden im Sakrament der Versöhnung nur ein "Zeichen" für die "bezeichenete" Vergebung Gottes durch Christi Tod am Kreuz? Ist die Priesterweihe nur ein "Zeichen" für das "bezeichnete" Hohepriestertum Christi? Ist die Krankensalbung nur ein "Zeichen" für die "bezeichnete" heilende und heiligende Gnade der Erlösung?
Klassischer Sakramententheologie-FAIL eines Erstsemestlers.


4) Bischof Bonny beklagt: "In den letzten Jahrzehnten überwog bei der Kirchenleitung ein defensives beziehungsweise antithetisches Modell [der Verkündigung]." Zu Deutsch: Man habe nicht die frohe Botschaft verkündet, sondern sich v.a. verteidigt und den Gegensatz zwischen Welt und Kirche betont. 
Ich kann diesen Vorwurf überhaupt nicht teilen, besonders nicht was das Themenfeld Ehe, Familie, Sexualität anlangt. Ob nun HV, FC oder die Theologie des Leibes: Aus alledem spricht nach meinem Empfinden vor allem eine großartige Wertschätzung und ein regelrechtes Lob auf die hohe Würde dieser so wichtigen Bereiche menschlichen Lebens. Dass Bonny jedoch den antithetischen und defensiven Charakter so streng zusammenfasst und gegen eine offenere Verkündigung stellt, irritiert, denn die beiden gehören keineswegs zusammen. Bonny selbst betont sehr schön die Wichtigkeit der antithetischen Verkündigung... Ich wünschte, der Bischof würde sich seine eigenen Worte zu Herzen nehmen:
»Nur durch eine radikale Rückkehr zur ewigen Wahrheit wird sich die Welt retten können. [...] Das Reich Gottes ist ja nicht mit den wechselnden Konjunkturen dieser Welt identisch. Es gehen von ihm eine widerständige Kraft und ein prophetischer Appell aus. Dass Gott die Welt ‚neu‘ macht, bedeutet, dass er sie gleichzeitig ‚anders‘ macht. Auch von Jesus und seinen Jüngern ging ein widerständiges Zeugnis aus. Sie lebten und handelten erkennbar nicht wie jedermann. Für dieses Anderssein musste Jesus übrigens einen hohen Preis bezahlen. Er endete als Verurteilter am Kreuz. Es kam für ihn schließlich zum ‚alle gegen einen‘!. Diesen widerständigen Unterschied muss die kirchliche Gemeinschaft auch weiterhin ausstrahlen, wenn sie ihrem Stifter und ihrer Sendung treu bleiben möchte.«


PS. Welcher Kontrast dazu sind die aktuellen klaren, unzweideutigen, (fachlich) richtigen und einfach nur in jeder Hinsicht "katholischen" Worte des Passauer Bischofs zum Thema der wiederverheirateten Geschiedenen: hier. Deo gratias!

Dienstag, 2. September 2014

Das Glück der Anderen

In dem, was uns die Liturgie der Kirche derzeit aus dem Leben Jesu vor Augen führt, befinden wir uns ganz am Anfang von Jesu öffentlicher Wirksamkeit, die damit beginnt, dass er in der Synagoge der Stadt, in der er aufgewachsen ist, predigt.
In der heutigen Perikope des Evangeliums (Lk 4,31-37) verlässt Jesus seine Heimatstadt und geht zum See Genezareth hinab, nach Kafarnaum, wo er denn auch sogleich einen Besessenen heilt. Die Leute sind erstaunt und begeistert, ihnen ist von Gott her etwas Gutes zuteil geworden.

In seiner Heimatstadt sah das noch anders aus, da waren die Menschen weniger "glücklich" mit ihm...
Aus der gestrigen Perikope:
»Da begann er, ihnen darzulegen: Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt. Seine Rede fand bei allen Beifall; sie staunten darüber, wie begnadet er redete, und sagten: Ist das nicht der Sohn Josefs?
Da entgegnete er ihnen: Sicher werdet ihr mir das Sprichwort vorhalten: Arzt, heile dich selbst! Wenn du in Kafarnaum so große Dinge getan hast, wie wir gehört haben, dann tu sie auch hier in deiner Heimat!
Und er setzte hinzu: Amen, das sage ich euch: Kein Prophet wird in seiner Heimat anerkannt. Wahrhaftig, das sage ich euch: In Israel gab es viele Witwen in den Tagen des Elija, als der Himmel für drei Jahre und sechs Monate verschlossen war und eine große Hungersnot über das ganze Land kam. Aber zu keiner von ihnen wurde Elija gesandt, nur zu einer Witwe in Sarepta bei Sidon. Und viele Aussätzige gab es in Israel zur Zeit des Propheten Elischa. Aber keiner von ihnen wurde geheilt, nur der Syrer Naaman.
Als die Leute in der Synagoge das hörten, gerieten sie alle in Wut. Sie sprangen auf und trieben Jesus zur Stadt hinaus; sie brachten ihn an den Abhang des Berges, auf dem ihre Stadt erbaut war, und wollten ihn hinabstürzen.«  (Lk 4,21-29)

Das Schriftwort, das sich erfüllt hat, kündet von großer Freude, von Heilung, von Gerechtigkeit, von Friede und gipfelt im "Gnadenjahr des Herrn". Es ist also nicht verwunderlich, wenn die Leute sich freuen und Beifall bekunden: Wer möchte nicht Teil haben an dieser Gnade? Die Zuhörer versichern sich dieser Teilhabe auch prompt: Dieser, der es verkündet, ist doch einer von uns, der Sohn Josefs, den wir kennen!
Jesus erkennt ihre Bemühung und fasst ihre Gedanken ins Wort: Tu die Wunder, schenke die Gnade auch hier in deiner Heimat! Doch Jesus enttäuscht. Er führt genau die Beispiale aus der Geschichte Israels mit seinem Gott an, in denen Gott sich eben gerade nicht an Israel, sondern an den Fremden als gnädig erwiesen hat. Man kann Jesus hören, wie er ausruft: Ihr wollt, dass ich in meiner Heimat, unter euch, Wunder wirke? Nein, keiner hier, soll geheilt werden, niemand von euch, soll gesättigt werden.
Jesus ist hier, bei ihnen; er kündigt Großes an und - verlässt die Stadt. Und das Erste was er tut, als er eine andere Stadt besucht, ist: Heilung bringen. Hmpf...

Mal ehrlich: Die verzweifelte Wut von Jesu Publikum ist doch mehr als verständlich. Mit anzusehen, wie anderen Gnaden zuteil werden, obwohl man sich selbst doch in so inniger Gemeinschaft mit Gott zu wissen glaubt... das ist unerträglich. Es muss zur Verzweiflung, zur Wut führen. Das Glück der anderen klingt wie Hohn auf einen selbst, der man sich von Gott gestraft fühlt. 
Ich sehe mich sehr oft selbst in den Reihen der Leute in jener Synagoge. Tue ich nicht genug? Gehe ich nicht Tag um Tag in die Kirche? Warum passiert mir dann dies? Warum ist das so? Warum sind die anderen so sehr gesegnet und ich verschmachte? Wann endlich schenkt Gott MIR Heilung? Wann darf ICH Glück erfahren?

Jesus heilt da, wo in diesem Moment Heilung nottut. Er musste diesen Dämon in der Synagoge von Kafernaum austreiben und wohmöglich dieses oder jenes Leid in Nazareth "übergehen"... Warum, wissen wir nicht. Gott erfüllt nicht unsere Wünsche. Also brauchen wir Geduld und Beharrlichkeit. Immer wieder muss man sich erinnern: Gott vergisst mich trotzdem nicht, wie er auch Israel in den Tagen Elijas nicht vergessen und in der Zeit des Elischa nicht verlassen hat!


Der Psalm der heutigen Messe besingt diese Zuversicht:

Der Herr ist gnädig und barmherzig,
langmütig und reich an Gnade.
Der Herr ist gütig zu allen,
sein Erbarmen waltet über all seinen Werken.

Danken sollen dir, Herr, all deine Werke
und deine Frommen dich preisen.
Sie sollen von der Herrlichkeit deines Königtums reden,
sollen sprechen von deiner Macht.

Sie sollen den Menschen deine machtvollen Taten verkünden
und den herrlichen Glanz deines Königtums.
Dein Königtum ist ein Königtum für ewige Zeiten,
deine Herrschaft währt von Geschlecht zu Geschlecht.

Der Herr ist treu in all seinen Worten,
voll Huld in all seinen Taten.
Der Herr stützt alle, die fallen,
und richtet alle Gebeugten auf.


(Ps 145,8-14)